1918 bis 1938: Jahre des Misstrauens

Die Jahre vor 1938 waren seit dem Ende des Ersten Weltkriegs von gegenseitigem Misstrauen geprägt - zwischen Bauern und Arbeitern, zwischen schwarz und rot, zwischen Niederösterreich und Wien und zwischen Stadt und Land.

Niederösterreichische Politiker diskutierten seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts über die Loslösung Niederösterreichs von Wien. Die erst mit Jahresbeginn 1922 beschlossene Trennung hatte weniger wirtschaftliche als vielmehr eindeutig politische Gründe. „Das Motto lautete ‚Der rote Moloch gegen die schwarzen Provinzler‘, und die schwarzen Provinzler trennen sich von dieser roten Hochburg, was aber große Probleme aufwirft“, erklärt der Historiker Ernst Bruckmüller von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Bruckmüller: „Geprügelt wurde gerne“

Der Preis für eine klare Mehrheit der Christlichsozialen Partei war aber hoch. Niederösterreich wurde für Jahrzehnte ein Kleingemeinde- und Bauernland. Die politischen Konflikte zwischen Christlichsozialen und Sozialdemokraten wurden in den 1920er Jahren auch in Niederösterreich häufiger und heftiger.

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ORF/Museum Niederösterreich

Maschinengewehr, das im Februar 1934 eingesetzt wurde, Ausstellung „Die umkämpfte Republik. Österreich 1918-1938“ im Haus der Geschichte in St. Pölten

Mit dem Korneuburger Eid im Mai 1930 spitzte sich die Situation zu. Die Heimwehr sagte ein Nein zum Parlamentarismus und ein Ja zum Ständestaat. „Im Industrieviertel, aber auch in den anderen Landesvierteln kam es immer wieder zu ziemlich gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rechts und links, zwischen Heimwehr und Nationalsozialisten. Geprügelt wurde gerne, und es gab jede Menge Opfer“, so Bruckmüller.

Die Auseinandersetzungen, vor allem in den Städten, waren oft gewalttätig und kampfbetont, in den ländlichen Regionen waren sie weniger heftig. „Die acht oder zehn Sozialisten aus unserem Ort waren alle bei der Eisenbahn beschäftigt. Sie sind mit dem Fahrrad nach Wolkersdorf gefahren, aber als Feinde wurden sie nicht bezeichnet“, erzählt der 94-jährige Josef Stöckl, ehemaliger Landwirt in Münichsthal bei Wolkersdorf (Bezirk Mistelbach).

Eminger: „Man teilte die zentralen NSDAP-Positionen“

Adolf Hitler und die Nationalsozialisten in Deutschland wurden zu einer immer größeren Bedrohung. Zwischen 1934 und 1938 waren tausende Sozialisten, Kommunisten und Nationalsozialisten in Anhaltelagern inhaftiert. „Das wichtigste Bollwerk gegen den Nationalsozialismus wäre natürlich gewesen, wenn man die Arbeiterbewegung nicht verboten hätte. Die Sozialdemokraten haben immer von einem gemeinsamen Schulterschluss mit den Christlichsozialen gegen die Nationalsozialisten gesprochen“, sagt Thomas Lösch, Leiter des Stadtarchivs in St. Pölten.

Haus der Geschichte Museum Niederösterreich Ausstellung

ORF/Museum Niederösterreich

Ausstellung „Die umkämpfte Republik. Österreich 1918-1938“ im Haus der Geschichte in St. Pölten

Doch bald war es auch in Niederösterreich zu spät, zu groß war die Attraktivität des neuen Geistes. Stefan Eminger, Leiter des Referates Zeitgeschichte im Niederösterreichischen Landesarchiv in St. Pölten: „Man hat schon gewusst, was die NSDAP will, sie hat das auch hinausposaunt. Man hat ganz einfach zentrale Positionen der NSDAP geteilt, wie zum Beispiel den Antisemitismus, den radikalen Antimarxismus und die Angst, sein Eigentum zu verlieren. Das waren ganz wichtige Antriebskräfte.“ Die Nationalsozialisten waren nicht mehr aufzuhalten, ohne Widerstand und Gegenwehr fand im März 1938 der „Anschluss“ Österreichs statt.

Reinhard Linke, noe.ORF.at

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