Christa Ludwig: Die Marschallin wird 90

Christa Ludwig ist kein sentimentaler Mensch. „Sängerin möchte ich nie wieder sein!“, sagt die große Mezzosopranistin. Am Freitag feiert die in Klosterneuburg (Bezirk Tulln) lebende Sängerin ihren 90. Geburtstag.

Am 14. Dezember 1994 nahm die gebürtige Deutsche als Klytämnestra mit ihrem 769. Auftritt in der Wiener Staatsoper ihren Bühnenabschied. Allerdings bedauert Ludwig, die als eine der großen Stimmen ihres Fachs im 20. Jahrhundert gilt, ihre große Karriere auch nicht. Sie erkennt in ihren neuen Lebenserinnerungen „Leicht muss man sein“ allerdings die Vorteile des Lebens nach dem Scheinwerferlicht, das sich zwischen der Tätigkeit als Lehrerin und ihrem Haus in Klosterneuburg abspielt: „[...] bis dahin hatte ich wie in einer Traumwelt gelebt.“

Christa Ludwig 2013 Staatsoper Wien

APA/Georg Hochmuth

Christa Ludwig bei der Matinee anlässlich ihres 85. Geburtstages in der Wiener Staatsoper am 17. März 2013

Holender: „Eine gottbegnadete Künstlerin“

Und so ist Ludwig keine, die wehmütig zurückblickt. „Ich habe diese Seite meines Lebensbuches umgeschlagen und verließ mit leichtem Herzen und leichten Händen meinen Sängerberuf“, unterstreicht die Künstlerin im Gespräch mit den beiden Autoren Erna Cuesta und Franz Zoglauer. Ludwig habe sich, „zum großen Unterschied von sehr vielen, nur einmal verabschiedet“, würdigte einst auch Direktor Ioan Holender in einer Staatsopernfestschrift zum 80. Geburtstag die klare Linie der „wahrhaftig gottbegnadeten Künstlerin“.

Dabei dürfte das Talent der am 16. März 1928 in Berlin geborenen Ludwig nicht nur von Gott, sondern auch von den Genen herrühren, ist sie doch Tochter des Sängerpaares Anton Ludwig und Eugenie Besalla. Sie wuchs in Aachen und Hanau auf und versuchte sich unter der Obhut der Mutter schon bald an Koloraturarien. Als Achtjährige bewältigte Ludwig bereits die große Arie von Mozarts Königin der Nacht. In Aachen besuchte sie neben der Schule auch das Konservatorium, wo sie Unterricht in Klavier, Cello, Flöte und Musiktheorie erhielt. Gesang studierte sie jedoch ausschließlich bei ihrer Mutter.

Wiener Staatsoper: 43 Partien in 769 Aufführungen

1946 debütierte Ludwig als Prinz Orlofsky in der „Fledermaus“ an den Städtischen Bühnen in Frankfurt am Main, wo sie bis 1952 als Altistin Mitglied des Ensembles war. Auch in den folgenden Jahren wurde sie noch bevorzugt als Altistin eingesetzt, bis sie ihre eigentliche Stimmlage im Mezzosopran fand. Dennoch unternahm sie immer wieder Ausflüge sowohl ins Alt- als auch ins Sopranfach und bewahrte sich ihre Liebe zur Koloratur. So sang sie zum Beispiel Partien wie die der Rosina in „Der Barbier von Sevilla“ oder der Angelina in „La Cenerentola“ von Gioacchino Rossini.

Christa Ludwig Hilde Zadek Wien 2015

Franz Johann Morgenbesser/Wikimedia Commons/Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 generisch/

Zwei Jahrhundertstimmen (v.l.): Christa Ludwig (Jahrgang 1928) und Hilde Zadek (Jahrgang 1917), Wien 2015

Nach weiteren Engagements in Darmstadt (1952 bis 1954) und Hannover holte sie Karl Böhm 1955 an die Wiener Staatsoper, wo sie insgesamt 43 Partien singen sollte. Seit ihrem ersten Auftritt bei den Salzburger Festspielen 1955 war sie dort ebenso Stammgast wie in Bayreuth und bei vielen anderen bedeutenden Musikfestspielen. Zwar war sie auch in der Deutschen Oper Berlin, der Grand Opera in Paris oder der Metropolitan Opera in New York zu Hause und absolvierte große Tourneen, ihre künstlerische Heimat blieb jedoch Wien.

Sie war Kundry, Venus, Leonore und Lady Macbeth

Ludwigs Repertoire umfasste die wichtigsten Alt- und Mezzosopranpartien von Mozart bis Bela Bartok, aber auch zahlreiche dramatische Sopranpartien. Zu ihren Glanzrollen zählen etwa die Marschallin im „Rosenkavalier“ von Richard Strauss, die Kundry in Richard Wagners „Parsifal“ und die Leonore in Ludwig van Beethovens „Fidelio“ oder Giuseppe Verdis Lady Macbeth. Daneben erwies sich Ludwig zunehmend als glänzende Liedinterpretin, insbesondere der romantischen und spätromantischen Werke von Schumann, Brahms und Mahler.

Christa Ludwig 2003 Theater an der Wien

APA/Herbert Pfarrhofer

Christa Ludwig während der Gala zu ihrem 75. Geburtstag im Theater an der Wien am 16. März 2003

Und dabei nahm sich die Sängerin, die seit Ende 1971 in zweiter Ehe mit dem 2011 verstorbenen französischen Regisseur und Schauspieler Paul-Emile Deiber verheiratet war, nie ein Blatt vor den Mund, wie sich das für einen Kommandeur der französischen Ehrenlegion gehört, ein Titel den sie seit 2010 trägt. Das zeigt sich auch in der aktuellen #MeToo-Debatte, die Ludwig im Interview mit der „WAZ“ kritisiert: „Die hässlichen Frauen sagen: ‚Och, bitte, me too!‘ Das alles ist so ein Quatsch.“ Sie selbst nutzte ihre Reize in ihrer Karriere durchaus, wie sie in ihrer neuen Autobiografie klarstellt: „Ja, damals konnte man die Männer noch bezirzen. Zuerst haben sie gesehen und dann erst gehört. Später saßen dann beim Vorsingen auch Frauen. Das hatte ich gar nicht gern.“

Anekdoten und Erinnerungen wie diese dürften auch am 25. März eine Rolle spielen, wenn Christa Ludwig unter Moderation ihres Sohnes Wolfgang Berry in einer Matinee in der Wiener Staatsoper mit illustren Gästen gewürdigt wird. Zuvor wurde bereits die Biografie „Leicht muss man sein. Erinnerungen an die Zukunft“, aufgezeichnet von Erna Cuesta und Franz Zoglauer (Amalthea Verlag), vorgestellt.

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