Waidhofens Wirtshauskultur wächst

Während in vielen Gemeinden in Niederösterreich Wirtshäuser zusperren, verzeichnet der Bezirk Waidhofen/Thaya erstmals seit Jahren ein Plus bei der Zahl der Wirtshäuser. In Gastern etwa hat ein junger Wirt ein Gasthaus eröffnet.

Klaus Hölzl steht bei unserem Lokalaugenschein selbst in der Küche. Einkornpalatschinken, die später mit Linsen und Schafkäse gefüllt werden, brutzeln in der Pfanne. Dazu gibt es für die Gäste Bärlauchsud, denn „die Saison hat schon begonnen“, sagt er.

Der Waldviertler gründete vor knapp zwei Jahren entgegen aller Trends in Gastern sein Lokal „Auszeit“. Damals war er 23 Jahre alt. Er setzt auf regionale, saisonale Küche und den Gästen gefällt das.

Wirtshausbilder

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„Es läuft richtig gut“, sagt Hölzl sichtlich stolz. Mittags habe er bis zu 25 Gäste. Dass das in einer ländlichen Gegend wie hier im Waldviertel keine Selbstverständlichkeit ist, weiß er. Und das weiß auch Peter Müllner, der im selben Ort als Kirchenwirt ein alteingesessenes Wirtshaus betreibt - eines, wie man es noch von früher kennt.

Drei Stunden Schlaf

Müllner kennt auch die Schattenseiten der Gastronomie: „Jeder kämpft“, sagt er. Unter Wirten wolle man „sich gegenseitig nichts wegnehmen“, der Konkurrenzkampf sei trotzdem hart. Die Gästeschicht der „Auszeit“ hingegen sei eine andere als seine eigene.

Seine Eltern, Herbert und Monika Müllner, eröffneten das Wirtshaus vor einem halben Jahrhundert - in einer Zeit, in der noch so gut wie jede Gemeinde ihren eigenen Dorfwirten hatte. Ein Gasthaus zu betreiben bedeutete schon damals viel Arbeit, erinnert sich die pensionierte Wirtin: „Da hab’ ich mich um vier Uhr morgens schlafen gelegt und bin drei Stunden später wieder aufgestanden. Das waren schon oft harte Tage“. Wäre Monika Müllner noch einmal jung, würde sie das Leben als Wirtin nicht mehr wählen, sagt sie.

Gastern Wirtshäuser Aufwärtstrend Waidhofen/Thaya

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Herbert und Monika Müllner eröffneten das Wirtshaus in den 1970ern

500 Wirtshäuser sperrten seit 2001 zu

Dass von Jahr zu Jahr mehr traditionelle Wirtshäuser zusperren müssen, ist in ganz Österreich der Fall. In Niederösterreich jedoch sei dieser Trend besonders deutlich zu spüren, erklärt Mario Pulker vom Fachverband Gastronomie der Wirtschaftskammer: „Niederösterreich ist das Bundesland mit den meisten Mitgliedsbetrieben und besonders bei Dorf-und Landwirtshäusern merken wir einen deutlichen Rückgang“. Waren es 2001 noch knapp 2.000 Gasthäuser im gesamten Bundesland, so sind es mittlerweile um 500 weniger.

Oft scheitere es auch daran, dass die junge Generation das elterliche Wirtshaus nicht übernehmen kann oder will. „Es ist nicht mehr interessant, diesen Betrieb fortzuführen, weil der Gewinn, den man erzielen kann, in Relation zu der investierten Arbeit und Zeit sehr gering geworden ist“. Ein Dorfwirtshaus zu übernehmen zahle sich dann schlicht und einfach nicht aus.

„Allergenkennzeichnung, das Hin und Her beim Rauchergesetz sowie fehlendes Personal“ nennt Pulker als weitere Herausforderungen in der Gastronomie. Und schlussendlich sei es auch einfach die Gesellschaft, die sich verändere: „Die Leute gehen heute weniger ins Gasthaus als früher“, meint Pulker.

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Wurstsemmerl vs. Wirtshaus

Diese Ansicht teilen auch die Wirte. „Es ist alles nicht mehr so, wie es einmal war. Viele fahren heute mit dem Auto in die Arbeit und haben deshalb kein Interesse, sich auf ein paar Bier zusammenzusetzen“, sagt etwa Monika Müllner. Und auch Klaus Hölzl ist sich sicher: „Keiner nimmt sich mehr wirklich Zeit zum Essengehen. Ein schnelles Wurstsemmerl ist manchmal viel einfacher“.

Um dem entgegenzuwirken, müsse sich heutzutage jeder Wirt etwas einfallen lassen. „Man muss den Menschen einen Grund dafür geben, sich Zeit zum Genießen zu nehmen“, sagt Hölzl. Das bestätigt auch Mario Pulker von der Wirtschaftskammer. „Wirte, die darauf warten, dass der Gast des Dorfes hereinkommt, werden es immer schwieriger haben und sukzessive vom Markt verschwinden“, sagt er.

Gastern Wirtshäuser Aufwärtstrend Waidhofen/Thaya

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Klaus Hölzl betreibt in Gastern das Lokal „Auszeit“

In Gastern versuchen sowohl Müllner als auch Hölzl auf ihre eigene Art, am Ball zu bleiben. Der Kirchenwirt bemüht sich um Buffets und kocht für „Essen auf Rädern“, Hölzl setzt mit Kleinlieferanten aus der Gegend auf Regionalität. Doch allein mit Ideenreichtum ist die Arbeit eines Wirten nicht getan: Ob Kochen, Service oder Management - ein Wirt müsse immer „ein Allroundtalent“ sein, sagt Hölzl und wendet die Palatschinke.

Miriam Steiner, noe.ORF.at

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