Wenn das Wissen zum Standortvorteil wird
Zumindest ein bisschen ist Kaiser Franz Joseph mitverantwortlich dafür, dass Karlstein an der Thaya (Bezirk Waidhofen an der Thaya) als technisch besonders versierte Gemeinde gilt. 1873 wurde die k.k. Uhrmacher-Fachschule gegründet. Die Schule gibt es noch heute, es ist die einzige Fach- und Bundes-Berufsschule für Uhrmacher in Österreich.
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Im selben Gebäude gibt es auch eine HTL und eine Fachschule für Mechatronik. Hier werden alle Wissensgebiete der Automation gelehrt: Elektronik, Mechanik, Hydraulik und Computertechnik. Direktor Wolfgang Hörmann betont, dass die Ausbildung in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft immer auf dem aktuellen Stand gehalten werden: „Wir sind eine kleine Schule mit etwa 200 Schülerinnen und Schülern. Der Bedarf an Arbeitskräften, die das können, was unsere Schüler lernen, ist sogar hier in der Region wesentlich größer.“
Die gute Chance auf einen Arbeitsplatz ist einer der Gründe, warum Anna Messmann aus Langau (Bezirk Horn) die HTL besucht: „Ich hab mich immer schon für Mathematik interessiert. Hier kann man an den modernsten Maschinen lernen." Mitschüler Thomas Matzinger aus Groß-Siegharts (Bezirk Waidhofen an der Thaya) ergänzt: „Für mich ist wichtig, dass die Schule so nah liegt. Man könnte das zwar auch in Wien lernen, ich bleibe aber lieber im Waldviertel.“
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Pollmann: Vom Familienbetrieb zum Mega-Konzern
Mit 600 Mitarbeitern am Standort Karlstein ist die Firma Pollmann der größte Arbeitgeber in der Marktgemeinde. Beinahe parallel zur Entwicklung der Schule entwickelte sich auch der Familienbetrieb von einer Uhrmacherwerkstatt zu einem Mechatronik-Konzern. Weltweit gibt es kaum eine Automarke, in der nicht Bauteile, die in Karlstein entwickelt worden sind, eingebaut werden: Pollmann erzeugt komplexe Mechatronikteile unter anderem für Schiebedächer, Benzinpumpen und Heizsysteme.
Das über Generationen gesammelte Know-how sei der Grund, warum die Firmenzentrale immer noch im relativ abgelegenen Karlstein sei, sagt Firmeneigentümer Robert Pollmann: „In Karlstein machen wir die gesamte Grundlagenentwicklung für unsere Produkte. Es würde keinen Sinn machen, dieses Wissen vom Waldviertel weg etwa ins Silicon Valley zu verlagern."
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Die nächste Autobahnauffahrt ist zwar 80 Kilometer von Karlstein entfernt, die Datenautobahn in Form von Breitband-Internet wurde im Waldviertel aber so ausgebaut, dass man in Echtzeit mit den Niederlassungen in aller Welt zusammenarbeiten kann. Pollmann International hat Standorte in den USA, China und Tschechien. Mit 1.700 Mitarbeitern wurde 2017 ein Konzernumsatz von 170 Millionen Euro erzielt.
Heilkräuter locken Besucher nach Karlstein
Über Generationen gesammeltes Spezialwissen gibt es auch im Kräuterpfarrerzentrum. Vor 40 Jahren wurde der „Verein der Freunde der Heilkräuter“ gegründet. Gemeinsam mit dem aus China zurückgekehrten Prämonstratensermönch Hermann-Josef Weidinger (1918-2004) wurde Kräuterwissen aus aller Welt gesammelt, das bei Vorträgen und Seminaren weitergegeben wird.
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Der „neue“ Kräuterpfarrer Benedikt Felsinger hütet nicht nur das Wissen seines verstorbenen Vorgängers, sondern für ihn ist auch wichtig, die Erkenntnisse immer wieder der Zeit entsprechend neu anzupassen. „Die Kräuter erneuern sich ja auch Jahr für Jahr, sie wachsen jedes Jahr neu. Das ist für mich ein schönes Sinnbild, dass wir das Alte auch immer wieder neu auffrischen und für die Gegenwart aktualisieren müssen“, erklärt Kräuterpfarrer Benedikt.
Vor allem im Sommer lockt das Kräuterpfarrer-Weidinger-Zentrum Besucher nach Karlstein. Auch hier gibt es eine Zusammenarbeit mit der Schule: Die Teilnehmer der Kräuterseminare wohnen während der Sommerferien im renovierten Schülerwohnheim der Uhrmacherschule.
Fabian Fessler, noe.ORF.at