donaufestival: Nackte Körper und Clubsounds

Das donaufestival widmet sich in der zweiten Ausgabe unter Thomas Edlinger einer „endlosen Gegenwart“. Am Freitag wird das Festival eröffnet. An den zwei kommenden Wochenenden sind etwa Liquid Loft und Ex Eye in Krems zu sehen.

Unter dem Leitmotiv „endlose Gegenwart“ startet das Kremser donaufestival am Freitag in seine zweite Ausgabe unter dem im Vorjahr angetretenen Intendanten Thomas Edlinger. Zur Diskussion gestellt werden in der bewährten Mischung aus Musik, Performance und Kunst diesmal „Diagnosen zur Gegenwart“, aber auch deren Brüche, sagte Edlinger - mehr dazu in „Endlose Gegenwart“ beim donaufestival (noe.ORF.at; 8.3.2018).

Die offizielle Eröffnung findet am Freitag um 17.00 Uhr in der Kunsthalle Krems statt. Dabei wird die Multimedia-Installation „Premise Place (edit 1)“ von Lizzie Fitch und Ryan Trecartin – zwei der derzeit angesagtesten Künstler aus Los Angeles - zu sehen sein. Im Anschluss thematisiert die Gruppe „The Agency“ in „Medusa Bionic Rise“ wiederum den Fitnesswahn, wobei dieser nicht nur überhöht, sondern für Freiwillige auch direkt spürbar gemacht werden soll.

The Agency

Nico Schmied

„The Agency“ thematisiert am ersten Wochenende den Fitnesswahn

Körper treffen auf Stimmen in Dominikanerkirche

Ebenso am ersten Wochenende steht die Performance „Church of Ignorance“ am Programm. Dafür besetzt Choreograf Chris Haring mit Liquid Loft am 28. und 29. April die Dominikanerkirche und lässt Körper auf Stimmen treffen. Ein „babylonisches Sprachengewirr“ soll hier auf die Zuschauer einprasseln, wobei Worte in Gesten und Tanz umgesetzt werden und so eine physische Auslegung des möglicherweise Unverständlichen angegangen wird.

Zur Grenzerfahrung könnte auch „When everything is human, the human is an entirely different thing“ von Wild Vlees werden (28. und 29.4.): Bei dieser Österreichpremiere spielen Gipsschlamm und nackte Körper gleichermaßen eine Rolle und wird ein Paar so zur Skulptur, dass dessen menschliche Züge sukzessive verschwinden.

Liquid Loft

Chris Haring

Choreograf Chris Haring besetzt mit Liquid Loft die Dominikanerkirche

Clubsounds und politische Wut

Musikalisch bewegt man sich hingegen zwischen den über die Jahren etablierten Polen Electronic und Postrock mit allerlei Ausfransungen. Das kanadische Kollektiv „Godspeed You! Black Emperor“ wildert zum Beispiel ebenso im dröhnenden Gitarrenwald, wie atmosphärische Lichtungen aufgesucht werden, Laurel Halos Vorliebe für minimalistische Beats hat sich zuletzt immer stärker Popsounds geöffnet, und bei der Zusammenarbeit von Zonal (Justin Broadrick und Kevin Martin) mit der US-Rapperin Moor Mother darf man höchst politische Wut und dem Schmerz zugewandte Klänge erwarten.

Welch spannende Ergebnisse die Überschneidung von Clubsounds, zeitgenössischem R’n’B und queerer Ästhetik offenbart, konnte schon in den vergangenen Jahren mehrfach in Krems beobachtet werden. Heuer schlagen etwa MHYSA und Lotic in diese Kerbe, während das Quartett Ex Eye um Saxofonist Colin Stetson und Ausnahmeschlagzeuger Greg Fox instrumentale Virtuosität mit Lautstärke und Intensität kreuzt. Am anderen Ende des Spektrums hat sich Grouper angesiedelt: Die Folkmusikerin setzt auf Fragilität und Zurückhaltung, ohne auf große Wirkung verzichten zu müssen.

John Gerrad Western Flag

Courtesy John Gerrard, Thomas Dane Gallery, London and Simon Preston Gallery, New York

John Gerrard programmiert Echtzeit-Simulationen. „Western Flag“ zeigt eine Umkreisung einer Flagge aus schwarzem Rauch

„Endlosen Gegenwart“ beim donaufestival

Für den Festivalmacher und Nachfolger von Tomas Zierhofer-Kin geht es beim Festival offensichtlich gleichermaßen um das Ausloten von Extremen wie das Hinterfragen der Strukturen, die vielen unserer Handlungen zugrunde liegen. „Nichts endet wirklich, aber auch nichts beginnt neu“, beschreibt er im Vorwort der Festivalbroschüre das Heute und gibt die Suche nach etwas Altmodischem als ein mögliches Ziel aus.

Getrieben von Arbeit und Freizeitstress, angeleitet von Smartphone und Hashtag-Orgie, entlassen in die Welt digitaler Zeichen: Der ständigen Verfügbarkeit jeglicher Ressourcen und dem Heischen nach Aufmerksamkeit in unserer Gesellschaft will sich das diesjährige donaufestival in Krems entgegenstellen.

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