Politischer Schlagabtausch um Sammelquartiere

Die von Integrationslandesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) angeordneten Sammelquartiere für Flüchtlinge mit negativem Asylbescheid sorgen für einen politischen Schlagabtausch. Waldhäusl wird auch wegen seiner Wortwahl kritisiert.

Bis Freitagabend müssen sich in Niederösterreich all jene Asylwerber, die einen negativen Asylbescheid erhalten haben, in Sammelquartieren einfinden, wo sie sich ab dann an bestimmte Ausgehzeiten halten müssen, kein Taschengeld mehr bekommen und auf ihre Heimreise vorbereitet werden. Niederösterreich ist damit das erste Bundesland, das derartige Quartiere umsetzt. Während die Frist für die 405 betroffenen Flüchtlinge noch läuft, ist allerdings eine heftige politische Diskussion entbrannt.

Grüne kündigten Misstrauensantrag an

Die Grünen Niederösterreich sprachen am Freitag in einer Aussendung von einem „unmenschlichen Vorgehen" Waldhäusls und kündigten an, bei der kommenden Landtagssitzung einen Misstrauensantrag gegen den FPÖ-Landesrat einbringen zu wollen. „Ich erwarte mir jetzt von ÖVP, SPÖ und den NEOS ein klares Signal gegen Landesrat Waldhäusl und gegen das unmenschliche Vorgehen von diesem. Insbesondere bin ich auf das Abstimmungsverhalten der ÖVP gespannt, da der Landesrat auf Duldung von Landeshauptfrau Mikl-Leitner in dieser Landesregierung sitzt“, sagte die Landessprecherin der Grünen, Helga Krismer.

FPÖ: Waldhäusl macht „einfach seine Arbeit“

Für die FPÖ Niederösterreich ist das ein „entbehrlicher Rundumschlag“. „Einen Misstrauensantrag der Grünen gegen unseren Landesrat Waldhäusl, weil dieser schlicht und einfach seine Arbeit macht, kann ich nicht einmal ignorieren“, reagierte FPÖ-Klubobmann Martin Huber ebenfalls via Aussendung.

Die Freiheitlichen seien mit Hochdruck dabei, die Versäumnisse der zuständigen Politiker aus den vergangenen Jahren aufzuarbeiten. Zudem hätten die Niederösterreicher mit ihrem Wahlverhalten „mehr als deutlich gezeigt, wer in unserem Land Regierungsverantwortung übernehmen darf“. Das hätten auch die Grünen zu akzeptieren, „die im Stellenwert für den Wähler offenbar im Keller gelandet sind“, so Huber.

Massive Kritik an Wortwahl Waldhäusls

Waldhäusl ist nicht zuletzt auch wegen seiner Wortwahl Kritik ausgesetzt. Er hatte im Zusammenhang mit den Sammelquartieren vergangene Woche von einem „Saustall“ gesprochen, den es aufzuräumen gelte - mehr dazu in Maßnahmenpaket gegen illegale Asylwerber (noe.ORF.at; 27.4.2018). Bernhard Ebner, Geschäftsführer der ÖVP Niederösterreich, forderte daraufhin „Anstand in der Arbeit und Anstand im Ton“. Auch SPÖ-Landesparteichef Franz Schnabl sprach am Donnerstag bei einer Pressekonferenz von „Wahlkampfrülpsern“, die Respektlosigkeit gegenüber Regierungskollegen und anderen Menschen zeigen würden.

Auch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zeigte sich am Freitag mit den Aussagen Waldhäusls „nicht glücklich“. „Ich halte von einer derartig derben Sprache überhaupt nichts, wenn man von Massenlagern und Sammelquartieren spricht oder Vergleiche zwischen Mensch und Tier anstellt. Das wird es in Niederösterreich auch nicht geben, Massenquartiere und dass Menschen weggesperrt werden“, so Mikl-Leitner im Gespräch mit noe.ORF.at.

Mikl-Leitner fordert Richtigstellung

Mikl-Leitner forderte zudem eine Richtigstellung durch Waldhäusl, da in Niederösterreich keine Massenquartiere errichtet würden, sondern die Flüchtlinge in Grundversorgungsquartieren des Landes untergebracht würden. Gerade in den vergangenen Tagen hätten sich viele besorgte Bürgerinnen und Bürger an sie gewandt, die „verunsichert“ seien und Angst hätten, dass Massenquartiere in ihrer Region errichtet werden. Es brauche eine „sensible Sprache“, um nicht Verunsicherungen oder Irritationen herbeizuführen, so Mikl-Leitner.

Mikl-Leitner stellte auch klar, dass „Wegsperren“ rechtlich nicht gedeckt wäre. Richtig sei, dass Personen in bestimmten Fällen - etwa kurz vor einer Abschiebung - in Bundeseinrichtungen als fremdenpolizeiliche Maßnahme festgehalten werden könnten. Der Entzug der Grundversorgung, wenn sich Menschen mit negativem Asylbescheid nicht in den von Waldhäusl zugewiesenen Quartieren einfinden, sei „von der Aufnahmerichtlinie der Europäischen Union gedeckt“.

„Richtig“ ist für die Landeshauptfrau, „dass es bei Asylmissbrauch eine strenge und konsequente Vorgehensweise braucht“. Man müsse den Migrationswellen nach Europa mit „konsequenten Maßnahmen und Signalen begegnen“, so Mikl-Leitner: „Das fängt bei den Personen an, die nur aus wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verlassen und dafür das Asylsystem missbrauchen wollen. Und das geht bis zu jenen Menschen, die tatsächlich Schutz brauchen, und diesen Schutz und eine sichere Versorgung an einem sicheren Ort nahe ihrer Heimat erfahren sollen - und nicht am anderen Ende der Welt.“

Massenquartiere laut SPÖ „klar abzulehnen“

Massenquartiere und die Diktion Waldhäusls seien klar abzulehnen, wurde am Freitag seitens der SPÖ erneut betont. Sprache, die Gesellschaft spalte, sei eines Regierungsmitglieds unwürdig, heißt es in einer Aussendung. „Es geht darum, für die NiederösterreicherInnen Verbesserungen zu schaffen und nicht gegen eine Gesellschaftsgruppe zu arbeiten. Jeder kann sich selbst ein Bild machen, ob das noch auf alle Landesregierungsmitglieder zutrifft“, werden Schnabl und Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) zitiert.

Laut SPÖ soll Waldhäusl „vor der schwarz-blauen Türe kehren“ und darauf einwirken, „endlich bilaterale Rückführungsabkommen zu schließen, anstatt durch Massenquartiere Unsicherheit in der Bevölkerung zu erzeugen“.

Kaum Informationen zu Massenquartieren bekannt

NEOS sprach am Freitag von einer „Negativspirale" und forderte mehr Transparenz. „Die Hauruck-Aktion von FPÖ-Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl bedeutet, dass eine Negativspirale von Illegalität und Kriminalität in Gang gesetzt wird. Asylwerberinnen und Asylwerber müssen bis zum Abend eine schwerwiegende Entscheidung treffen, und die lautet: Schubhaft und Abschiebung ohne Perspektive oder Untertauchen und Beschaffungskriminalität“, so NEOS-Landessprecherin Indra Collini.

Die Bürgerinnen und Bürger hätten ein Recht zu erfahren, wie viele Massenquartiere es gebe, wo diese seien und wie viele diese die Steuerzahler kosten würden, kritisierte Collini, dass in Sachen Massenquartiere keine weiteren Informationen preisgegeben würden. Wo sich die Sammelunterkünfte befinden, wollte Waldhäusl aus Datenschutzgründen nämlich nicht sagen. Er befürchtete Demonstrationen und Proteste in den Gemeinden - mehr dazu in Sammelquartiere müssen heute bezogen werden (noe.ORF.at; 4.5.2018).

Offener Brief an Landeshauptfrau Mikl-Leitner

Die Initiative „willkommen MENSCH! in Horn“ wandte sich am Freitag mit einem offenen Brief an Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Darin fordern sie Mikl-Leitner unter anderem auf, das „sinnlose Entwurzeln derjenigen, die an verschiedenen Orten in Niederösterreich schon gut integriert sind“ sowie die „Verbalattacken von LR Waldhäusl“ zu stoppen. „Wir haben es nicht mit über 400 Illegalen zu tun, sondern mit über 400 Menschen! Menschen, für die sich viele Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher einsetzen“, heißt es in dem Schreiben.

In dem offenen Brief wird auch darauf hingewiesen, dass die meisten negativen Asylbescheide Flüchtlinge aus Afghanistan treffen würden und auf einem Gutachten beruhen würden, das „offensichtlich wissenschaftlich unzulänglich ist“, und es ein neues „wissenschaftlich fundiertes und sehr differenziertes Gutachten“ gebe. „Frau Landeshauptfrau, bitte wirken Sie mit Ihren politischen Möglichkeiten auf die relevanten Stellen ein, dass die Bescheide der mit der Abschiebung bedrohten Menschen auf der Basis des aktuellen Gutachtens neu bewertet werden“, fordern die Unterzeichner des Briefes.

Katharina Sunk, noe.ORF.at