Landestheater: Visueller Humor im „Revisor“

Mit viel Musik hat Sandy Lopicics Inszenierung des Klassikers „Der Revisor“ von Nikolaj Gogol am Freitagabend in St. Pölten Premiere gefeiert. Das Lustspiel begeisterte mit visuellem Humor und modernisierter Sprache.

Das Lustspiel thematisiert alle Ebenen der Korruption von der Kleinstadt bis hin zu den Regierungsbeamten: In einem kleinen russischen Städtchen sind die Honoratioren verzweifelt, die sich in einem Netz aus Korruption und undurchschaubaren Strukturen ein angenehmes Leben eingerichtet haben. Sie haben von der Ankunft eines Revisors erfahren, der inkognito im Ort nach dem Rechten sehen soll. Diesen vermuten der Stadthauptmann und seine Mitstreiter in der Person des Beamten Chlestakow, der eigentlich einen ganz anderen Auftrag hat. Dreist nutzt er die unverhofften Zuwendungen jedoch gerne aus.

Aktualisierter Klassiker mit Slapstick-Elementen

In der aktuellen Inszenierung der 1835 entstandenen Komödie spielt die Musik eine besonders wichtige Rolle: Regisseur Lopicic hat die Live-Musik arrangiert, die beinahe immer im Hintergrund zu hören ist und die einzelnen Szenen wunderbar akzentuiert und besonders die humorvollen Partien betont. Zur musikalischen Vielfalt gehören der Dialog von Schauspielern mit Instrumenten, zwei Lieder und ein Rap, in dem der vermeintliche Revisor mit seinen guten Kontakten zu obersten Regierungskreisen prahlt. Die Melodien verarbeiten bekannte Motive klassischer Stücke und vermischen sie mit Elementen jiddischer und balkanischer Volksmusik.

Landestheater Gogol Revisor Tim Breyvogel Michael Scherff

Alexi Pelekanos

Rauer Umgangston im „Revisor“ mit Tim Breyvogel und Jevgenij Sitochin (v.l.)

Gogols Originaltext ist in dieser Fassung stark modernisiert, gekürzt und umgeschrieben. Das hat einerseits einen raueren Umgangston, aber auch aktualisierte Anspielungen und Pointen zur Folge: So kann der Verweis auf aktuelle politische Themen durch ein im Stück ausgerechnet vom Gesundheitsbeauftragten abgeschafftes Rauchverbot nicht missverstanden werden.

„Der Revisor“

Regie: Sandy Lopicic. Bühne: Michael Köpke. Kostüme: Aleksandra Kica. Musik: Imre Lichtenberger Bozoki. Mit Tim Breyvogel, Jevgenij Sitochin, Michael Scherff, Katharina Haindl, Josephine Bloeb, Tobias Artner und Hanna Binder.

Puristen mögen hier freilich den Verlust des stilvollen, nostalgischen Witzes des Originaltextes bemängeln, aber die Inszenierung macht dies durch umfangreichen visuellen Humor wett. So sind viele Slapstick-Elemente zu sehen, die beinahe schon an Zirkusnummern erinnern und die Absurdität des Gezeigten noch unterstreichen.

Besonders den Schauspielern - allen voran Tim Breyvogel als Chlestakow und Michael Scherff als Stadthauptmann - gebührt für die beinahe akrobatischen Leistungen hohes Lob. Das Publikum dankte ihnen mit schallendem Gelächter.

Spaß mit bitterem Beigeschmack

Die Unsicherheit der einzelnen Figuren und die Zustände in der Stadt werden durch Michael Kopkes Bühnenbild bekräftigt. In einem großen Netz versuchen einander Chlestakow und der Stadthauptmann im Stehen balancierend einzuschüchtern, und der schräge Boden droht jeden zu Fall zu bringen, der nicht in seine Funktionsweise eingeweiht ist.

Landestheater Gogol Revisor

Alexi Pelekanos

Die nächsten Vorstellungen in St. Pölten sind am 5., 9., 18. und 19. Mai sowie am 13. Juni. Gastvorstellungen an der Bühne Baden am 22. August und 5. September

In der Inszenierung wird die Ernsthaftigkeit des Themas Korruption allerdings nur kurz angeschnitten. Der scheinbare Revisor wird mit Bestechungsgeld überhäuft, aber diejenigen, die sich bei ihm über den Amtsmissbrauch der Honoratioren beschweren wollen, kommen nicht zu Wort und werden im Stich gelassen. Dass das nicht zum Lachen ist, wird auch musikalisch untermalt. Doch diese Aspekte bleiben verhalten und selbst das an das Publikum gerichtete „ihr lacht über euch selbst“ des Stadthauptmanns wird leider nicht weiter ausgeführt. Der Spaß bekommt so zwar einen etwas bitteren Nachgeschmack, der jedoch vor dem Hintergrund der ansonsten durchwegs heiteren Inszenierung verblasst.

Martin Auernheimer, Austria Presse Agentur

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