1718: Wie ein Großbrand Göttweig veränderte
Der 17. Juni 1718 ist in die Stiftschronik des Benediktiner Stiftes Göttweig als der „schwarze Freitag“ eingegangen. Der verheerende Brand soll laut Chronik in der Fassbinder-Werkstatt ausgebrochen sein. „Diese Werkstatt befand sich in unmittelbarer Nähe zur Schmiede, einem Getreidespeicher, den Stallungen und dem Heu für die Pferde. Ich denke, man kann sich gut vorstellen, dass sich in diesem Bereich rasch ein Feuer entwickelt“, sagt Angelika Kölbl. Sie ist Archivarin des Stifts und gestaltete als Kuratorin die aktuelle Jahresausstellung „Göttweig brennt“.
Stift Göttweig
Durch den Westwind breitete sich das Feuer rasch weiter aus. Der Brand griff auf den damaligen Kanzleitrakt über. Bald brannten auch das Dach der Stiftskirche und der Pfarrkirche Sankt Gotthart, die es heute nicht mehr gibt. „Man kann sagen, dass binnen weniger Stunden mehr oder weniger die ganze Klosteranlage gebrannt hat“, fasst Kölbl zusammen.
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Es verwundert, dass bei der Brandkatastrophe keine Todesopfer zu beklagen waren. Einen verletzten Mitbruder verzeichnet die Chronik: Subprior Pater Sigismund war durch herabstürzende Mauerteile im Bereich des Kreuzganges verschüttet worden und konnte sich nicht mehr selbst befreien. Viele Menschen liefen damals den Göttweiger herauf, um zu helfen. Es gab allerdings zu wenig Löschwasser und nur sehr einfache lederne Löschkübel.
Abt nutzt Gunst der Stunde zur Erneuerung
Der damalige Abt des Stiftes Göttweig, Gottfried Bessel, schrieb in einem Brief an den Abt von Stift Lambach von Brandstiftung. Ein Motiv für das mögliche Verbrechen ist allerdings nicht bekannt. Ob Brandstiftung oder nicht, das verheerende Feuer könnte dem Abt genützt haben. „Es ist in der Geschichte immer wieder gemutmaßt worden, dass der Brand Abt Gottfried Bessel ganz recht war, weil er doch hochfliegende Pläne hatte“, gibt Kölbl zu bedenken.
Stift Göttweig
Bereits 1719 begann man mit dem Wiederaufbau des Klosters, dieses Mal in einheitlicher barocker Pracht, wie es dem Abt wohl schon lange vorschwebte. Dafür gab es vom Kaiser höchstpersönlich eine Steuerbefreiung. Nach 80 Jahren Bauzeit ging dennoch das Geld aus und der Bau, der es mit dem spanischen Palast Escorial hätte aufnehmen sollen, blieb unvollendet, so wie er sich heute präsentiert.
Die Ausstellung „Göttweig brennt. Schicksalsjahr 1718“ ist bis 1. November 2018 täglich von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet. Am Mittwochnachmittag gibt es spezielle Führungen zu den Originalschauplätzen des Brandes.
Hannes Steindl, noe.ORF.at