Die Theatermacher in Reichenau seit 30 Jahren

Seit mittlerweile 30 Jahren verwandeln die Festspiele Reichenau den Ort an der Rax im Sommer zu einer der bedeutendsten Theaterbühnen Österreichs. Seit Anbeginn sind Peter und Renate Loidolt die Theatermacher in Reichenau.

„Begonnen hat alles mit der Gründung des Kulturvereins“, sagt Peter Loidolt gegenüber noe.ORF.at. Der Maler und Ex-Reedereimanager gründete 1981 den Kulturverein Reichenau und in der Folge gemeinsam mit seiner Ehefrau Renate Loidolt 1988 die Festspiele Reichenau.

940.000 Besucher in mehr als 2.650 Vorstellungen

Nach 30 Jahren ist es Zeit Bilanz zu ziehen und da finden sich doch beeindruckende Zahlen. Knapp 940.000 Besucherinnen und Besucher haben 2.652 Vorstellungen (Theater, inklusive Musik und Kleinproduktionen) besucht. 250 Schauspielerinnen und Schauspieler sind seit 1988 bei den Festspielen Reichenau auf der Bühne gestanden.

Generell stehen die Festspiele Jahr für Jahr für großes „Schauspielertheater“, so kann man Saison für Saison namhafte Schauspielgrößen der großen Wiener Theaterhäuser im Sommer nach Reichenau holen. Ebenso war den Intendanten stets die Nachwuchsförderung junger Darsteller von Anfang an ein großes Anliegen. So machten hier in den vergangenen 30 Jahren viele ihre ersten großen Schritte, etwa Nicholas Ofczarek oder Herbert Föttinger. Beide lernten übrigens in Reichenau ihre Lebenspartner kennen, also Ofczarek Tamara Metelka und Föttinger Sandra Cervik.

Besonderes Merkmal der Festspiele Reichenau ist die programmatische Bezugnahme auf österreichische Dichter des 19. und 20. Jahrhunderts, wie etwa Arthur Schnitzler, Stefan Zweig, Hugo von Hofmannsthal, Heimito von Doderer oder Franz Werfel, die in Reichenau an der Rax zu Lebzeiten in eigenen Wohnsitzen oder Hotels ihre Sommer verbracht haben. Dies gilt auch für Johann Nestroy, der schon 1856 in Reichenau das Stück „Umsonst“ geschrieben hat. Immer wieder finden sich in 30 Jahren Nestroy-Werke auf den Spielplänen. Das Programm der Festspiele umfasst jährlich mindestens vier Theaterstücke, Neuinszenierungen oder Auftragswerke. Ein dichter täglicher Spielplan bietet jährlich mehr als 120 Vorstellungen.

Intendant: „Zuerst kommt in einem Stück der Autor“

Regisseure in Reichenau unterliegen einer anderen Gewohnheit, als an vielen anderen Bühnen. In anderen Theatern kann sich der Regisseur die Besetzung meist selbst aussuchen. „Hier ist es so, dass wir die Schauspieler und das Stück am Tablett servieren“, so Renate Loidolt. „Prinzipiell wollen wir keine Regisseure, die ihre Ego-Trips hier verwirklichen, etwa auf Kosten des Stückes, von politischen, zeitgeistigen Motiven, sich hervorzutun. Zuerst kommt in einem Stück der Autor“, ergänzt Peter Loidolt.

Theater in Reichenau mit Plakaten

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Das große Jubiläumssaisonplakat an der Seitenfassade des Theaters in Reichenau an der Rax

Das Theater in Reichenau wurde vor Beginn der Festspiele 1988 komplett renoviert und 2005 mit einem Zubau und dem „Neuen Spielraum“ - einer modernen Arena-Rund-Bühne - erweitert. So gibt es seitdem unter einem Dach zwei Bühnen. „Der Neue Spielraum war wieder ein evolutionärer Schritt, eine neue Form von Theater“, so Renate Loidolt.

Das Südbahnhotel Semmering, ein ehemaliges Palasthotel, war von 2000 bis 2010 eine besondere Spielstätte der Festspiele mit besonderem nostalgischen Flair. Die Inszenierungen an diesem Ort, beispielsweise „Das weite Land“, „Das Konzert“ oder „Die Strudlhofstiege“, erweckten auch große internationale Aufmerksamkeit.

Zahlreiche markante Produktionen in 30 Jahren

Einen besonderen Stellenwert nehmen bei den Festspielen die Werke des Dramatikers Arthur Schnitzler ein, der zu Lebzeiten in der Region immer wieder gelebt und geschrieben hat. Die erste Schnitzler-Produktion war 1989 „Komtesse Mízzi & Literatur“. Mehrmals brachte man in Reichenau die Schnitzler-Klassiker „Anatol“ und „Das weite Land“ auf die Bühne.

Die erste Uraufführung gab es in Reichenau im Jahr 1994. „Dichter, Flucht und Alma“ von Alexander Widner wurde mit Annemarie Düringer und Martin Schwab auf die Bühne gebracht. Das Südbahnhotel auf dem Semmering war 2000 erstmals Spielstätte der Festspiele, Hans Gratzer inszenierte „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus. Höhepunkt der Südbahnhotel-Aufführungen war sicherlich „Die Strudlhofstiege“ 2009, auf drei Ebenen wurde gespielt. Zudem war die „Strudlhofstiege“ der Beginn der Zusammenarbeit mit Nicolaus Hagg als Hausautor der Festspiele Reichenau. 2014 verfasste Hagg ein Auftragswerk anlässlich des Gedenkjahres: „1914 - zwei Wege in den Untergang“.

Festakt und Farkas zur Eröffnung der Jubiläumssaison

Das 30-jährige Jubiläum wird am Sonntagnachmittag mit einem großen Festakt gefeiert, dabei werden 30 Schauspielerinnen und Schauspieler auf der Bühne sein, etwa Peter Matić, Joseph Lorenz, Regina Fritsch oder Nicolaus Hagg. Den Anfang der Saison macht die kabarettistische Farkas-Revue „Schau’n Sie sich das an!“, die auch 1988 am Beginn stand. Premiere ist am Montagabend. Ebenso werden heuer Werke von Schnitzler und Tennesse Williams sowie eine Dramatisierung eines Werfel-Romans gespielt.

Renate und Peter Loidolt

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Sie kennen einander seit 50 Jahren, sind seit 40 Jahren verheiratet und seit 30 Jahren leiten sie die Festspiele Reichenau, Renate und Peter Loidolt

Renate und Peter Loidolt führen seit 30 Jahren nicht nur einen künstlerisch und wirtschaftlich erfolgreichen Theaterbetrieb, sondern auch eine funktionierende Ehe, mit vielen Arbeitstagen Seite an Seite. „Beruf ist Liebe und Ehe ist Liebe“, so Peter Loidolt. Und seine Frau: „Das funktioniert gut. Wir haben unseren 50. Kennenlern-Tag. Es hat bei uns alles schnell in die Ehe geführt. Es ist ein Glück, wenn man eine Partnerschaft so befruchtend und so liebevoll erleben darf.“

Und das Intendantenpaar denkt nicht an das Aufhören. So lange sie können, wollen sie weitermachen, sagen beide immer wieder auf derartige Fragen. „Es gibt schon Pläne bis 2021. Wir werden sicherlich bei den Dramatisierungen bleiben, sicher werden wir Schnitzler spielen. Es gibt einige Varianten, und an vielem wird auch schon gearbeitet“, sagt Peter Loidolt.

Karina Fibich und Benedikt Fuchs, noe.ORF.at

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