Krätzl: „Vieles vom Vaticanum noch nicht umgesetzt“

Am 11. Oktober 1962 - vor genau 50 Jahren - wurde das Zweite Vatikanische Konzil eröffnet. Der spätere Wiener Weihbischof Helmut Krätzl war 1962 Konzilsstenograf. „Vieles von damals ist noch nicht umgesetzt worden“, sagt der 80-Jährige.

Einzug der Bischöfe in den Petersdom

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3.000 Bischöfe ziehen am 11. Oktober 1962 in den Petersdom ein.

Papst Johannes XXIII. hatte das Zweite Vatikanische Konzil mit dem Ziel der Erneuerung einberufen. Am 11. Oktober 1962 zogen 3.000 Bischöfe in den Petersdom ein, das Konzil war damit eröffnet. Einer der Mitarbeiter war der damals 30-jährige Helmut Krätzl. Nach seinem Theologiestudium in Wien absolvierte der Mitarbeiter von Erzbischof Franz König in Rom noch ein Kirchenrechtsstudium.

Als Stenograf vor 50 Jahren beim Konzil

Der junge Priester wurde als Konzilsstenograf ausgewählt, seine Erinnerungen an das Konzil und seine Visionen, was aus den Konzilsbeschlüssen hätte werden können, veröffentlichte er vor kurzem als Buch („Das Konzil - ein Sprung vorwärts. Ein Zeitzeuge zieht Bilanz“, Tyrolia-Verlag).

Papst Johannes XXIII.

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Papst Johannes XXIII., Initiator des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Es sollte ein Reformkonzil werden, so die Vorstellungen des Papstes, der schon bei der Eröffnung am 11. Oktober 1962 zeigte, auf wessen Seite er steht: „Papst Johannes XXIII. ist dann von seiner Sänfte, mit der er in den Petersdom getragen wurde, heruntergestiegen, damit er mit den Bischöfen auf Augenhöhe ist. Er hat außerdem nicht die Papstkrone getragen, sondern eine Bischofsmütze, um zu zeigen, ‚Ich bin jetzt einer unter euch!‘, und wir alle sind berufen, für die Kirche neue Wege zu bereiten“, erinnter sich Krätzl an die Eröffnung des Konzils.

„Die Kirche wurde als Volk Gottes gesehen“

Die Kirche habe nach dem Zweiten Vaticanum einen großen Schritt nach vorne gemacht, ist Krätzl überzeugt: „Die Kirche wurde nicht mehr rein hierarchisch gesehen, sondern als Volk Gottes. Das konnte man in der Öffnung zu den anderen christlichen Kirchen sehen, und vor allem in der Beendigung dieser furchtbaren Spannung zum Judentum.“

Bischöfe im Petersdom

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Eines der Konzilsergebnisse: Kirche wurde danach als „Volk Gottes“ verstanden.

Als „Herzstück“ des Zweiten Vaticanums sieht Helmut Krätzl, der ein Jahr nach Eröffnung des Konzils wieder nach Wien zurückkehrte, die Liturgiereform, bei der es nicht nur um die Sprache und den Volksaltar ging: „Wenn Kirche das Volk Gottes ist, dann ist auch Liturgie eine Feier des Volkes und nicht nur der Priester. Die alte Liturgie war eine reine Priesterliturgie, die neue ist eine Feier des Gottesvolkes, an der alle tätig teilnehmen sollen.“

Krätzl verlangt mehr Mut von den Bischöfen

Auch wenn manchmal schon von der Notwendigkeit eines Dritten Vatikanischen Konzils gesprochen wird, so sei heute einiges vom Zweiten Vaticanum noch nicht umgesetzt.

Helmut Krätzl

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Sendungshinweis: „"Guten Morgen NÖ“, Sendung am 11.10.2012

„Das Potenzial ist so groß, dass es noch Stoff für die nächsten Jahre und Jahrzehnte gibt, um sich von dort her die Erneuerung der Kirche zu erwarten. Die Bischöfe müssen nur mehr die Zuversicht und den Mut von damals haben, Neues ganz einfach anzupacken und nicht nur in die Vergangenheit zu schauen“, sagt Helmut Krätzl.

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