Gugging: Vom Verkaufsraum zur Galerie

Die Galerie Gugging, die die Werke der Gugginger Künstler präsentiert und verkauft, feiert ihr 20-jähriges Bestehen. In der „Nahaufnahme“ erzählen Nina Katschnig und Johann Feilacher, wie alles mit einem kleinen Verkaufsraum begann.

„Die größte Freude ist, dass täglich die Künstler da sind und dass täglich neue Kunststücke entstehen. Dann weiß man, wofür man arbeitet.“ Nina Katschnig ist ursprünglich wegen ihrer Diplomarbeit nach Gugging gekommen. Heute leitet sie die Galerie, die nun ihr 20-jähriges Bestehen feiert. Neben der Galerie sind in Gugging auch das Museum, eine Stiftung und das Haus der Künstler beheimatet.

Kunst statt Psychiatrie

Was für den Laien zunächst etwas verwirrend sein mag, ist historisch betrachtet einfacher, sagt der Leiter des Museums Gugging, Johann Feilacher in der „Radio NÖ Nahaufnahme“ mit Judith Weissenböck. „Zuerst gab es die Künstler. Dann sollten diese etwas verdienen, wir hatten aber nur wenig Geld. Daher haben wir einen Non-Profit-Verein gegründet, um Unterstützer zu finden. Der nächste Schritt war, dass aus einem kleinen Verkaufsraum für die Künstler eine Gesellschaft gegründet wurde, deren Besitzer die Künstler damals waren und immer noch sind. Daraus ist diese Galerie entstanden, die es jetzt noch gibt. Heute ist es eine große, international arbeitende Galerie, damals war es ein kleiner Verkaufsraum.“

1997 übersiedelte man in ein ehemaliges Psychiatriegebäude, das in mühevoller Kleinstarbeit restauriert wurde. 2005 konnten die Räume für die Galerie eröffnet werden. „Das war die erste international vergleichbare Galerie“, sagt Feilacher. Schließlich sollte auch der Rest des 3.000 Quadratmeter fassenden Gebäudes belebt werden. 2006 wurde in weiterer Folge das Museum Gugging eröffnet.

Nina Katschnig und Johann Feilacher

APA/Herbert Pfarrhofer

Nina Katschnig und Johann Feilacher vor einem Werk des Gugginger Künstlers August Walla

Die Kunst war bereits Mitte der 1950er-Jahre in Gugging eingezogen, als Leo Navratil begann, seine Patienten in der Landesnervenheilanstalt zum Zeichnen zu animieren. Mittlerweile werden die Gugginger Künstler am internationalen Kunstmarkt gehandelt. Doch der Weg, sie auch in Österreich zu etablieren, ist noch nicht zu Ende. „Wir sehen, dass wir international bekannter und auch anerkannter sind“, sagt die Leiterin der Galerie Gugging, Nina Katschnig. „Die Künstler aus Gugging haben in Österreich im Jahr 1990 den Oskar Kokoschka-Preis, der international vergeben wird, für ihre Verdienste um zeitgenössische Kunst erhalten. Das ist aber schon wieder lange her, daran denkt jetzt niemand mehr.“

Sendungshinweis:

„Radio NÖ am Vormittag“, 31.8.2014

Museumsleiter Johann Feilacher sieht einen großen Unterschied zwischen der Kunstgemeinde und der Durchschnittsbürgerin bzw. dem Durchschnittsbürger. „All jenen, die sich permanent mit nationaler und internationaler Gegenwartskunst beschäftigen, sind wir ein Begriff. Wenn Sie in Amerika über Art Brut sprechen, geht das ohne Gugging nicht. Aber wenn Sie die Durchschnittsperson in Wien fragen, was das ist, kennen die nur ein altes Schimpfwort - die Psychiatrie in Gugging, die es schon lange nicht mehr gibt. Eine ganze Generation weiß nicht, dass die Kunst hier mittlerweile die Psychiatrie ersetzt hat. Diese Information müssen wir noch weitergeben“, so Feilacher.

Kunst, die nicht von Kunst beeinflusst ist

Viele Menschen wissen auch mit dem Begriff „Art Brut“ wenig anzufangen. „Der französische Maler Jean Dubuffet hat den Begriff sehr unterschiedlich beschrieben“, sagt Feilacher. „Zusammenfassend ist es die Kunst, die nicht von Kunst beeinflusst ist. Sie hat keine Vorbilder, weder die klassische Moderne, noch die traditionelle Kunst, noch eine Volkskunst. Der Art Brut-Künstler schafft alles aus sich heraus, wobei er natürlich von der Zeit beeinflusst ist. Wenn es zum Beispiel keine Raketen gibt, kann man keine Raketen zeichnen.“

„Dubuffet war Weinhändler, bevor er sich künstlerisch betätigt hat“, sagt Katschnig. „Art bedeutet Kunst, Brut hat er sich vom rohen, trockenen, unverfälschten Wein genommen. So kann man sich das auch vorstellen: Etwas, das aus dem Innersten kommt, das nicht verfälscht ist.“

Art brut in Gugging

www.gugging.at

Art Brut in Gugging

Feilacher und Katschnig arbeiten und verbringen einen Großteil ihres Lebens im Museum oder in der Galerie. „Es gibt ehrlicherweise Phasen, in denen man voll mit Arbeit ist, dass man das Besondere hier nicht mehr sieht, bis dann der nächste Künstler mit einem tollen Blatt dasteht“, sagt Katschnig. „Oft einmal ist man wie die Edith Klinger der Bilder. Man möchte besondere Bilder an besonderen Plätzen. Aber was einem selbst besonders vorkommt, muss für andere noch lange nicht so sein. Mein Büro möchte ich nicht eintauschen“, so Katschnig.

Während im Büro der gebürtigen Kärntnerin strenge Ordnung herrscht, sieht es bei Johann Feilacher ganz anders aus. „Mein Büro ist ein großes Sammelsurium, das sich andauernd verändert. Ich habe gerne diese Mischung aus Chaos und Ordnung, die zu mir passt, wo alles gleichzeitig möglich ist.“

Beinhartes Geschäft

Auf der einen Seite gibt es den Arbeitsplatz Gugging für Nina Katschnig und Johann Feilacher mit den Künstlern, die hier leben und arbeiten. Auf der anderen Seite den Kunstmarkt, das beinharte Geschäft. „Es ist ganz lustig, zwischen den beiden Welten zu tanzen“, sagt Nina Katschnig. „Ohne die Welt der Künstler wäre das andere für mich schwieriger. Da weiß man, warum man oft so einen Tanz aufführen muss oder darf. Die Luft ist dünn da oben, aber sie ist noch da.“

Museumsleiter Feilacher ist selbst auch künstlerisch tätig. „Ich brauche schon beide Teile. Die Vermittlung des einen ist eine spannende Geschichte, wobei die Kreativität bei der Vermittlung und der Gestaltung für mich wichtig ist. Deswegen mache ich alle Kataloge, Plakate und Ähnliches selbst. Das ist schon ein sehr ähnliches Arbeiten, wie mit den eigenen Werken, wobei dann das Handwerk dazukommt.“

„adolf wölfli.universum.!“ am 17. September

Die nächste große Ausstellung wird am 17. September eröffnet und trägt den Titel „Universum“. Zu sehen sind Werke des Schweizer Künstlers Adolf Wölfli. „Wölfli ist der bekannteste Art Brut-Künstler schlechthin. Er hat am Beginn des Jahrhunderts in der Schweiz gelebt, und verbrachten die meiste Zeit seines Lebens in einer psychiatrischen Anstalt. Er hat mehr als 10.000 Arbeiten geschaffen und damit ein eigenes Universum beschrieben. Deswegen machen wir eine Ausstellung, die alle seine Schaffensperioden umfasst“, so Feilacher.

Die „Nahaufnahme“ zum Nachhören

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