Die gute Mutter ist nur ein Klischee

Zwischen Dankbarkeit und Pflichterfüllung auf der einen (Kinder)seite - und Erwartungshaltung kombiniert mit der „für mich ist jeder Tag Muttertag“-Position auf der anderen (Mütter)seite, kommt er auch heuer wieder - der Muttertag.

Und dabei ist Muttersein in den letzten Jahrzehnten nicht einfacher geworden. Ob „Nur-Hausfrau“ zu bleiben oder gleich wieder Vollzeit ins Berufsleben einzusteigen, beides findet gleichermaßen wenig Anerkennung. Gleichzeitig ist aber die Teilzeitbeschäftigung einer der Hauptgründe für die nach wie vor bestehende Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen.

Zwei extreme Formen des Mutterdaseins

Rotraud Perner: „Immer mehr Frauen definieren sich nicht mehr nur über die Mutterschaft, sondern sehen sich selbst, auch wenn sie Kinder haben, als Werktätige. Natürlich sind Kinder immer noch Hoffnungsträger, aber die Realität holt viele auch recht schnell ein.“ Die Soziologin, Psychotherapeutin, Juristin und Publizistin ist Mutter von zwei erwachsenen Söhnen. Sie ist Mitbegründerin des Vereins „Die Möwe“ für misshandelte Kinder und lebt in Matzen-Raggendorf (Bezirk Gänserndorf).

Mutter mit Tochter Themenbild Muttertag

APA/Robert Jäger

Perner beschreibt außerdem zwei extreme Formen des Mutterdaseins. Zum einen die „Propellermütter“, wie sie sie nennt, deren Überbehütung und Überfürsorglichkeit eine zu intensive Einmischung in das Leben des Kindes sei. Als Extrem auf der gegenüberliegenden Seite des Spektrums gebe es auch immer mehr vernachlässigte Kinder, die zu wenig Liebe und Geborgenheit erfahren. Auch davon gibt es mehr als genug: Etwa die Hälfte der Gefährdungsmeldungen, die beim Jugendamt eingehen, betreffen üblicherweise Fälle von Vernachlässigung, erst danach kommen psychische, physische und sexuelle Gewalt.

Kritik: „Arbeit ist ein Nullsummenspiel“

Geht es darum, nach der Geburt wieder ins Berufsleben zurückzufinden, ortet Soziologin Judith Holzhöfer aus Königstetten (Bezirk Tulln), selbst Mutter von drei Buben, einen deutlichen Unterschied zwischen Stadt und Land. Gerade was die Betreuung von Kleinkindern angehe, gäbe es am Land noch großen Aufholbedarf, sagt sie und kritisiert, dass Krippen und Tagesmütter relativ kostspielig seien: Für eine Mutter, die Teilzeit arbeitet, laufe es mit der Kinderbetreuung auf ein Nullsummenspiel hinaus, sagt Holzhöfer.

Muttertagspralinen

APA/dpa-Zentralbild/Martin Schutt

Auch AMS-Kurse, um wieder im Berufsleben Fuß zu fassen, würden oft als Vollzeit-Kurse angeboten. Für Mütter kleiner Kinder sei es schwierig, diese Kurse überhaupt in Anspruch zu nehmen, sagt Holzhöfer. Eine dreijährige Karenzpause würden andererseits aber nur die wenigsten Arbeitgeber akzeptieren. Wer also nicht auf familiäre Strukturen zurückgreifen könne, müsse sich mit Kindern zum Lebenskünstler entwickeln, meint die Soziologin ironisch.

Rollenbild zum Nachteil verändert

Das Rollenbild der Mutter unterliegt einem stetigen Wandel und hat sich aus Sicht der Soziologin in den letzten Jahren eher zum Nachteil verändert. „Früher war man eine gute Mutter, wenn man gute Kinderbetreuung geleistet hat. Heute sollte man außerdem ins Fitnesscenter gehen, attraktiv sein, Karriere machen und natürlich die Kinder schaukeln“, zählt Holzhöfer auf. „Heute ist noch mehr Druck da, sich in allen Bereiche super zu engagieren, mit der Konsequenz, sich letztlich auf keinen davon richtig konzentrieren zu können.“

Und was wünscht sich die Mutter von drei Buben zum Muttertag? Holzhöfer: „Ruhe, Entspannung und Frieden ohne Verpflichtungen.“ Ein Wunsch, der wohl so mancher Mutter aus der Seele spricht.

Ursula Köhler, noe.ORF.at

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