„Tatort“-Team ermittelt im Waldviertel

Für viele ist der „Tatort“ ein Fixpunkt am Sonntagabend. Derzeit wird in Hardegg im Waldviertel eine neue Folge gedreht. Sie beschäftigt sich mit der Geschichte dieser Grenzregion und spielt fast ausschließlich im Thayatal.

Das Thayatal als Kulisse eines Krimis. Die erste Szene des Films mit dem Titel „Grenzfall“ spielt auf dem Hardegger Friedhof. Beim - für die Schauspieler schweißtreibenden - Begräbnis beginnt sich eine Handlung zu entspinnen, die in die 1960er-Jahre greift. Damals verschwand an der Grenze ein Mann. Jetzt beginnt der Sohn, nachzuforschen und fördert verstörende Zusammenhänge zu Tage. An der Grenze zu Tschechien fällt dieser Tage die letzte Klappe zur Folge „Grenzfall“ unter der Regie Rupert Hennings: „Zum Glück gibt das Buch kein Wetter vor.“

Kriminalfall mit historischem Einschlag

Würde sich der Neo-„Tatort“-Regisseur bei seinem Drehbuchautor beschweren wollen, müsste er ohnedies an der eigenen Haustür klopfen. Der gebürtige Kärntner hat den Kriminalfall mit historischem Einschlag nämlich selbst verfasst. „Ich bin ein großer Streicher und Änderer von eigenen Texten“, erläuterte er Journalisten während einer Drehpause. „Das ist wie ein Destillationsverfahren: Man hat fünf Kartons an recherchiertem Material und fragt sich, wie zur Hölle man das in 90 Minuten unterbringen soll.“

In den Fokus rückt Henning die Zeit des Eisernen Vorhangs, die aufgrund einer Familiengeschichte sowie eines obligatorischen Mordfalls letztlich auch das Ermittlerduo Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) beschäftigt. Die Inspiration dazu stammt wiederum von der Ö1-Sendung „Tod an der Grenze. Eine Spurensuche“, für die Henning als Sprecher fungierte. Sie erzählt die Geschichte eines Mannes, der in den 50er-Jahren an der Thaya von tschechoslowakischen Soldaten erschossen wurde. Erst Jahrzehnte später sollte sich herausstellen, dass er als Informant für den Geheimdienst gearbeitet hat.

Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser

ORF/Hubert Mican

Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser

Dieser wahre Kern wird nun ins Fiktive, ins Populäre gehoben - für Henning nicht die schlechteste Art, historische Fakten aufzubereiten. „Wenn das in unterhaltsamer Form geschieht, dann ist das eine ganz tolle Sache. Und der ‚Tatort‘ ist die größtmögliche Arena des deutschsprachigen Fernsehens.“ Die Recherche vor Ort sei nicht immer einfach gewesen. „Es ist nicht leicht mit Leuten über Dinge zu reden, die sie so lange verheimlicht haben. Die Türen zu diesen Zimmern sind vielfach zu.“

Sendungshinweis:
„NÖ heute“, 8.7.14

Zum Kern vorzudringen ist natürlich auch die Aufgabe von Eisner und Fellner. Dass es diesmal nicht um zig Tote und bluttriefende Zwischenfälle geht, ist für Neuhauser durchaus angenehm. „Es müssen ja nicht immer diese schreienden Ballermann-‚Tatorte‘ sein. Ich finde, dass die psychologische Seite eines Kriminalfalls das Spannendere ist, als der Effekt des Aggressors.“ Zudem öffne dieser „Grenzfall“ eine historische Perspektive. „Es ist wichtig, dass man über diese Dinge spricht“, meinte die 55-Jährige. „Und in jeder Veränderung, wie man darüber spricht, wird man vielleicht daraus lernen.“

„Creme de la creme der österreichischen Regisseure“

Dass mit Henning nach Robert Dornhelm („Nullsummenspiel“) neuerlich ein „Tatort“-Neuling am Regiestuhl Platz genommen hat, bietet in Krassnitzers Augen etliche Vorteile. „Zu uns kommen a priori keine unsicheren Leute“, stellte der Schauspieler klar. „Das ist schon die Creme de la creme der österreichischen Regisseure.“ An Henning schätze er besonders dessen „unglaublich präzise und genaue Vorarbeit. Er geht in die Psychologie der Menschen, wodurch ein stimmiges, sehr kammerspielartiges Unterfangen entsteht.“

Vielleicht als Kontrast dazu siedelte Henning einen Großteil seiner Geschichte im Freien an. „Es spielt hauptsächlich draußen. Im Grünen, am Fluss, am Land.“ Ein nicht immer einfaches Unterfangen. „Da geht einem der Arsch auf Grundeis in den Wochen vor dem Dreh“, lachte der Regisseur und Autor. „Man überlegt dann: Was machen wir, wenn es die ganze Zeit regnet?“ Diesbezüglich habe man zwar Glück gehabt, aber er schätze ohnedies das Risiko. „Film ist Verlieren in positiver Hinsicht, Scheitern in einer extrem konstruktiven Form.“ Zumindest gestern musste er sich über einen meteorologischen Rückschlag keine Sorgen machen.