Steiniger Weg aus der Alkoholsucht

Wein, Sekt und Bier fehlen bei kaum einer Feier. Der Großteil der Bevölkerung hat kein Problem mit Alkohol, für manche wird er aber zum Problemlöser und dominierendem Faktor. Zwei Betroffene erzählen von ihrem steinigen Weg aus der Sucht.

„Man muss Alkohol trinken, um überhaupt zu funktionieren. Bis zum Schluss habe ich nicht zugegeben, dass ich ein Problem habe“, sagt Emma, die vor sechs Jahren den Weg aus der Alkoholsucht geschafft hat. Auslöser für Alkoholsucht sind oft Probleme, die man mit Alkohol leichter zu ertragen scheint.

Bier, drei Flaschen Wein und dann Wodka

„Ich war sehr unglücklich in meiner Ehe, es gibt aber viele die unglücklich sind und nicht trinken. Das sehe ich jetzt anders. Damals hab ich es mir einfach gemacht, der Grund war mein Mann. Das hat begonnen mit Bier, sehr dezent. Einige Jahre habe ich zwei bis drei Bier getrunken pro Tag. Später ist es Wein geworden, immer mehr Wein. Das hat sich über 17 Jahre gezogen. Bis der Wein dann schwer zu beschaffen war. Es waren dann schon drei Flaschen pro Tag und dann ist es Wodka geworden. Das haben mein Körper und meine Seele dann nicht ausgehalten.“

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Im Gespräch mit noe.ORF.at erzählt Emma über ihre Alkoholsucht

„Bemerkt hab ich es an einem Tag, an dem ich nicht dazugekommen bin, Bier zu trinken. Ich bin unruhig und nervös geworden und draufgekommen, dass mir der Alkohol fehlt“, erzählt Reinhold von seiner ersten Erkenntnis, dass etwas mit ihm und seinem Trinkverhalten nicht stimmen kann. Erst zehn Jahre später hat Druck von Familie und Arbeitgeber ihn zu einem Entzug bewegt.

Fünf Prozent der Bevölkerung sind alkoholsüchtig

Wie Emma und Reinhold geht es fünf Prozent aller Österreicherinnen und Österreichern. Für sie ist Alkohol im Laufe der Jahre zur Sucht geworden. Bei bis zu 18 Prozent spricht man von einem kritischen Konsum. Männer sind viermal so häufig betroffen wie Frauen. Erste Warnzeichen gibt es schon früh, doch die wenigsten wollen sie wahrhaben.

„Gefährlich wird es, wenn man sich vornimmt, kurz auf ein Bier zu gehen und dann betrunken nach Hause kommt, wenn man sich selbst nicht mehr steuern und bremsen kann und wegen jeder Kleinigkeit oder zum Stressabbau zur Flasche greift. Zunächst erfindet man immer Ausreden, warum man trinken kann, irgendwann braucht man keine Ausreden mehr, dann trinkt man einfach“, sagt Reinhold, er ist mittlerweile seit 19 Jahren trocken.

Sendungshinweis:

„NÖ heute“; 27.3.15

Laut Christian Korbel, Psychiater und Leiter der Suchtabteilung des Klinikums Amstetten-Mauer ist die Beziehung zur Droge das Entscheidende. „Wenn man merkt, dass die Trinkmengen immer mehr werden oder sobald man merkt, dass man an den Tagen, an denen man nicht trinkt, zittrig und unruhig wird, wenn der Alkohol das Leben bestimmt, sich das Leben nur noch um´s Trinken dreht, man andere Pflichten oder Hobbies vernachlässigt und man mehr und länger trinkt als man möchte, wird es kritisch und man sollte etwas unternehmen.“

In Niederösterreich gibt es flächendeckend Suchtberatungsstellen. Sie dienen als erste Anlaufstelle, um gemeinsam mit Experten klären zu können, ob der eigenen Alkoholkonsum problematisch ist. Wenn der Alkoholkonsum ein Lebensbestimmendes Maß erreicht hat, wird man hier auch an stationäre Einrichtungen vermittelt, in Niederösterreich ist das das Landesklinikum Mauer.

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Reinhold lebt seit 19 Jahren ohne Alkohol.

An erster Stelle steht der körperliche Entzug, der meist eine Woche dauert. „Die meisten brauchen einen Tiefpunkt, wo man selber so am Boden ist, oder wo Scheidung im Raum steht, die meisten Alkoholiker brauchen sehr viel Druck, damit sie etwas unternehmen, und bei vielen hilft nicht einmal das“, sagt Emma.

Alkoholismus ist eine chronische Krankheit

Im Anschluss an den körperlichen Entzug wird ein sechswöchiges Entwöhnungsprogramm absolviert. Wichtig ist es, die Ursachen zu klären, die hinter der Sucht steht, beispielsweise eine Angsterkrankung oder eine Depression, sonst könne man den Alkoholismus nicht loswerden, so Korbel. Alkoholismus ist eine chronische Krankheit, deswegen wird nach dem stationären Aufenthalt eine weiterführende Betreuung empfohlen, bei Therapeuten oder in Selbsthilfegruppen wie bei den Anonymen Alkoholikern.

„In Mauer ist man in einer geschützten Umgebung, Alkohol und Alltag sind weg. Nach Mauer ist der Alltag jedoch wieder da und man muss lernen, zu leben. Mit ganz alltäglichen Sachen wie etwa einer kaputten Waschmaschine kommt man ohne Alkohol nicht zurecht. Das war früher schon ein Grund, etwas trinken zu müssen, man hat immer Ausreden zu trinken, wenn man sich freut, wenn man traurig ist“, so Emma über ihre Zeit nach dem Entzug.

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Geholfen haben Emma und Reinhold die Gruppen der Anonymen Alkoholiker. „Ich hab immer gewusst dass es sie gibt, nur hatte ich die Vorstellung, dass sind Obdachlose, die keine Wohnung und keine Arbeit haben. Wie ich zum ersten Mal in eine Gruppe gekommen bin, habe ich gestaunt. Da sind alle Berufsschichten und das schöne ist: Man hört die Menschen sprechen und denkt sich, so ist es mir auch gegangen. Man kann weinen, lachen, schimpfen und man kann nicht rausgeschmissen werden, man ist immer willkommen“, erinnert sich Emma an ihr erstes Treffen der Anonymen Alkoholiker.

Experten raten zu ausreichend alkoholfreien Tagen

Laut Emma haben trockene Alkoholiker ein feines Sensorium und erkennen Gleichgesinnte sofort. „Man merkt sehr schnell, ob wer ein Genusstrinker ist oder nicht. Wenn ich einkaufen gehe schaue ich in die Einkaufswägen der anderen und sehe sofort, der hat ein Problem. Man kauft anders ein, man geht anders durch die Gänge.“

Damit es nicht so weit, empfehlen Experten, ausreichend alkoholfreie Tage einzulegen und das eigene Trinkverhalten kritisch zu beobachten, rät Korbel. So sollten bewusst alkoholfreie Tage eingelegt werden und über das Jahr gesehen öfter auch ein bis zwei Wochen, in denen kein Alkohol getrunken wird. Dadurch könnte der Körper entlastet werden. Emma und Reinhold meistern ihren Alltag mittlerweile ohne Alkohol.

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