Melzer auf Umwegen zurück zum Tennis

Jürgen Melzer war Österreichs Tennis Nummer Eins - bevor er verletzungsbedingt vor einem halben Jahr eine Pause einlegen musste. Auf seinem Weg zurück in den Profisport wechselt er die Disziplin und trainiert Fußball.

Als Sohn des ehemaligen Bürgermeisters von Deutsch-Wagram (Bezirk Gänserndorf) wollte Jürgen Melzer ab seinem neunten Lebensjahr Profi-Tennisspieler werden. Trotzdem machte er seinen Schulabschluss mit Matura - ein Jahr, nachdem er sich in Wimbledon im Juniorenfinale 1999 den Sieg geholt hatte. Das war der Startschuss für seine Profi-Karriere.

Die Schulter braucht eine Pause

Elf Jahre später – im Jahr 2010 - gewann der Niederösterreicher wieder in Wimbledon - im Doppel mit Phillipp Petzschner. Im selben Jahr besiegte er bei den US-Open den damaligen Weltranglistenersten und Olympiasieger Rafael Nadal. 2011 erreichte Melzer mit dem achten Platz seine beste Platzierung in der Weltrangliste.

Als Österreichs Nummer Eins im Tennis feierte er seine größten Siege in der Wiener Stadthalle. Im Vorjahr kam dann plötzlich das Aus wegen Schulterproblemen. Seit der Operation im November kämpft sich Jürgen Melzer zurück. Um während seiner Tennispause fit zu bleiben, trainiert er beim Fußballverein ATSV Sparta Deutsch-Wagram mit - mehr dazu in Melzer vor hartem Weg zurück (noe.ORF.at; 15.12.2015).

Anne-Maria Neubauer und Jürgen Melzer am Fußballplatz

ORF

Anne-Maria Neubauer traf Jürgen Melzer am Fußballplatz in Deutsch-Wagram

noe.ORF.at: Österreichs Rekord-Tennisspieler Jürgen Melzer ist von einem kleinen auf einen großen Ball umgestiegen – du trainierst jetzt am Fußball- statt am Tennisplatz. Warum?

Jürgen Melzer: Ich hatte viel Zeit durch die Schulterverletzung und wollte mein Training interessanter gestalten. Deswegen habe ich den Trainer gefragt, ob ich hier ein bisschen mittrainieren darf. Für mich war wichtig, ein bisschen Abwechslung in den Trainings- und den Reha-Alltag zu bekommen.

noe.ORF.at: Wie geht’s dir gesundheitlich jetzt?

Melzer: Eigentlich gut. Ich fange diese Woche mit dem Tennistraining an. Softball ist jetzt schon kein Problem mehr und ich habe auch schon ein paar Mal auf den richtigen Tennisball draufgehauen. Es sind so 20- bis 30-minütige Einheiten. Das muss man dann schon noch steigern, ich muss ja vier Stunden auf einen Tennisball draufhauen können.

noe.ORF.at: Dass du wieder am Fußballplatz stehst, ist nicht ganz ungefährlich. Welches Risiko gehst du da ein?

Melzer: Natürlich ist ein Risiko dabei. Ich kann niemandem sagen, dass mir zu 100 Prozent nichts passieren wird. Wenn es passieren soll, dann passiert es sowieso, dann haut es dich halt über die Stiege oder so. Vielleicht rede ich es mir jetzt nur schön, aber ich will einfach spielen. Ich habe keine Angst, wenn ich auf den Platz gehe und ich hoffe, dass mir in den nächsten Wochen auch nichts passiert.

Jürgen Melzer

APA/EPA/Emilio Naranjo

Jürgen Melzer im Jahr 2014

noe.ORF.at: Ist das Training auch wichtig für deine Seele?

Melzer: Ja schon. In der Früh aufzustehen und sich auf etwas freuen zu können, das hat mir schon gefehlt. Da hat mir der Fußball sehr geholfen, weil du da wieder einen Fokus hast. Es geht halt nicht immer nur nach oben.

noe.ORF.at: Hast du dich im letzten halben Jahr seit deiner Verletzung persönlich verändert?

Melzer: Ja ich glaube schon. Die Selbstverständlichkeit vom Sport wurde mir ja quasi von heute auf morgen genommen. Das zu verkraften, verändert einen schon.

noe.ORF.at: Du willst wieder zurück auf den Tennisplatz. Wie schauen deine Pläne für die Zukunft aus?

Melzer: Ganz genau kann ich es noch nicht sagen, aber ich hoffe, also der Sportler in mir hofft, dass es sich für die Wimbledon Qualifikation ausgeht. Ansonsten möchte ich Mitte Juli wieder einsteigen.

Jürgen Melzer bei den French Open in Paris

APA/EPA/CAROLINE BLUMBERG

Melzer bei den French Open im Jahr 2015

noe.ORF.at: Dein kleinerer Bruder Gerald Melzer ist auch Tennisprofi, er gibt ordentlich Gas. Wie schaut es aus, wenn ihr euch am Platz gegenübersteht?

Melzer: Sehr schwierig. Wir hatten einmal ein Turniermatch, das wir gegeneinander spielen mussten. Das war wahrscheinlich der schlimmste Tag unseres Tennislebens, weil man einfach den eigenen Bruder nicht bekämpfen will. Ich bin mir nicht sicher ob er gewinnen wollte an dem Tag. Ich habe das Match gewonnen. Abhaken, weitermachen und hoffentlich nie wieder in die Situation kommen.

Jürgen Melzer am Fußballplatz

ORF

„Ich will wieder zurück in den Profisport“, sagt Jürgen Melzer im Gespräch mit Anne-Maria Neubauer

noe.ORF.at: Jetzt wird es indiskret: Viele wollen natürlich wissen, wie es privat bei dir ausschaut?

Melzer: Ich bin verliebt, sehr sogar. Dementsprechend bin ich auch nicht mehr zu haben. Ich bin schon eine ganze Weile mit der ehemaligen Schwimmerin Fabienne Nadarajah zusammen. Uns geht’s gut, ich kann mich gar nicht beschweren. Sie hat mir in letzter Zeit auch sehr durch die Verletzung durchgeholfen. Es ist extrem wichtig, jemanden zu haben, der das auch nachempfinden kann, wenn man so viel Zeit zum Nachdenken hat, wie ich jetzt hatte, wo einem dann auch wirklich das ein oder andere Mal die Decke auf den Kopf fällt. Wenn du da jemanden hast, der dir den Rücken stärkt und für dich da ist, ist das natürlich sehr sehr schön.

Das Gespräch mit Jürgen Melzer führte Anne-Maria Neubauer.

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