Festival Retz zeigt Händels „Jephta“

Ab 7. Juli sind die Weinstadt Retz (Bezirk Hollabrunn) und das nahe mährische Znojmo erneut Schauplatz des Festivals der „Offenen Grenzen“. Die Region steht im Zeichen der Musik und Literatur, gezeigt wird Händels Oratorium „Jephta“.

Im Zentrum des Festival Retz steht erneut die Aufführung einer Kirchenoper - jenes so „außergewöhnliche Genre, das österreichweit einzig in Retz in einem großem Sakralraum mit seinen besonderen akustischen Qualitäten zur Aufführung kommt“, kann man auf der Website des Festivals lesen.

Jephta, der gefürchtete Warlord

Die Wahl fiel auf „Jephta“, ein szenisches Oratorium in drei Aufzügen von Georg Friedrich Händel. „Auf dem Zenit seines kompositorischen Schaffens entfesselt Georg Friedrich Händel ein mitreißendes Drama zwischen Gelübde, Gottespflicht und Vaterliebe! ‚Jephtha‘ ist das letzte originäre Werk des britischen Meisters, ehe er völlig erblindet. Ihm gelingt dabei ein musikalischer Höhepunkt des barocken Oratoriums, das durch große Chöre, affektgeladene Arien und ergreifende Ensembles beeindruckt“, heißt es seitens des Festivals Retz.

Jephta in Retz beim Theaterfest 2016

Claudia Prieler

Bernarda Bobro in „Jephta“

Das Libretto stammt von Thomas Morell und basiert auf dem alttestamentlichen Buch Richter (Ri 10,6–12,7): Jephtha, als Sohn einer Prostituierten von seiner Sippschaft geschmäht und vertrieben, wird im Exil zu einem gefürchteten Warlord. Als das Volk Israels in kriegerische Bedrängnis gerät, erinnert man sich des Vertriebenen, ruft ihn zurück und ernennt ihn zum obersten Heerführer.

Sendungshinweis

„Theaterfest“, 7.7.2016

Dieses musikalische Drama wurde beim Festival in Retz mit zwei international bekannten Sängern besetzt: So konnte für die Titelpartie Jephtha mit Daniel Johannsen einer der gefragtesten Sänger für sakrale Musik in Europa gewonnen werden. Die Partie seiner Tochter Iphis wird von Bernarda Bobro gesungen, die bereits bei den Salzburger Festspielen, als Pamina in Mozarts „Die Zauberflöte“, auf der Seebühne in Bregenz und beim Musikfestival im britischen Glyndbourne zu hören war.

Löffler: „Eine Nische in der Theaterlandschaft“

Das Festival Retz besetze sowohl hinsichtlich des Genres als auch von der inhaltlichen Ausrichtung her eine Nische in der Theaterlandschaft Niederösterreichs, meint Intendant Alexander Löffler. Im Gespräch mit noe.ORF.at kündigt er für das kommende Jahr eine Uraufführung an.

noe.ORF.at: Warum haben Sie sich für dieses Stück entschieden?

Alexander Löffler: Die Aufführung von Georg Friedrich Händels Oratorium „Jephtha“ ist ein seit langem gehegter Herzenswunsch. Händel hat auf dem Höhepunkt seines kompositorischen Schaffens ein Meisterwerk barocker Sakralmusik kreiert, das inhaltlich von erstaunlicher Aktualität ist. Zugleich haben wir das große Glück, eine ideale Besetzung für dieses außergewöhnliche und herausfordernde Werk verpflichten zu können. Mehr der Gründe brauchte es nicht, um sich für dieses Werk zu entscheiden.

noe.ORF.at: Wo sehen Sie Ihren Spielort im Gesamtauftritt des Theaterfests positioniert?

Löffler: Sicherlich besetzt das Festival Retz sowohl hinsichtlich des Genres als auch von der inhaltlichen Ausrichtung her eine Nische in der Theaterlandschaft Niederösterreichs. Wir sind das einzige Festival Österreichs, das Kirchenoper in einem großen Sakralraum mit dessen akustischen Besonderheiten erlebbar macht. Oftmals spekulieren die Komponisten sakraler Musik ja bereits bei Niederschrift des Werkes mit dem besonderen Klang des Kirchenraumes.

Das zweite Kennzeichen unseres Festivals ist die thematische Fortführung des Sujets der Oper in unserem Literatur- und Konzertprogramm: In diesem Sommer steht der Diskurs zwischen einem radikalem Religionsverständnis und den Werten einer aufgeklärten, sakralen Welt im Zentrum der Betrachtung. Darüber hinaus wagen wir in grenzüberschreitender Partnerschaft mit dem Musikfestival Znojmo den kulturellen Brückenschlag zu unserem Nachbarland Tschechische Republik.

noe.ORF.at: Wie sehen Sie Ihren Spielort in drei Jahren? Wie wollen Sie ihn entwickeln?

Löffler: Die inhaltliche Positionierung und die Wahl des Genres möchten wir in der bewährten und überaus erfolgreichen Weise beibehalten. Dennoch wagen wir einen ganz entscheidenden und großartigen Schritt: Erstmals vergeben wir einen Kompositionsauftrag für eine Kirchenoper. Das Publikum darf sich daher auf eine Uraufführung im Sommer 2017 freuen.

noe.ORF.at: Warum glauben Sie, dass die Besucherinnen und Besucher zu Ihnen kommen? Wegen des Stücks, der Inszenierung, des Ambientes oder der Region?

Löffler: Ich glaube, es ist die Verbindung von Umfeld und inhaltlichem Konzept. Wir Künstlerinnen und Künstler dürfen gemeinsam mit dem Publikum in einer wundervollen, kontemplativen Landschaft und an historischen Orten der Stille und Besinnung eine inhaltliche, musikalische und szenische Auseinandersetzung führen, die in dieser Intensität und Konzentration nur bei einem Festival möglich ist.

„Im Zentrum steht das Verhältnis Mensch-Gott“

„Die Kirche ist der einzige und richtige Ort für die Aufführung dieses Werkes“, sagt Regisseurin Monika Steiner, wenn es darum geht, die Stadtpfarrkirche St. Stephan in Retz mit Händels Oratorium in Verbindung zu setzen.

noe.ORF.at: Was ist die Botschaft des Stücks?

Monika Steiner: Gute Bühnenwerke beinhalten sehr selten nur eine einzige Botschaft, denn sie versinnlichen und versinnbildlichen uns die Komplexität menschlichen Daseins. Im Zentrum der Kirchenoper „Jephtha“ steht natürlich das Verhältnis Mensch-Gott, ein Opfer, konkreter die Opferung eines Menschen im Namen einer falsch verstandenen Gottesfurcht.

Hier wird die barocke Ausformung eines alttestamentlichen Stoffes erschreckend aktuell: Überall auf der Welt und in nahezu allen Religionen fügen radikalisierte Religionsanhänger ihren Mitmenschen Leid zu im Namen eines sogenannten einzigen und wahren Gottes. Erstaunlicherweise schweigt dieser Gott immerzu - so auch in unserer Oper.

noe.ORF.at: Wie setzen Sie Ihren Spielort bzw. die Bühnenmöglichkeiten in Ihre Inszenierung ein?

Steiner: Die Kirche ist der einzige und richtige Ort für die Aufführung dieses Werkes. Nicht umsonst ist das deutschsprachige Synonym für Altar Opfertisch. Gleichzeitig gibt uns der Aufführungsort Kirche auch die Möglichkeit, die Szene über große Distanzen hinweg und zugleich in der Mitte des Publikums zu entwickeln. Das ist sicherlich einzigartig in der Musiktheaterwelt: Hier ist das Publikum nicht durch den Orchestergraben von den Akteurinnen und Akteuren getrennt, sondern Szene und Zusehende begegnen sich unmittelbar am Ort der Handlung.

noe.ORF.at: Wovor haben Sie Angst? Vor Regen, dem Publikum, kranken Hauptdarstellern, Kritikern oder als Sommertheaterregisseur bezeichnet zu werden?

Steiner: Mein Team und ich haben keine Angst. Wir haben die Produktion bestmöglich vorbereitet, wir haben wunderbare Solistinnen und Solisten, einen großartigen Chor und ein tolles Orchester. Wieso sollten wir uns fürchten? Natürlich kann man mit einem Projekt immer scheitern, vor allem auch an den eigenen Ansprüchen. Aber dieses Scheitern ist hoffentlich auf einem Niveau, auf dem man sich mit einem sachkundigen Publikum ernsthaft auseinandersetzen darf.

Den Begriff Sommertheater kann ich für mich nicht wirklich definieren. Im Sommer gibt es ebenso wie im Winter Unterhaltungstheater und experimentelle Projekte, gute Aufführungen und schlechte. Alles ist eine Frage von „Wer mit Wem und an welchem Ort?“ - und da fühle ich mich beim Festival Retz sehr gut aufgehoben!

Das schreibt die Kritik über „Jephta“

„Mit „Jephtha“ von Georg Friedrich Händel hat das Festival Retz das perfekte Stück für den aktuellen Konflikt falsch verstandener Gottesfürchtigkeit programmiert.“
Christian Pfeiffer, „Niederösterreichische Nachrichten“

Mehr über „Jephta“

Die Premiere von „Jephta“ in der Stadtpfarrkirche St. Stephan in Retz war am 7. Juli, weitere Vorstellungen sind am 10., 15., 17., 21. und 24. Juli, Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr.

Mitwirkende: Daniel Johannsen, Monika Schwabegger, Bernarda Bobro, Nicholas Spanos, Günter Haumer, Emilio, Santiago und Manuel Haumer.
Chor: LABYRINTHEvocalensemble (Einstudierung Andreas Salzbrunn)Orchester: Ensemble Continuum
Musikalische Leitung: Ewald Donhoffer
Inszenierung: Monika Steiner
Bühne: Alexander Löffler
Kostüme: Inge Stolterfoth
Lichtdesign: Pepe Starman
Intendanz: Alexander Löffler

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