„Romeo und Julia“ als rasante Tragödie

Viel Kunstblut floss am Samstagabend in St. Pölten bei der Premiere von „Romeo und Julia“: Sebastian Schug inszenierte für das Landestheater Niederösterreich William Shakespeares Drama als rasante Tragödie.

Schwärmt Romeo im ersten Moment noch für Rosalind, ist es im nächsten Augenblick Julia, die sein Herz begehrt. Der Logik von Online-Dating-Plattformen wie Tinder folgt ihr Aufeinandertreffen: Visuelle Reize lassen die Liebe aufflammen, die die beiden jungen Menschen in den Tod treibt.

Landestheater Sankt Pölten Romeo und Julia Seyneb Saleh Tim Breyvogel

Alex Pelekanos

Romeo (Tim Breyvogel) und Julia (Seyneb Saleh)

Doch was ist es, was Julia (Seyneb Saleh) so besonders macht? Sie liebt Romeo (Tim Breyvogel) zurück, einen Romeo mit fettigen Haaren und Hipster-Bart, der nicht ein noch aus weiß und in der romantischen Liebe Zeitvertreib und Lebenssinn sucht. Julias Gegenliebe ist das Besondere in einer Welt, deren junge Generation nur Feindschaft und Krieg kennt.

Eine Inszenierung der Extreme

Seyneb Saleh ist eine dickköpfige Julia, impulsiv und liebestoll, doch die eigentliche Hauptrolle spielt bei Schug Elzemarieke de Vos. In den Hosen von Mercutio kotzt sie mit rauer Stimme ihren Hass und ihre Verachtung auf diese Welt aus, die sie „pest-modern“ nennt. Vieles wurde neu für diese Inszenierung der Extreme geschrieben, der Wechsel zwischen Shakespeares Versen und moderner Sprache ist fließend.

Mit hohem Tempo tragen in der ersten Hälfte die Gleichaltrigen ihre Konflikte untereinander aus: Viel Blut fließt auf der Bühne, die Degen klirren, die Fäuste fliegen - Tybalt (Emanuel Fellmer) ersticht beim Duell Mercutio und fällt selbst kurz darauf durch Romeos Hand. Mit einem Kuss schließen die beiden Untoten den Pausenvorhang, denn Schug hat Humor und seine Schauspieler auch: Johanna Tomek brilliert als Amme und Apotheker, Bruder Lorenzo (Thomas Bammer) liefert so manches Bonmot und Stanislaus Dick gibt einen sehr sympathischen Benvolio.

Landestheater Romeo und Julia Ensemble

Alexi Pelekanos

„Romeo wäre für Julia nicht der Richtige gewesen“, meint die APA-Theaterkritikerin Gisela Linschinger

Nach der Pause dominiert der Generationenkonflikt das Geschehen - Julias Eltern wollen, dass ihre Tochter eine Zwangsehe mit dem ungeschickten Graf Paris (Josephine Bloéb in einer Hosenrolle) eingeht, eine schmerzlich-lustige Szene, die hier zwischen die Monologe eingestreut wird und die Handlung vorantreibt. Schug erfindet kein neues Ende für das kompromisslose Liebespaar, doch man tröste sich: Romeo wäre für Julia nicht der Richtige gewesen.

Die selbstzerstörerische Rebellion der Kinder

Schug, der bereits 2015/16 mit seiner schrägen „Sommernachtstraum“-Inszenierung am Landestheater Niederösterreich großen Erfolg feierte, zeichnet in dieser Saison mit „Romeo und Julia“ das bewegende Bild einer zerrütteten Gesellschaft und der selbstzerstörerischen Rebellion ihrer Kinder. Musik ist dabei - wie in der Realität - ein wesentliches Element: „You want it darker / We kill the flame“, singt Leonard Cohen trotzig.

Weitere Aufführungen: 7. und 14. Oktober, 2. und 17. November, 31. Dezember, 10. und 31. Jänner; Gastspiel an der Bühne Baden am 19. und 20. Dezember.

Vom Band, a cappella oder mit Begleitung werden Pop-Songs eingeflochten, jedoch ohne die bekannten Liedtexte in den Vordergrund zu drängen und in ganz eigenen, stimmungsvollen Versionen, für die Johannes Winde verantwortlich zeichnet. Ein statisches, aber wandlungsfähiges Bühnenbild von Christian Kiehl und die erhabene Lichtregie von Günter Zaworka runden die gelungene Aufführung ab. Anhaltender Applaus für das sichtlich mitgenommene Ensemble.

Gisela Linschinger, Austria Presse Agentur

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