Optiker: Digitale Klassenzimmer ein „Horror“

Beinahe jedes zweite Kind in Österreich ist kurzsichtig. Tendenz steigend, warnt die Landesinnung der Augenoptiker. „Digitale Klassenzimmer“ seien ein „Horror“, kritisiert die Innung und fordert von Schulen und Behörden Lösungen.

Etwas mehr als 16.000 „Taferlklassler“ starteten Anfang September in Niederösterreich in ihre Schulzeit. Etwa die Hälfte von ihnen wird laut der Landesinnung der Augenoptiker in Zukunft kurzsichtig sein. Der Grund dafür: zu viel Zeit vor dem Handybildschirm und zu wenig Zeit an der frischen Luft. „Mittlerweile ist unter den Kindern die Kurzsichtigkeit zur Norm geworden“, findet Landesinnungsmeister Markus Gschweidl klare Worte.

Für die Entwicklung des Auges wären für Kinder zwei Stunden Aufenthalt im Freien pro Tag optimal, im Gegenzug dazu aber nicht mehr als eine Stunde vor Handy- und Computerbildschirmen. Denn dabei wird laut Gschweidl nur in die kurze Distanz geblickt. Das Auge „verlernt“, in die Ferne zu sehen. „Wenn man ständig in die Nähe schaut, müssen sich die inneren Augenmuskeln anspannen, um trotzdem ein scharfes Bild zu bekommen“, sagt Augenärztin Dagmar Steinmair vom Universitätsklinikum St. Pölten.

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Handy- und Computerbildschirme würden bei starker Nutzung die Kurzsichtigkeit fördern, kritisieren Experten

In Teilen Asiens würde die Zahl der Kurzsichtigen deshalb rasant steigen, heißt es. 80 bis 90 Prozent der Jugendlichen sollen dort betroffen sein. In Österreich gibt es dafür keine eigene Erhebungen, sagt Gschweidl, europäischen Studien zufolge sei aber bereits jeder zweite junge Mensch betroffen: „Wenn wir von 40 bis 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen ausgehen, dann handelt es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem mit weitreichenden Folgen für die Volksgesundheit. Es ist höchste Zeit für konkrete Maßnahmen“, fordert Gschweidl und verweist dabei auf China, wo etwa ein eigener Plan gegen Myopie ausgearbeitet wurde.

Schulen müssten umdenken

Die Augenoptiker fordern daher ein Umdenken – angefangen bei den Schulen. „Wenn Kinder für eine optimale Sehentwicklung mindestens zwei Stunden täglich im Freien sein sollten und einen Großteil ihrer Zeit in der Schule oder im Hort bzw. mit Hausaufgaben verbringen, dann müssen diese Stunden in den Schultag integriert werden.“ Die Schulen seien daher angehalten, Wege zu finden, wie auch in der kühleren Jahreszeit etwa mehr Sportunterricht oder andere Maßnahmen im Freien stattfinden können.

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Augenoptiker fordern ein Umdenken in den Schulen

Kritisch sieht Gschweidl auch Hausaufgaben, die mehr als eine Stunde Nahsehen erfordern. Und Ansätze, das Ausmaß der Computerarbeit künftig noch weiter zu steigern, seien zu hinterfragen: „Das digitale Klassenzimmer ist – aus Augensicht – ein Horror.“ Gschweidl will dabei das technologische Rad nicht zurückdrehen. Allerdings müssten gemeinsam Wege gefunden werden, die Nutzung zu reduzieren. Dafür müssten Schulen, Gesundheitsinstitutionen, Behörden, Eltern und auch die Optiker an einem Strang ziehen.

Abwechslungsreiche Stundenpläne

In den Schulen sei man sich dessen bewusst, heißt es seitens der Bildungsdirektion. Das Thema werde deshalb verstärkt im Unterricht immer wieder behandelt, sagt Bildungsdirektor Johann Heuras. Den Schülern werde vermittelt, „wie wichtig es ist, sich auch im Freien aufzuhalten und nicht ständig vor digitalen Geräten zu sitzen. Das versuchen wir im Rahmen des Erziehungsauftrages den Kindern, aber auch den Eltern klarzumachen.“

Die Stundenpläne würden wiederum möglichst abwechslungsreich gestaltet. Zudem werde die Sehleistung der Kinder im Zuge der schulärztlichen Untersuchung regelmäßig kontrolliert. Wird dabei eine Beeinträchtigung festgestellt, „werden die Eltern von uns darauf hingewiesen“, sagt Heuras.

Rat der Schulärzte ernst nehmen

Den Eltern empfiehlt Steinmair, die Hinweise der Schulärzte ernst zu nehmen und mit den Kindern jährlich zu einer Kontrolle zu gehen. „Kurzsichtigkeit wird vor allem dann gefährlich, wenn sie nicht korrigiert wird und stark ansteigt.“ Ohne Behandlung drohen mit fortschreitendem Alter schwerwiegende Augenerkrankungen wie etwa grüner Star und Netzhautablösung. Eine Korrektur sei mit einer geeigneten Brille oder Kontaktlinsen heutzutage aber leicht möglich, heißt es.

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Bei Kindern wird eine jährliche Kontrolle empfohlen

Um Kurzsichtigkeit möglichst zu verhindern, rät Gschweidl die Bildschirmnutzung zu begrenzen und mit den Kindern gemeinsame Regeln zu vereinbaren: „Die Eltern sind dabei oft ein gutes und schlechtes Beispiel für ihre Kinder.“ Zudem empfiehlt der Optiker, die Augen regelmäßig zu trainieren: „Damit das Auge in Schuss bleibt, ist gerade der Fokuswechsel zwischen Nah und Fern wesentlich, etwa mit dem Spiel ‚Ich seh, ich seh, was du nicht siehst‘.“

Stefan Sailer, noe.ORF.at

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