Bootsunglück: 15 Minuten bis zum Notruf

Der Unfall mit einem Bundesheerboot auf der Donau wirft weiter Fragen auf. Recherchen des ORF Niederösterreich ergaben, dass 15 Minuten vergangen sind, bis bei den Rettungskräften ein Notruf eingegangen ist.

Bei dem Unfall am vergangenen Samstag wurden zwei Frauen lebensgefährlich verletzt. Beide befinden sich nach Auskunft des Bundesheeres weiter in kritischem Zustand und werden in Wiener Krankenhäusern betreut. Das Pionierboot des Bundesheeres war am Samstag bei Hainburg (Bezirk Bruck an der Leitha) gekentert - mehr dazu in Heeresboot gekentert: Zwei Frauen reanimiert (noe.ORF.at; 1.9.2018).

Frauen um die 40 Minuten unter Wasser

Aufgrund der Aussagen von Helfern und anhand verschiedener Einsatzprotokolle, die noe.ORF.at am Dienstag vorlagen, lässt sich derzeit folgender Zeitablauf rekonstruieren:

  • 9.49 Uhr: Das Bundesheerboot kentert, fünf Soldaten und acht Frauen werden in die Donau geschleudert.
  • 10.04 Uhr: Ein Feuerwehrmann, der auf der Donau an einer Übung teilnimmt, setzt einen Notruf ab. Das Bundesheer selbst setzt keinen Notruf ab.
  • 10.08 Uhr: Die Rettungsleitstelle löst Großalarm aus.
  • 10.15 Uhr: Das gekenterte Boot kann zu einer Sandbank in der Donau gebracht werden. Nach Angaben des Bundesheeres hatten Soldaten zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Personen unter dem Boot herausgezogen.
  • 10.21 Uhr: Die örtlich zuständigen Feuerwehren werden alarmiert und rücken mit weiteren Booten aus.
  • 10.28 Uhr: Die erste der beiden Frauen kann gerettet werden und wird reanimiert.
  • 10.30 Uhr: Wie in einer Notiz vermerkt wurde, trifft ein Notarzt auf der Sandbank ein.
  • 10.34 Uhr: Die zweite Frau wird aus dem Wasser gezogen. Laut einem Einsatzprotokoll ist jedoch noch unklar, ob noch jemand fehlt.
  • 10.41 Uhr: In einer Statusmeldung wird festgehalten, dass beide Frauen reanimiert werden.

In Nachrichten, die noe.ORF.at ebenfalls vorlagen, betonten einige Teilnehmerinnen des Girls’ Camp bzw. eine Frau auch gegenüber der Austria Presse Agentur (APA), dass alle Soldaten ihr Bestes gegeben hätten, um zu helfen und, dass sie gut versorgt worden seien. Es sei auch sofort telefonisch Hilfe und Unterstützung angefordert worden, sagte eine Zeugin.

Seitens der Staatsanwaltschaft, die gegen den Bootsführer wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung ermittelt, gab es am Dienstag keine neuen Erkenntnisse. Laut Mediensprecher Friedrich Köhl wolle man den Bericht der Untersuchungskommission, die das Bundesheer eingesetzt hat, abwarten. Unterdessen wies der Sprecher des Bundesheeres, Michael Bauer, Vorwürfe, wonach die Situation lange Zeit ungeordnet gewesen sei, im Gespräch mit Gernot Rohrhofer zurück.

noe.ORF.at: Herr Oberst Bauer, einige Einsatzkräfte beklagen, dass die Situation lange Zeit unklar war und man nicht gewusst hat, wie viele Personen vermisst sind. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?

Michael Bauer: Man muss sich die Situation so vorstellen, dass das Boot gekentert ist und alle Personen in die Donau geschleudert worden sind, einige sind auch unter das Boot gekommen. Das Bundesheer hat sofort drei Boote in der Nähe gehabt, die alle Schiffsbrüchigen aufgenommen haben. Zwei Soldaten haben außerdem ihre Schutzweste abgelegt, sind ins Wasser gesprungen und haben versucht, Personen, die unter dem Boot waren, herauszuziehen. Das ist teilweise auch gelungen.

noe.ORF.at: Warum konnten die beiden Frauen nicht gerettet werden?

Bauer: Das war deshalb nicht möglich, weil völlige Dunkelheit geherrscht hatte und man die Frauen nicht gefunden hat. Vermutlich waren sie unter dem Boot eingeklemmt. Es gab dort kein Licht und man ist völlig orientierungslos. Das Boot ist sechs Meter lang - das ist kein kleiner Raum und deswegen ist es erst gelungen, die Frauen zu retten, nachdem das Boot in Ufernähe war.

noe.ORF.at: Wussten Sie, dass die beiden Frauen unter dem Boot eingeschlossen waren?

Bauer: Wir wussten, dass zwei Frauen vermisst werden. Es war nicht klar, ob sie sich unter dem Boot befunden haben oder in der Strömung abgetrieben worden sind. Wie das Boot dann am Ufer war, hat man festgestellt, dass die beiden unter dem Boot waren.

noe.ORF.at: Wer hat den Notruf abgesetzt?

Bauer: Den Notruf hat ein Angehöriger des Roten Kreuzes bzw. der Feuerwehr abgesetzt. Für uns ist wichtig, dass der Notruf abgesetzt worden ist. Hier geht es nicht um Hierarchien, sondern darum, dass er so schnell wie möglich abgesetzt wird.

noe.ORF.at: Aus Sicht des Bundesheeres war es also nicht notwendig, einen Notruf abzusetzen?

Bauer: Wichtig ist, dass der Notruf getätigt wurde, das hat funktioniert und kurz danach sind auch zwei Notarzthubschrauber gelandet. Wie gesagt: Entscheidend ist nicht, wer den Notruf absetzt, sondern dass er abgesetzt wird.

Michael Bauer

ORF

Michael Bauer, Sprecher des Verteidigungsministeriums

noe.ORF.at: Sie haben in den vergangenen Tagen immer wieder betont, dass sowohl ein Fahrfehler als auch ein technischer Defekt ausgeschlossen werden können. Was war es dann?

Bauer: Der Erstbericht nach 48 Stunden sagt, dass es keinen Hinweis auf einen technischen Defekt oder einen Fahrfehler gibt. Wir haben seit heute die Untersuchungskommission mit weiteren Sachverständigen allerdings verstärkt. Wir wollen also Zweit- und Drittmeinungen, um hier sicher zu gehen. Derzeit vermuten wir, dass die Duplizierung von mehreren Wellen dazu geführt hat, dass das Boot gekentert ist.

noe.ORF.at: Hätte man diese Duplizierung der Wellen nicht erkennen müssen? War es am Ende des Tages nicht doch ein Fahrfehler?

Bauer: Das wird letztlich der Endbericht der Untersuchungskommission zeigen.

noe.ORF.at: Würden Sie sagen, dass man seitens des Bundesheeres alles richtig gemacht hat?

Bauer: Es sind zwei Menschen zu Schaden gekommen, da kann man nie alles richtig machen. Das Wichtigste ist, dass es den beiden Frauen bald wieder gut geht und das ist derzeit unsere einzige Sorge.

Gernot Rohrhofer und Werner Fetz, noe.ORF.at

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