Kultur

Wenn das Theater nach Hause kommt

Beim Festival „Hin & Weg“ in Litschau (Bezirk Gmünd) verwandeln sich viele Orte in Bühnen: Ob im Supermarkt, am Bahnhof oder im Wohnhaus – von 9. bis 18. August ist in Litschau beinahe überall Theater zu sehen.

In Rudolf Boindls Wohnzimmer wird „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch gespielt. Das Sofa, die Küchenbank, der Boden – überall im Haus nimmt das Publikum Platz. Nur Rudolf Boindl und seine Frau Elisabeth stehen mitten im Raum, denn sie spielen in der Produktion des Luzerner Theaters spontan die Hauptrollen. 70 Personen sehen ihnen dabei in ihrem Wohnzimmer zu.

Hausherr Rudolf Boindl ist ob des großen Andrangs dann doch ein wenig überrascht: „Wir gehen selber gern zu den Vorstellungen und es ist toll, wenn in Litschau mal etwas los ist. Mir wurde gesagt, dass sich mein Haus wunderbar dafür eignen würde. Zeno Stanek kann sehr gut überreden.“ Es ist das zweite Jahr für Stankes Theaterfestival „Hin & Weg“ in Litschau rund um den Herrensee.

Theatermarathon in 3.000-Einwohner-Gemeinde

An zwei Wochenenden stehen 140 Veranstaltungen am Programm, darunter sind Theaterstücke (etwa von Max Frisch und Felix Mitterer), szenische Lesungen, Autorenlesungen (etwa von Theodora Bauer oder Franzobel), öffentliche Proben, Hörspiele und Küchenlesungen (unter anderem mit Nicholas Ofczarek und Katharina Stemberger). Vieles findet gleichzeitig und mehrmals statt.

Die Spielorte sind jedes Mal aufs Neue überraschend. Für Besucher öffnen sich quer durch den Ort Tür und Tor, etwa von einem verlassenen Güterzugmagazin am Bahnhof. Auch in einem unauffälligen Holzschuppen neben einem Waldweg wird gespielt oder am Dach des Lagerhauses. Die Idee dahinter: Publikum und Schauspieler näher zusammen bringen, so Festivalleiter Zeno Stanek: „Es geht um Austausch und Diskussion. Anschließend an die Vorstellungen gibt es oft die Möglichkeit, mit den Autorinnen und Autoren über das Gesehene zu reden.“

Der Text für Rudolf Boindl als Herr Biedermann wurde auf Fenster geklebt oder ihm in seine Zeitung gelegt.
ORF/Pöchhacker
Der Text für Zuseher, die Rollen übernahmen, wurde im Haus auf Fenster oder auch in Zeitungen angebracht

Dabei arbeitet man mit dem Max Reinhardt-Seminar und der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien zusammen. Mehr als 100 Personen wirken bei „Hin & Weg“ mit. So treffen viele junge Schauspieler auf erfahrene Künstler wie etwa Nicholas Ofczarek oder Katharina Stemberger. Sie ist auch eine der Leiterinnen des Festivals: „Der Raum wirkt immer auf den Schauspieler und hier wirkt er dann noch einmal ganz besonders. Das ist das Außergewöhnliche in Litschau: Es ist etwas Neues, das es so noch nicht gibt“, sagt Stemberger.

Bei Vorstellungen in privaten Wohnungen ist auch für die Schauspieler vieles neu. Die Stücke leben von Improvisation und Situationskomik. So auch im Wohnzimmer der Familie Boindl. Für sie sei der Abend als Herr und Frau Biedermann in einem Theaterstück in ihren eigenen vier Wänden ein einmaliges Erlebnis.