Seine größte Sorge sei im Moment, „dass sich eine Koalition links der Mitte ausgeht“, sagt Kurz und blickt auf das Ergebnis der Europawahl im Mai zurück. „Rot, Grün und NEOS hatten gemeinsam 47 Prozent. Ein paar Prozent mehr und wir haben eine linke Mehrheit in Österreich. Es würde sofort zur Bildung einer Koalition kommen.“ Das Ziel der ÖVP sei es deshalb, alles zu tun, „damit wir nicht nur Erster werden, sondern auch so stark sind, dass keine Koalition an uns vorbei möglich ist.“
Daran, dass Herbert Kickl im Falle einer Regierungszusammenarbeit zwischen der ÖVP und der FPÖ nicht mehr Innenminister werden könne, hält Kurz im Gespräch mit dem Chefredakteur des ORF Niederösterreich, Robert Ziegler, fest: „Ich habe miterlebt, wie er das Ressort geführt hat. Ich habe miterlebt, dass es nach dem Ibiza-Videos keine ausreichende Sensibilität im Umgang mit diesem Video gegeben hat und ich erlebe, dass sich die Gründe häufen“, spielt der Ex-Kanzler und Spitzenkandidat der ÖVP auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und Hausdurchsuchungen im Umfeld der FPÖ an.
„Wollen Kurs für Österreich fortsetzen“
Die ÖVP setzt unter anderem auf den Ausbau erneuerbarer Energien, auf die Einführung einer Pflegeversicherung oder weiterhin auf eine konsequente Linie in der Migrationsfrage. „Bei uns ist klar, was wir vorhaben. Wir wollen unseren Kurs, den wir für Österreich eingeschlagen haben, fortsetzen.“
Rund um den Ärztemangel schlägt Kurz zusätzliche Studienplätze vor: „Wie Johanna Mikl-Leitner schon angesprochen hat, glaube ich, dass es wichtig ist, mehr Mediziner auszubilden und mit geschickten Modellen wie Landarztstipendien oder der Aufwertung der praktischen Ärzte sicherzustellen, dass sie Aufgaben übernehmen, wo wir einen Mangel haben. Wo wir sicher nicht zusehen können, ist, dass die ärztliche Versorgung gerade im ländlichen Raum schlechter wird.“
„Wechselbad der Gefühle“
Die Phase rund um das Bekanntwerden des Ibiza-Videos und in der Folge der Abwahl als Bundeskanzler bezeichnet Kurz als „Wechselbad der Gefühle.“ Die Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ sei bis dahin „sehr erfolgreich“ gewesen. „Wir haben die Schuldenpolitik beendet, haben begonnen die Steuern zu senken und waren im Kampf gegen die illegale Migration erfolgreich. Doch dann hat das Ibiza-Video die Regierung gesprengt.“
Sendungshinweis
„Guten Morgen Radio NÖ“, 4.9.2019
In den vergangenen Monaten sei er „viel in den Bundesländern unterwegs gewesen“ und habe dabei viele Anregungen bekommen: „Und ich habe jetzt große Lust darauf, unsere Arbeit fortzusetzen.“ Aus der Politik auszuscheiden, sei kein Thema gewesen. „Ich war natürlich deprimiert. Zu sehen, dass viele Menschen uns unterstützen und diese Abwahl als nicht richtig empfunden haben, hat mir aber auch viel Kraft gegeben.“ Der Bundesspitzenkandidat der ÖVP habe deshalb die Hoffnung, „dass wir am 29. September gestärkt werden und für Österreich weiterarbeiten dürfen.“
„Kurz und bündig“ mit Sebastian Kurz
noe.ORF.at: Welchen Beruf hätten Sie ergriffen, wenn Sie nicht Politiker geworden wären?
Sebastian Kurz: „Ich wollte eine Zeit lang Rechtsanwalt werden. Das wäre aber nichts für mich gewesen. Die Politik als Spitzenpolitiker war eigentlich aber auch nicht geplant. Ich wollte mich immer nur ehrenamtlich engagieren. Aber das Leben kommt manchmal anders, als man denkt.“
noe.ORF.at: Was war heuer Ihr schönstes Sommererlebnis?
Kurz: „Ich habe in Summe einen schönen Urlaub mit vielen schönen Momenten gehabt, vor allem auch zuhause auf unserem Bauernhof in Niederösterreich.“
noe.ORF.at: Haben Sie jemals eine andere Partei als die eigene gewählt?
Kurz: „Nein, das habe ich nicht.“
noe.ORF.at: Ihre Lieblingsmusik?
Kurz: „Das ist sehr breit von Falco bis U2.“
noe.ORF.at: Ihr Lieblingsgetränk – Gespritzter oder Rum Soda mit Feige?
Kurz: „Rum Soda mit Feige habe ich noch nie getrunken, darum Gespritzter oder Bier.“
noe.ORF.at: Schweinsbraten oder Sushi?
Kurz: „Schweinsbraten. Ich bin kein Fischesser, und schon gar nicht esse ich rohen Fisch.“
noe.ORF.at: Zufrieden sind Sie am 29. September um 17.00 Uhr, wenn?
Kurz: „Wenn wir ein gutes Ergebnis einfahren und es keine Mehrheit an uns vorbei gibt. Diese würde genutzt werden und das würde bedeuten, dass wir unsere Arbeit für Österreich nicht fortsetzen können.“