Smartphone in einer Hand
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Gesundheit

Stressauslöser per App identifizieren

Smartphones haben das Potenzial, das Leben ihrer Nutzerinnen und Nutzer offenzulegen. Sie verwalten Kontakte, messen den Puls, erfassen den Schlaf oder sollen beim Abnehmen unterstützen. An der Donau-Universität Krems wird derzeit eine App entwickelt, die die Auslöser von Stress erkennen soll.

„TrackYourStress“ – die neue App der Donau-Universität Krems will wissenschaftlich den Spuren von Stress nachfühlen. Mit ihrer Hilfe sollen Nutzerinnen und Nutzer mit der Zeit erkennen können, welche Faktoren des eigenen Lebens für besonderen Stress sorgen.

Laut Projektleiter Thomas Probst vom Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit misst die App Stressschwankungen und sucht nach den dahinterliegenden Gründen: „Nur wenn ich weiß, was mich stresst und wie ich mit Stress umgehe, kann ich vorbeugen. Die Prävention von Stress ist auch volkswirtschaftlich von Relevanz, weil die Forschung gezeigt hat, dass langanhaltender Stress ein Risikofaktor für die Entwicklung von psychischen und physischen Erkrankungen ist.“

App als Burn-out-Prophylaxe

Expertinnen und Experten weisen seit Jahren regelmäßig darauf hin, dass stressbedingte Erkrankungen wie beispielsweise Burnout konstant zunehmen und sich zur ernst zu nehmenden Volkskrankheit entwickeln würden. Damit steigen auch die staatlichen Ausgaben, die die durch Stress hervorgerufenen Folgeerkrankungen, die zu Krankenständen oder Frühpensionierungen führen, verursachen. Der Ökonom Friedrich Schneider von der Johannes Kepler Universität Linz bezifferte den volkswirtschaftlichen Schaden in einer Studie bereits im Jahr 2013 auf mehr als sieben Milliarden Euro, Tendenz stetig steigend.

Präventiv soll auch die App nützen, erzählt Projektleiter Probst von der Donau-Universität Krems. Im Gegensatz zu vielen anderen in den App-Stores erhältlichen Programmen misst „TrackYourStress“ nicht den Puls der Nutzerinnen und Nutzer. Diese Messungen seien ungenau und zu sehr von der jeweilig verbauten Technik des Smartphones abhängig, so Probst. Stattdessen kommen wissenschaftlich erprobte Selbsteinschätzungen zum Einsatz. Wer die App verwendet, sollte also beispielsweise Fragebögen zum subjektiven Stressempfinden ausfüllen – bestenfalls in regelmäßigen Abständen.

Screenshot der App
TrackYourStress
Die App setzt auf Fragebögen, um subjektive Stressempfindungen auszuwerten

Kombiniert werden diese Eingaben mit Messungen von Umgebungswerten, die den Stress beeinflussen könnten – vorausgesetzt man erteilt der App die jeweils dafür erforderlichen Berechtigungen. Technisch soll sie dazu in der Lage sein, Parameter wie Umgebungslärm zu erheben und mit den Daten zu verknüpfen. „Dabei werden aber keine Stimmen analysiert oder dergleichen. Gemessen werden ausschließlich Dezibel, also wie laut es in meiner Umgebung ist und inwieweit das mit meinen Stresslevels zusammenhängen kann“, so Probst.

Sendungshinweis

„Guten Morgen NÖ“, 12.12.2019

Darüberhinaus kann man der App die Berechtigung erteilen, auch GPS-Daten zur Auswertung hinzuzuziehen. Damit sollen bestimmte Tagesroutinen oder Umgebungen auf ihren Einfluss auf Stresslevels Aufschluss geben.

Daten: Wissenschaftliche statt wirtschaftlicher Interessen

Profitieren sollen von der App nicht nur die Nutzerinnen und Nutzer. Auch die Wissenschaft erhofft sich verlässliche Daten für die Forschung. „Das wäre dann die Win-win-Situation, weil es nicht viele Studien zu app-basierten Stressmessungen im Alltag gibt. Die meisten Studien wurden im Labor durchgeführt wurden und sind daher nicht 1:1 übertragbar – ähnlich wie Blutdruckmessungen beim Hausarzt, die meist anders ausfallen als zu Hause“, erklärt Probst.

Wie bei jeder App stellt sich aber die Frage, was mit den erhobenen Daten passiert. Viele Anwendungen stehen ja in Verruf, auch sensible Daten zu verkaufen – im Fall von Stress-Apps sensible Gesundheitsdaten. „TrackYourStress“ verspricht, die Daten nur anonymisiert und für wissenschaftliche Zwecke auszuwerten. „Von der Entwicklung bis zur Nutzung und Auswertung stehen bei uns wissenschaftliche Prinzipien im Vordergrund. Die Daten werden garantiert nicht weitergegeben und sind auch den Nutzerinnen und Nutzern nicht zuordenbar. Kommerzielle Interessen, die bei Firmen dahinterstehen, gibt es bei uns nicht“, so Probst.

Ausbaustufe soll auch Cortisolmessungen verarbeiten

Insgesamt hofft das Forschungsteam auf möglichst viele Nutzerinnen und Nutzer. Je höher das Interesse an der App ausfällt, desto besser sind die Forschungsergebnisse und desto gefragter die daraus resultierenden Publikationen, so hoffen die Wissenschafter. Sollte die App erfolgreich Daten liefern, gibt es bereits Pläne für mögliche Erweiterungen. So soll die Anwendung auch individuell passende Übungen bzw. Empfehlungen vorschlagen, bevor ein zu hohes Stresslevel erreicht wird.

Außerdem soll es möglich werden, das Stresshormon Cortisol im Speichel zu messen und mit den Daten zu verknüpfen oder physiologische Parameter wie Hautspannung oder Herzfrequenz zu integrieren. Allerdings bräuchte es für eine wissenschaftliche Auswertung eine genormte technische Ausstattung, mit der die Proben der Nutzerinnen und Nutzer generiert werden – dafür fehlt aber noch die Finanzierung. Die Erstversion wird ab Anfang 2020 in den App-Stores von iOS und Android kostenlos verfügbar sein.