Zwei Kühe fressen Heu
APA/dpa/Mohssen Assanimoghaddam
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Politik

Wählen in der Rinderversteigerungshalle

In den meisten Gemeinden wird am 26. Jänner auf dem Gemeindeamt, im Kindergarten, in der Schule oder im Feuerwehrhaus gewählt. In Bergland (Bezirk Melk) sind 900 Wähler allerdings dazu aufgerufen, in einem ungewöhnlichen Wahllokal ihre Stimme abzugeben: In der Rinderversteigerungshalle.

In der Berglandhalle am Holzingerberg werden normalerweise Zuchtrinder versteigert. „Die Bauern wählen hier ihre Tiere für die nächste Generation ihres Stalles aus“, erklärt Karl Zottl, Geschäftsführer des NÖ Genetik Rinderzuchtverbandes. 2019 konnte der Verband 7.800 Tiere vermarkten, 3.600 davon traten zum Schaulaufen in der Berglandhalle an. Der „Wahlkampf“ dauert nicht lange. „Die Tiere sind fünf Wochen vor der Versteigerung im Katalog ersichtlich, also in Papierform anzusehen. Im Ring selbst wird sich ein Tier für die Versteigerung rund eine Minute aufhalten“, so Zottl.

Halle steht am Sonntag leer

Am 26. Jänner wird in der Berglandhalle ein Wahllokal für die Gemeinderatswahl eingerichtet. 900 Wählerinnen und Wähler aus zwei Sprengeln der Gemeinde Bergland können hier ihre Stimme abgeben. Das Wahllokal befindet sich in einem Seminarraum im ersten Stock, Barrierefreiheit ist durch einen Lift gegeben. „Die Berglandhalle ist namensmäßig für die Gemeinde Bergland ein gewisser Kristallisationspunkt. Ich finde es interessant und ein gutes Zeichen, wenn man mit der Gemeinde vor Ort so zusammenarbeiten kann, dass man das Gebäude, das am Sonntag eigentlich leer steht, für die Wahl nutzt und belebt“, sagt Zottl.

Rinderversteigerungshalle in Bergland
ORF/Thomas Koppensteiner
In der Berglandhalle werden normalerweise Zuchtrinder versteigert

Wahlleiter in Bergland ist Bürgermeister Walter Wieseneder (ÖVP). Bei der Wahl am 26. Jänner treten mit der ÖVP, SPÖ und der FPÖ drei Parteien an. „Die Gemeinde Bergland ist 1968 aus vier Katastralgemeinden entstanden und daher sehr weitläufig. Aus dieser Zeit kommt, dass wir vier Wahllokale haben, zwei davon in der Berglandhalle“, sagt Wieseneder.

Sendungshinweis

„NÖ heute“, 12.1.2020

Zwischen dem Kuhhandel in der Berglandhalle und der Politik sieht man auch durchaus Gemeinsamkeiten. „Die Versteigerungssituation zeigt, dass sich Käufer und Verkäufer transparent über den Preis einigen. Eigentlich ist das für die Politik auch nicht schlecht, wenn man sich transparent über Inhalte einigt. Das Wort Kuhhandel mag vielleicht nicht schmeichelhaft sein, aber im positiven Sinn wäre es sicher ein gutes Wort dafür“, sagt der Geschäftsführer des NÖ Genetik Rinderzuchtverbandes, Karl Zottl. „Politik bedeutet immer, einen Konsens zu finden“, sagt Bürgermeister Walter Wieseneder. „Hier wird außerdem die Top-Genetik präsentiert. Wir versuchen uns in der Politik natürlich auch immer wieder mit unseren Leistungen zu präsentieren.“

Die nächste Rinderversteigerung in der Berglandhalle findet am 22. Jänner statt, vier Tage später folgt die Gemeinderatswahl. Größter Unterschied zwischen diesen beiden Ereignissen: Bei der Rinderversteigerung gibt es keine geheime Wahl. Dafür dürfen die Landwirte das ersteigerte Tier auch gleich mit nach Hause nehmen.

Vom Chinarestaurant bis zur Kegelbahn

Ungewöhnliche Wahllokale findet man auch in anderen Gemeinden. In Mannersdorf am Leithagebirge (Bezirk Bruck an der Leitha) schreiten die Wählerinnen und Wähler in einem Chinarestaurant zur Urne, in Perchtoldsdorf (Bezirk Mödling) wird in einer Tanzschule und einer Fahrschule ein Wahllokal eingerichtet, in Brunn am Gebirge (Bezirk Mödling) wird auf der Kegelbahn gewählt, in Bisamberg (Bezirk Korneuburg) im Clubhaus des 1. FC Bisamberg und in Altenburg (Bezirk Horn) in der Kläranlage. Die Gemeinde Bergland hat neben der Rinderversteigerungshalle übrigens noch ein weiteres auffälliges Wahllokal: In einer Dachdeckerfirma.