Wiener Neustadt
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Wr. Neustadt: Rot, bunt und heiß umkämpft

In der zweitgrößten Stadt Niederösterreichs verspricht die Gemeinderatswahl am Sonntag ganz besonders spannend zu werden. Lange Zeit war Wiener Neustadt eine rote Hochburg, seit der letzten Wahl regiert hier aber eine bunte Stadtregierung an der SPÖ vorbei. Die ÖVP hat diesmal als Wahlziel ausgegeben, Erster werden zu wollen.

Es war eine schmerzliche Niederlage, die die SPÖ vor fünf Jahren in Wiener Neustadt einstecken musste. Zwar konnten die Sozialdemokraten damals den ersten Platz verteidigen, doch mit einem Verlust von mehr als acht Prozent war die absolute Mandatsmehrheit weg – erstmals nach 70 Jahren. Die ÖVP konnte im Gegenzug stark zulegen und machte schließlich auch das Rennen um den Bürgermeistersessel. Seit fünf Jahren gibt es in der Stadt nun eine sogenannte „bunte“ Stadtregierung unter Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP). Konkret schloss die ÖVP damals einzelne Arbeitsübereinkommen mit der FPÖ, den Grünen und zwei Bürgerlisten.

Wahlergebnis in Wiener Neustadt 2015

  • SPÖ: 40,30 Prozent (-8,12)
  • ÖVP: 33,94 Prozent (+9,42)
  • FPÖ: 11,67 Prozent (+1,43)
  • Grüne: 5,14 Prozent (+0,85)
  • SLUKA: 2,84 Prozent (-4,85)
  • WIR: 2,65 Prozent (-1,41)

SPÖ will „so stark bleiben, wie wir sind“

Dass man die absolute Mehrheit diesmal zurückgewinnt, glaubt man bei der SPÖ, die derzeit 17 der 40 Mandate hält, nicht. Sie sei „Realistin“, sagt Spitzenkandidatin Margarete Sitz und „die Bürgermeisterpartei hat immer den Bürgermeisterbonus“. Auf die Frage nach ihrem Wahlziel, meint Sitz: „Dass wir so stark bleiben, wie wir sind, das wäre unser Wahlziel.“

Den Anspruch auf den Bürgermeistersessel hat sie aber noch nicht aufgegeben. „Natürlich habe ich den Anspruch, je nachdem wie gestärkt wir aus dieser Wahl hervorgehen“, sagt Sitz auf Nachfrage und fügt hinzu: „Aber ansonsten habe ich auch den Anspruch, in dieser Stadt wieder mitzugestalten – viel mehr als bis jetzt.“

Derzeit ist die SPÖ zwar nicht Teil der bunten Regierung, aufgrund ihrer Mandatsstärke im Stadtsenat vertreten. Sitz selbst ist Vizebürgermeisterin. Eine Situation, die NEOS-Spitzenkandidat Martin Neureiter kritisiert. Die bunte Stadtregierung sei „nichts Anderes als eine Einheitsregierung“, sagt er. „Das heißt, alle sind beteiligt an der Stadtregierung oder unterstützen diese durch eine Vereinbarung. Es gibt keine Kontrolle und keine Opposition“, kritisiert Neureiter. Vor fünf Jahren scheiterte NEOS knapp am Einzug in den Gemeinderat. Diesmal soll es klappen, so das Wahlziel.

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Plakat der SPÖ Wiener Neustadt
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Die SPÖ will Wiener Neustadt wieder zum aufblühen bringen, heißt es
Plakat der FPÖ  Wiener Neustadt
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Die FPÖ plakatiert Spitzenkandidat Michael Schnedlitz als „Herausforderer“
Plakat der ÖVP Wiener Neustadt
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Die ÖVP verfolgt das Ziel „erstmals Erster“ zu werden
Plakat der Grünen  Wiener Neustadt
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Die Grünen setzen vor allem auf das Thema Klimaschutz
Plakat der Liste Haberler  Wiener Neustadt
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Bei der Liste Haberler steht das Thema leistbares Wohnen an erster Stelle
Plakat der NEOS  Wiener Neustadt
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NEOS will als Kontrollkraft in den Gemeinderat einziehen

Verschiedene Vorstellungen über weitere Zusammenarbeit

Als „Erfolgsstory“ bezeichnet hingegen Wolfgang Haberler, der mit seiner Liste derzeit ein Mandat hält, die bunte Regierung. Er ist an dieser beteiligt. Man habe den Konkurs der Stadt verhindert und viele Dinge auf die Reihe gebracht, aber es fehle noch Einiges, zieht Haberler Bilanz: „Ich sehe das so, dass wir mit den bisherigen Partnern hervorragend zusammengearbeitet haben und wir sollten das auch fortsetzen für die nächste Periode, für Wiener Neustadt und seine Bevölkerung.“ Als Wahlziel nennt Haberler zwei Mandate.

Die Grünen haben diese zwei Mandate bereits. Auch sie waren in den vergangenen fünf Jahren Teil der bunten Stadtregierung, wenngleich Spitzenkandidatin Tanja Windbüchler-Souschill betont, dass es keine Zusammenarbeit zwischen den Grünen und der FPÖ gegeben habe, sondern nur eine Vereinbarung mit der ÖVP. „Wir haben den Bürgermeister deshalb gewählt, weil wir vereinbart haben, dass wir die Kontrolle übernehmen, und das haben wir getan“, so Windbüchler-Souschill. Nach der Wahl wünscht sie sich „eine echte Koalition mit den Grünen“. Der zukünftige Bürgermeister müsse sich entscheiden, „in welche Richtung es geht“.

FPÖ will herausfordern, die ÖVP „erstmals Erster“ werden

Die FPÖ ist derzeit mit fünf Mandaten drittstärkste Kraft in der Gemeinde. Spitzenkandidat Michael Schnedlitz, der auch designierter FPÖ-Generalsekretär ist, wird auf den Plakaten der Freiheitlichen als „Herausforderer“ bezeichnet. Er wäre bereit, die Verantwortung als Bürgermeister zu übernehmen, sagt er auf Nachfrage – „sonst dürfte man auch nicht kandidieren“. „Wir haben eine gute Arbeit geleistet. Die Menschen können sich entscheiden: Will man einen erfahrenen Klaus Schneeberger die nächsten Jahre haben oder will man bereits einem Jungen, Fleißigen, der Tag und Nacht arbeitet, seine Stimme geben.“

Sendungshinweis

„NÖ heute“, 24.1.2020

Ein hohes Ziel hat sich aber vor allem die ÖVP gesteckt, die derzeit 14 Mandate hat. Er wolle „erstmals Erster in dieser Stadt werden, um damit die Kraft zu haben, diese Stadt positiv weiter zu entwickeln“, sagt Spitzenkandidat und Bürgermeister Klaus Schneeberger. Die bunte Stadtregierung habe gezeigt, „es kommt auf die Menschen an“, so Schneeberger, der auch ÖVP-Klubobmann im Landtag ist. Man habe ein Vertrauensverhältnis aufgebaut und die Menschen hätten gespürt, „da arbeiten alle zusammen“. „Bunt ist erfolgreich. Bunt bringt diese Stadt weiter und vielleicht wird sie nach dieser Wahl noch bunter“, betont der Spitzenkandidat im Interview mit noe.ORF.at. Man habe die Stadt mit dem Risiko der finanziellen Situation übernommen, diese saniert und gleichzeitig weiter entwickelt, zieht Schneeberger Bilanz. Er gehe daher „sehr gelassen“ auf diesen Sonntag zu.

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Klaus Schneeberger
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Klaus Schneeberger, Spitzenkandidat der ÖVP
Margarete Sitz
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Margarete Sitz, Spitzenkandidatin der SPÖ
Michael Schnedlitz
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Michael Schnedlitz, Spitzenkandidat der FPÖ
Tanja Windbüchler-Souschill
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Tanja Windbüchler-Souschill, Spitzenkandidatin der Grünen
Wolfgang Haberler
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Wolfgang Haberler, Spitzenkandidat der Liste Haberler
Martin Neureiter
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Martin Neureiter, Spitzenkandidat von NEOS

Innenstadtgestaltung als Wahlkampfthema

Auch wenn das Rennen bis zum Schluss spannend bleibt, am Hauptplatz in Wiener Neustadt ist auch wenige Tage vor der Gemeinderatswahl von dieser nur wenig zu spüren. Die Innenstadt wurde offiziell zur „plakatfreien“ Zone erklärt. Das Thema Innenstadtgestaltung ist dennoch Wahlkampfthema – etwa bei der SPÖ. Die Entwicklung der Innenstadt sei „ohne Konzept und ohne Projektplan“ umgesetzt worden, kritisiert Spitzenkandidatin Sitz. Sie fordert einen „professionellen Citymanager“. Außerdem fordert die SPÖ auch „einen Jugendbeauftragten einzustellen und einen betreuten Jugendtreff zu etablieren“.

Als „Betonwüste“ bezeichnet NEOS-Spitzenkandidat Martin Neureiter den Hauptplatz. Dieser gehöre begrünt und umgestaltet. Außerdem fordert NEOS, dass die Zahl der Stadträte in Wiener Neustadt reduziert und „auf ein vernünftiges Maß“ gebracht wird. Das Wahlprogramm der Grünen dreht sich ebenfalls um die Hauptplatz-Gestaltung und den Klimaschutz. Wiener Neustadt könne „Klimavoreitergemeinde“ werden, sagt Spitzenkandidatin Windbüchler-Souschill, die ebenfalls eine Begrünung des Hauptplatzes sowie mehr Platz für Kinder und Familien statt Autos fordert. Wolfgang Haberler wiederum hat sich vor allem dem Thema Wohnen verschrieben. Für niedrige Mieten und niedrige Gebühren habe man bei den Gemeindewohnungen bereits vieles auf den Weg gebracht, sagt er. Das wolle man auch bei den Genossenschaften umsetzen.

Aus Sicht von FPÖ-Spitzenkandidat Michael Schnedlitz gehöre vor allem das Wohnen in der Stadt belebt. Das heißt, „Häuser aus der Stadtkraft selbst ankaufen, entwickeln und günstigen Wohnraum schaffen“, sagt er. Außerdem fordert Schnedlitz eine Ausweitung der Schutzzonen und eine Waffenverbotszone. Und ÖVP-Spitzenkandidat Klaus Schneeberger möchte vor allem „den Schwung, den die Landesausstellung ausgelöst hat, nutzen“. Ziel sei, die Stadt national und international zu positionieren. Mit dem Marienmarkt oder der Fachhochschule habe man bereits einige Akzente gesetzt, aber „wir sind noch lange nicht dort, wo wir hin wollen“, so Schneeberger. Wohin die Reise für Wiener Neustadt letztendlich geht, wird am Sonntag entschieden, wenn die Bürgerinnen und Bürger das Sagen haben.