Tabletten Medikamente
ORF.at/Zita Klimek
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GESUNDHEIT

Beipackzettel: „Erst verstehen, dann schlucken“

Für viele, die ein Medikament nehmen müssen, sind Beipackzettel ein rotes Tuch: die Nebenwirkungen sind ewig lang beschrieben und schon deshalb würden ihn viele einfach gar nicht lesen. Doch gerade vor der ersten Einnahme, sei es wichtig die Angaben zu verstehen, sagt Apothekerin Irina Schwabegger-Wager.

„Der Beipackzettel ist ja für viele ein Stiefkind – aber viel wichtiger als man glaubt und auch viel zu schade, als dass er gleich im Papierkorb landet. Neben dem Arzt und uns Apothekern gehört der Beipackzettel nämlich zu den wichtigsten Informationsquellen, die ich als Patient habe, um das Arzneimittel auch richtig anwenden zu können, und doch werfen leider viele entweder gar keinen oder nur einen flüchtigen Blick darauf. Seit 1976 ist es Pflicht, Gebrauchsinformationen zu Fertigarzneimitteln beizulegen und das Arzneimittelgesetz bestimmt, was drinnen stehen muss. Daher sollte ein Beipacktext immer vor der ersten Einnahme eines Medikamentes aufmerksam gelesen werden denn es gilt die Regel: Erst verstehen, dann schlucken“, sagt Apothekerin Irina Schwabegger-Wager.

Sendungshinweis

„Radio NÖ am Vormittag“, 21.7.2021

Es gäbe jedoch leider auch Gründe warum er dennoch nicht immer gelesen wird. „Beipackzettel sollten allgemein verständlich geschrieben und in gut lesbarer Schrift verfasst sein und wenn man sich das anschaut, dann sieht man gleich, dass es da Schwachstellen gibt: das fängt an beim Papier – sehr dünn – oft sehr schwer auseinander zu kriegen, auch die Schriftgröße, großes Problem für ältere Personen oder Sehschwäche. Ein Beipackzettel ist jetzt auch nicht unbedingt ein literarisch gut gelungenes Werk, eher im Gegenteil, oft ist er in sehr langen, verschachtelten Sätzen geschrieben, gespickt mit unzähligen Fachwörtern, oft bis zu zehn Prozent des gesamten Textes – das trägt alles zur Verunsicherung der Patienten bei und führt im schlimmsten Fall dazu, das der Patient eigenmächtig ein Medikament auf Grund der Packungsbeilage absetzt oder gar nicht erst eingenommen hat, daher bitte bei Unklarheiten sich unbedingt in der Apotheke beraten lassen, wo wir viele Fragen rasch und kompetent beantworten.“

Welche Angaben stehen drauf?

"Beipackzettel sind immer ident aufgebaut: in der Reihenfolge, der Kapitel und beginnen stets mit den Anwendungsgebieten. Hier steht, gegen welche Erkrankungen und Beschwerden das Arzneimittel eingenommen werden darf.

Warnhinweise: hier kann man lesen was man vor der Anwendung beachten muss, dazu zählen die Gegenanzeigen (KI), also Krankheiten, bei denen das Arzneimittel nicht eingenommen werden darf und die Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder auch Nahrungsmitteln sowie Hinweise zur Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit sowie Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit.

Anwendung: Infos über Dosierung und richtige Einnahme und Einnahmezeitpunkt, Nebenwirkungen gefolgt von Aufbewahrungshinweisen. Generell sollten Arzneimittel trocken, dunkel und bei Raumtemperatur aufbewahrt werden, handelt es sich bei dem Arzneimittel um eine Ausnahme, würde man das hier lesen können und am Ende weitere Infos über Aussehen und Zusammensetzung der Tablette, hier sind auch die Hilfsstoffe aufgelistet, was für Allergiker sehr wichtig ist sowie Angaben über den Hersteller."

Nebenwirkungen: „Jede medikamentöse Therapie kann auch neben der erwünschten Wirkung unerwünschte Wirkungen haben, denn eine absolute Sicherheit beim Einsatz von Medikamenten kann es nie geben. Daher sind Nutzen und Risiko immer gut gegeneinander abzuwägen. Die Hersteller müssen alle bekannten Nebenwirkungen in der Gebrauchsinformation anführen und in der Häufigkeit nach einer vorgegebenen Tabelle reihen. Daher ist die Liste meistens sehr lang, das bedeutet aber keinesfalls, dass man sie alle bekommt, wenn man das Medikament einnimmt. Diese Reihung reicht von ‚sehr häufig‘ (= ein oder mehr von zehn Anwendern) spüren diese Nebenwirkung über ‚häufig‘ – ‚gelegentlich‘ – ‚selten‘ bis hin zu ‚sehr selten‘ (diese tritt bei weniger als ein von 10.000 Anwendern auf). Diese unterschiedliche Häufigkeit kommt einfach daher, dass jeder Mensch einzigartig ist und daher auch sehr individuell unterschiedlich auf Arzneimittel reagieren kann.“

Verschiedene Tablette, Pillen, Tabletten Sujet
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Hinweise zu Anwendungen, Neben- oder Wechselwirkungen – all das und noch mehr liest man im jeweiligen Beipackzettel

Unterschied Nebenwirkung und Wechselwirkung

Auch sei es nicht immer einfach, einen Beipacktext richtig zu interpretieren. „Oft werden Nebenwirkungen mit Wechselwirkungen beispielsweise verwechselt. Nebenwirkungen sind Beschwerden, die zusätzlich zur Hauptwirkung eines Arzneimittels auftreten können, sowohl nach vorschriftsmäßigem als auch nach nicht vorschriftsmäßigem Gebrauch. Wechselwirkungen hingegen sind gegenseitige Beeinflussungen von zwei oder mehr Arzneimitteln oder auch mit einem Nahrungsmittel. Manchmal werden auch Beschwerden einem Präparat zugeschrieben und später stellt sich heraus, dass etwas ganz anderes dafür verantwortlich war. Fakt ist jedoch, das 55 Prozent aller Nebenwirkungen vermieden werden könnten, wenn das Arzneimittel richtig eingenommen wird. Da stehen wir mit einer guten Beratung zur Stelle“, so Schwabegger-Wager.

Eine häufige Frage ist auch: Jetzt stehen im Beipackzettel bekannte Nebenwirkungen – gibt es auch unbekannte und was mache ich als Patient, wenn ich davon betroffen bin? „Jedes Arzneimittel muss geprüft und zugelassen sein, bevor es auf den Markt kommt, und man kann davon ausgehen, dass es sorgfältigst geprüft wurde und wirksam und sicher ist. Jedoch können sehr seltene oder unbekannte Nebenwirkungen auch nach dem Zeitpunkt der Zulassung auftreten, weil es etwa drei Millionen Patienten braucht, die ein Arzneimittel anwenden, damit eine Nebenwirkung, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:1 Million auftritt, auch bekannt und beschrieben werden kann – so große Studien würden wir uns wünschen, aber die sind unrealistisch. Daher werden neue Medikamente auch dann noch weiter beobachtet, wenn sie bereits auf dem Markt sind und es braucht unbedingt Nebenwirkungen; Meldungen von Patienten und Fachpersonal, um die Arzneimittelsicherheit immer weiter zu erhöhen.“

Wie meldet man eine Nebenwirkung?

„Wenn ein Patient eine Nebenwirkung bemerkt oder der Verdacht auf eine Nebenwirkung besteht, vor allem wenn diese unbekannt sind , wenn sie schwerwiegend sind oder bei neuen Arzneimitteln auftreten, dann nimmt er am besten Kontakt mit seinem Arzt oder seiner Apothekerin auf – Angehörige von Gesundheitsberufen sind zur Meldung verpflichtet, aber auch Patienten und Angehörige selbst haben ebenfalls die Möglichkeit, eine Meldung abzugeben.“