Allerheiligenstriezel
Kulinarium

Allerheiligenstriezel, wie ihn die Oma machte

„Ein flaumiger Striezel, noch lauwarm mit zarter Kruste, ein herrlicher Genuss“, so schwärmt Radio-NÖ-Köchin Andrea Karrer vom Allerheiligenstriezel, wie ihn ihre Großmutter gemacht hat. „Zart mit Butter bestrichen, und dann selbst gemachte Marmelade obendrauf.“

Der Allerheiligenstriezel galt früher als Armenbrot, das zu Allerheiligen (1. November) und Allerseelen (2. November) als Gebäck stellvertretend für die Verstorbenen an Kinder und Arme verteilt wurde, mit dem Auftrag für die Toten zu beten.
In manchen Gegenden wurden Allerheiligenstriezel auch auf Gräber gelegt und sollten als Verpflegung für die in der Nacht von Allerheiligen auf Allerseelen auf die Welt zurückkehrenden Verstorbenen dienen.

Allerheiligen war früher in vielen Regionen der „Godntag“, an dem Patentante oder Patenonkel zu Besuch kamen und dem Patenkind als Geschenk einen Allerheiligenstriezel mitbrachten, der an die Verbindung zwischen Leben und Tod, Heiligen und Nichtheiligen sowie Anfang und Ende erinnern sollte. Vielfach wurde in das Gebäck eine Silbermünze eingebacken. In Teilen Österreichs ist es auch heute noch Brauch, dass der Taufpate bis zur Firmung zu Allerheiligen ein Patengeschenk (Godnsach) bringt.

Was die Germ bewirkt

Germ wird oft auch Backhefe genannt. Das Wort Germ stammt aus dem Mittelhochdeutschen: Gerwen steht für gären. Prinzipiell gilt: Die Triebfedern jedes Germteigs sind einzellige Pilze, die Stärke in vergärbaren Zucker aufspalten. Dieser wird wiederum zu Alkohol und Kohlensäure abgebaut. Letztere bildet Bläschen im Teig, weil durch das Mehl die Luft nicht entweichen kann. Hat die Germ genügend Sauerstoff und gute Temperaturbedingungen, so geht der Teig auf. Der entstandene Alkohol verdampft beim Backprozess.

Sendungshinweis

„Radio NÖ am Vormittag“, 30.10.2021

Alle Zutaten für den Germteig – auch die Germ – sollten zimmerwarm sein. Idealerweise geht der Germteig bei 25 bis 35 Grad Celsius an einem nicht zugigen Ort. Bei geringeren Temperaturen verlangsamt sich der Prozess, ab circa 40 Grad Celsius beginnen die Hefepilze abzusterben.

Trockengerm oder frische Germ? Frische Germ verliert ihre Triebkraft nach etwa zwei Wochen, schmeckt aber besser und macht den Teig feinporiger. Ein Germwürfel wiegt 42 Gramm und reicht bei einem leichten Germteig (wenig Fett und Zucker, keine schweren Zutaten wie Nüsse oder Früchte) für ein Kilogramm Mehl. Eine Packung Trockengerm mit sieben Gramm entspricht einem halben Würfel Germ (21 g) Trockengerm ist länger haltbar und erspart den Vorteig (Dampfl).

So bereitet man ein Dampfl zu: Der Vorteig, das sogenannte Dampfl, ist nötig, um bei frischer Germ die Triebfunktion optimal einzuleiten. Das Dampfl wird aus einem Drittel der lauwarmen Flüssigkeit für den Germteig, etwas Zucker, einem Esslöffel Mehl und der Germ gerührt, mit Mehl bestaubt und dann zugedeckt, um an einem warmen Ort aufzugehen. Hat das Dampfl sein doppeltes Volumen erreicht und wirft es Blasen, ist es fertig. Wichtig: Salz, Fett und Eier haben im Dampfl nichts verloren, sie hemmen den Gärprozess.

Die richtige Milch-Mehl-Mischung: Für Geschmeidigkeit braucht der Teig Flüssigkeit, meist im Verhältnis 1:2 zum Mehl. Für einen weicheren Teig darf es auch mehr sein. Die Flüssigkeit kann zimmerwarmes Wasser, Bier oder Milch sein. Nimmt man Milch, dann am besten abgekocht und ausgekühlt (keinesfalls wärmer als 40 Grad Celsius). Das glatte Mehl muss eine gute Kleberfähigkeit haben, da kommen Weizen, Dinkel, Buchweizen oder Gerste infrage.

Vorsicht bei Eiern! Je nachdem, ob der Teig für einen Flammkuchen oder einen Striezel bestimmt ist, kommen auch Eidotter in den Teig – je mehr, umso feinporiger und aromatischer wird er. Die Farbe wird schöner und das Gebäck saftiger. Da Eiklar den Teig trocken macht, sollte man immer nur Dotter verwenden. Eine Ausnahme sind schwere Germteige mit Früchten oder Nüssen. Sonstige Bestandteile eines Germteigs können Zucker und wohl dosiertes Fett (meist Butter) sein. Ein wenig Fett macht den Teig elastisch und das Gebäck saftig, zu viel bremst die Tätigkeit der Germ.

Striezel
pixabay

Immer schön kneten! Ist das Dampfl aufgegangen, wird es mit anderen Zutaten kräftig verknetet bzw. geschlagen – mindestens fünf, besser zehn Minuten lang. Das geht am besten mit der Hand, wenn man den Teig im Kreis immer wieder zusammenklappt und flach drückt oder mit dem Knethaken der Küchenmaschine bzw. Handrührgerätes. Auch nach dem Aufgehen schlägt man den Teig wieder zusammen und arbeitet so Sauerstoff ein. Dadurch bekommt die Germ frische Nahrung. Drückt man mit dem Finger eine Mulde in den Teig und schließt sich diese sofort wieder, wurde der Teig genug geknetet.

Kann man Germteig auch im Kühlschrank gehen lassen? Frisches Germgebäck zum Frühstück? Kein Problem: Das Aufgehen des Germteigs kann auch im Kühlschrank über Nacht erfolgen. Der Teig geht dann langsam auf, wird feinporiger und kommt auch mit weniger Germ aus. Er sollte allerdings nicht zu lange (maximal zwölf Stunden) stehen bleiben.

Was tun, wenn der Germteig zusammenfällt? Wenn der Teig in sich zusammensinkt und nicht mehr geschmeidig und luftig ist, dann ist er zu lange gegangen, also übergangen oder es war zu heiß. Dabei geht der Teig zwar schnell auf, fällt dann aber bald zusammen. Da kann man leider nichts mehr retten. Das bedeutet: zurück zum Start

Großmutters Allerheiligenstriezel

Zutaten für einen Striezel (1,2 kg)

  • 30 g frische Germ
  • 700 g (halb griffiges, halb glattes Mehl)
  • 1/4 l Schlagobers
  • 100 g Staubzucker
  • 120 g Butter
  • 1 Vanilleschote
  • 4 Dotter, 1 Ei
  • 5 g Salz, 1 TL Anis
  • 1 kleines Stamperl Rum
  • 2 EL Zitronensaft
  • Mehl (griffig) zum Ausarbeiten
  • Backpapier für das Backblech
  • Dotter zum Bestreichen
  • gehackte, geröstete Haselnüsse und Hagelzucker zum Bestreuen

Zubereitung: Die Germ im lauwarmen Obers auflösen und mit etwa einem Drittel des gesiebten Mehles zu einem weichen Vorteig verrühren; an der Oberfläche mit Mehl bestauben und an einem warmen Ort gehen lassen; die Vanilleschote der Länge nach aufschneiden und das Mark mit einem scharfen Messer herausschaben.

Die Butter bei Zimmertemperatur erweichen lassen; wenn das Dampfl an der Oberfläche grobe Risse zeigt mit dem restlichen Mehl, den Dottern, dem Ei, der Butter und allen restlichen Zutaten, Aromen und Gewürzen – am besten mit den Knethaken des Handrührgerätes – zu einem glatten, geschmeidigen, nicht zu festen Teig verkneten; den Teig an einem warmen Ort mindestens 20 Minuten gehen lassen.

Den Teig auf bemehlter Arbeitsfläche in drei Teile teilen und zu Kugeln formen; die Teigkugeln an einem warmen Ort zugedeckt eine halbe Stunde gehen lassen; sodann jeweils zu Strängen mit spitz zulaufenden Enden formen; die Stränge zu einem Zopf flechten; die Teigenden einschlagen; den Striezel auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech setzen; mit versprudeltem Dotter bestreichen und nochmals gehen lassen; danach wieder mit Dotter bestreichen, mit Haselnüssen und Hagelzucker bestreuen und im vorgeheizten Rohr bei 180 Grad Celsius etwa 50 Minuten backen; auf dem Blech erkalten lassen und erst nach mindestens zwei Stunden in Portionen teilen.