100 Jahre NÖ 1922 Explosion Blumau Pulverfabrik
Privat/Roland Skubal
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„100 Jahre Niederösterreich“

1922: 24 Tote nach Explosion in Pulverfabrik

Die Pulverfabrik Blumau (Bezirk Baden) gilt als erste staatliche Munitionsfabrik in Österreich. Am 25. Mai 1922 kam es in der Fabrik zu einer verheerenden Explosion. 24 Menschen verloren dabei ihr Leben. Das Unglück hätte aber verhindert werden können.

„Das Unglück von Blumau, schwere Anklagen, auch heute noch eine Gefahr für die ganze Umgebung“, titelte die Arbeiter-Zeitung drei Tage nach dem schweren Unglück. Denn die „ganze Wirkung der Katastrophe“ ist damals erst Stück für Stück sichtbar geworden, ebenso die Ursache für die Explosion.

Mitten in der Nacht zum 25. Mai brach in der „Betriebsinspektion I“ der Dynamit- und Dynammonfabrik ein Brand aus. Die Arbeiter unternahmen erste Löschversuche, zudem wurde per elektrischer Fernmeldeanlage die Berufsfeuerwehr Blumau alarmiert. Doch in den Hydranten war der Wasserdruck zu gering, einige Schläuche waren zu kurz. Notdürftig wurden deshalb vom Löschteich Leitungen gelegt.

Druckwelle traf Einsatzkräfte mit voller Wucht

Doch während der Arbeit kam es zur Explosion, wenig später folgten zwei weitere, viel heftigere Erschütterungen. „Drei Kameraden waren auf der Stelle tot, der Kommandant verstarb kurz darauf. Die Aufbauten der Autospritze sowie des Rettungswagens wurden durch die Explosion zerfetzt, die restliche Mannschaft lag verletzt unter den Trümmern“, hieß es im damaligen Einsatzbericht der Feuerwehr.

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Die Explosion am 25. Mai 1922 löste eine gewaltige Druckwelle aus
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Die unmittelbare Umgebung wurde komplett zerstört
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FF Blumau-Neurißhof
Aber auch Häuser und Industriegebäude hunderte Meter entfernt wurden schwer beschädigt
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Das wahre Ausmaß der Katastrophe wurde erst allmählich sichtbar
100 Jahre NÖ 1922 Explosion Blumau Pulverfabrik
FF Blumau-Neurißhof
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FF Blumau-Neurißhof
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FF Blumau-Neurißhof
Die Einsatz- und Rettungswägen der Feuerwehr wurden schwer beschädigt
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FF Blumau-Neurißhof
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FF Blumau-Neurißhof

Die Druckwelle zerstörte zudem unzählige Industriegebäude, Häuser und Baracken, die sogar hunderte Meter vom Unglücksort entfernt waren, erzählt Gemeindehistoriker Roland Skubal: „Die Erschütterung haben sie bis nach Wien gespürt, daran kann sich meine Urgroßmutter bis heute noch erinnern.“

30.000 Kilogramm Dynamit

Erst mithilfe der Wiener Berufsfeuerwehr, die sich ihren Einsatz in Niederösterreich erst vom Bürgermeister bestätigen lassen musste, sowie der umliegenden Feuerwehren konnte der Brand und somit Schlimmeres verhindert werden. Immerhin waren auf dem Gelände an die 30.000 Kilogramm Dynamit sowie 8.000 Kilogramm Nitroglyzerin gelagert worden.

Sendungshinweis

„Radio NÖ am Nachmittag“, 3.1.2022

Wäre der Brand nicht rechtzeitig eingedämmt worden, „hätte die Wirkung dieser Explosion sicher bis nach Wiener Neustadt und Baden gereicht“, hieß es in der Arbeiter-Zeitung weiter. In den umliegenden Orten hätte es zudem weitere „Menschenopfer“ gegeben.

Dabei sei die Pulverfabrik, in der während des Ersten Weltkrieges noch mehr als 30.000 Menschen gearbeitet hatten, sicherheitstechnisch auf dem modernsten Stand gewesen, sagt Jürgen Scheifinger von der Feuerwehr Blumau-Neurißhof: „Es gab eine Berufsfeuerwehr, drei Motorspritzen, und alle 50 Meter war ein Hydrant errichtet. In der Kriegszeit hat man aus dem Vollen geschöpft und darauf geachtet.“

Sparmaßnahmen bei Sicherheit

In der Zwischenkriegszeit wurde bei den Sicherheitseinrichtungen für die Mitarbeiter zunehmend gespart, wodurch es laufend zu Brand- und Explosionsunglücken mit Schwerverletzten und Toten kam. „Das Wasser wurde von den Bewohnern oft auch zum Gießen verwendet, das wollte man verhindern, indem man den Wasserdruck reduziert oder ganz abgedreht hat. Und auch bei der Wartung hat man nachgelassen“, erzählt Scheifinger, „sonst wäre das ein Standardeinsatz gewesen und es wäre nichts passiert.“

Nach der Explosion wurden nur noch Teile des Werks verwendet, sagt Skubal, etwa die Sektoren Pulver- und Sprengstoffproduktion für die Belieferung des neuerstandenen Bundesheeres der Ersten Republik. Die anderen Gebäude und Einrichtungen des riesigen Werksgeländes wurde weiter instandgehalten. Während des Zweiten Weltkrieges wurden diese zwar wieder aktiviert, danach aber endgültig stillgelegt.

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Roland Skubal
Teile der ehemaligen Fabrikshallen sind bis heute erhalten
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Das größte Areal bildet jedoch als verwachsene Industrielandschaft ein Trümmerfeld …
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… und dient dem Bundesheer als Übungsgelände
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Dieses Gelände ist zwar Sperrgebiet …
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Roland Skubal
… auf den angelegten Wegen können die Reste jedoch besichtigt werden
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Roland Skubal
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Seither ist auf dem Gelände die Gemeinde Blumau-Neurißhof entstanden. Einige Grundflächen wurden für den Siedlungsbau freigegeben. Das größte Areal bildet jedoch als verwachsene Industrielandschaft ein Trümmerfeld und dient dem Bundesheer als Übungsgelände. Dieses Gelände ist zwar Sperrgebiet, ergänzt Skubal, auf den angelegten Wegen können die Überreste jedoch besichtigt werden.

Zentrum der Munitionsproduktion

Errichtet wurden die ersten Anlagen bereits im 19. Jahrhundert. Die Heeresverwaltung kaufte 1890 das Gut Blumau-Neurißhof und errichtete auf 340 Hektar eine Pulverfabrik. Gleichzeitig baute die Dynamit Nobel AG in unmittelbarer Nähe eine Werksanlage zur Erzeugung von Nitrozellulose, die später als „Betriebsinspektion II“ in die Pulverfabrik eingegliedert wurde. 1894 wurde das Werk um eine Nitroglycerinfabrik und 1897 um eine Salpetersäurefabrik erweitert.

Die Anlagen in Blumau wurden laufend erweitert und bestanden mit Ende des Ersten Weltkrieges aus sieben Betriebsinspektionen (Werken). Die Erzeugnisse der Pulverfabrik gingen an die Munitionsfabriken in Wöllersdorf, Enzesfeld, Hirtenberg, Felixdorf, Lichtenwörth, Sollenau und Leobersdorf. Diese Betriebe bildeten im Ersten Weltkrieg das Zentrum der Munitions- und Sprengstoffrüstung der Donaumonarchie.