Josef Hirnschall
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„Menschen im Blickpunkt“

Das Waldviertel lässt „Canada Joe“ nicht los

Nach dem Zweiten Weltkrieg wanderten Tausende Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher aus. Josef Hirnschall zog es in den 70er-Jahren von Windigsteig nach Kanada. Dort lebt er „Teilzeit“, denn er ist seiner Heimat als „Canada Joe“ treu geblieben.

Der Eiserne Vorhang und die tristen Aussichten im Grenzgebiet bewogen Josef Hirnschall vor 43 Jahren zum Auswandern. In Kanada baute er eine Rinderfarm auf. 1.000 Hektar Land gehören dort ihm, die Hälfte davon ist Wald. Aber im Unterschied zu den meisten anderen Auswanderern überwintert er jedes Jahr mit seiner Frau Elfriede in ihrem gemeinsamen Haus in der alten Heimat in Windigsteig (Bezirk Waidhofen an der Thaya).

Das Waldviertel lässt ihn nicht los, sagt der knapp 80-Jährige: „Es ist schon sehr ähnlich. Ich bezeichne es für mich immer als mein ‚little Canada‘. Ich habe schon verfügt, dass, wenn ich einmal sterbe, meine Asche zu gleichen Teilen nach Österreich und nach Kanada kommt.“

Nicht ohne Österreich, nicht ohne Kanada

In einigen Wochen fliegt er wieder nach Übersee und bleibt dort über den Sommer: „Ich könnte ohne Österreich nicht leben und ohne Kanada kann ich auch nicht leben. Die Republik Österreich hat mir das Privileg erteilt, dass ich Kanadier werden durfte und Österreicher bleiben konnte.“

Fotostrecke mit 3 Bildern

Farm in Kanada
Josef Hirnschall
Das Zuhause in Kanada
Farm in Kanada
Josef Hirnschall
1.000 Hektar Land gehören Josef Hirnschall in Kanada
Josef Hirnschall und seine Frau
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Josef Hirnschall und seine Frau sind „Teilzeit"-Waldviertler

Kosmopolit ohne Handy und Internet

In Windigsteig wohnt er in dem Haus, das er in den 60er-Jahren gebaut hat. Samt einem selbst gegrabenen Brunnen, der Schauplatz eines Rituals ist: „Immer wenn ich in Österreich bin, egal ob es Schnee und Minusgrade gibt, gehe ich zu diesem Brunnen, schöpfe Wasser und wasche mich hier im Freien. Natürlich nackt, wie es sich gehört. Das zelebriere ich jeden Tag.“

Wenn er in Österreich ist, hält er über seine Geschichte und seine Erlebnisse in Kanada Vorträge in Schulen und auf Bühnen. Auch Begegnungen mit den Ureinwohnern aus der Nachbarschaft gehören zu diesen Geschichten. Oder er rezitiert Strophen von Gedichten – dank eines „fast“ fotografischen Gedächtnisses, wie er es bezeichnet. Technische Hilfsmittel hat er nicht: „Ich habe kein Handy und auch kein Internet. Ich lebe in der Steinzeit, aber ich habe Gott sei Dank viele Freunde, die mich auch so finden. Auch den Jungen gefällt’s – weil ich eben anders bin.“

Sendungshinweis

„NÖ heute“, 8.5.2022

Erschreckende Parallelen

Und reden konnte er immer schon gut, das beweist eine Medaille für den Redewettbewerb der österreichischen Liga der Vereinten Nationen, den der damals 18-Jährige 1961 gewann. Den Preis überreichte ihm in Genf der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Schwede Dag Hammarskjöld. In seiner Rede ging es darum, warum der Zweite Weltkrieg nicht verhindert werden konnte.

Und jetzt sieht Josef Hirnschall mit dem Ukraine-Krieg erschreckende Parallelen zum Zweiten Weltkrieg und zur Zeit des Kalten Krieges. Für sich aber hat er Frieden gefunden: „Ich habe Gott sei Dank alles so in meinem Leben gestaltet, wie ich es wollte, und dafür bin ich sehr, sehr dankbar.“