Unterzeichnung Gaslieferverträge 1968
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„100 Jahre NÖ“

Als Österreich von Moskau abhängig wurde

Im August 1968 greift die sowjetische Führung in der Tschechoslowakei hart durch: Der „Prager Frühling“ wird mit Panzern niedergerollt. Österreich reagiert zurückhaltend – auch, weil wenige Tage später erstmals sowjetisches Erdgas in Baumgarten ankommt.

Termine beim Bundespräsidenten und Bundeskanzler, höchste Sicherheitsvorkehrungen in der abgesperrten Wiener Innenstadt, Tausende Schaulustige. Die offizielle Republik gab sich für diesen Staatsbesuch am 5. Juni 2018 so viel Mühe wie bei kaum einem anderen. Seit Tagen hatte nur ein Thema die Medien dominiert: Auf der einen Seite Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), auf der anderen Russlands Präsident Wladimir Putin.

Anlass für den besonderen Staatsbesuch war ein besonderes Jubiläum, denn 50 Jahre zuvor hatte diese Beziehung ihren Anfang genommen, zumindest aus wirtschaftlicher Sicht. Damals, im Juni 1968, hatte Österreich seinen ersten Gasliefervertrag mit der Sowjetunion geschlossen – als erstes westliches Land überhaupt. Mehr noch: An diesem Tag hatte die Energieabhängigkeit halb Europas von Moskau ihren Ausgang genommen.

Österreich als „Schlüsselland“ für Moskau

Ein halbes Jahrhundert später sprach Van der Bellen in seiner Rede von einer „Zusammenarbeit, die über die Jahrzehnte ausgezeichnet und für beide Teile zufriedenstellend funktioniert hat“. Sein Amtskollege Putin bezeichnete Österreich als „Schlüsselland“ für die westeuropäische Energieversorgung: „Das Jubiläum symbolisiert die vorteilhafte Zusammenarbeit, die sich bewährt hat, und die Zusammenarbeit wollen unsere beiden Länder auch in der Zukunft stärken.“ Konkret mit einem neuerlichen Liefervertrag der OMV mit der russischen Gazprom. Eine langfristige Entscheidung, denn gelten sollte er bis ins Jahr 2040.

Unterzeichnung von Gaslieferverträgen 2018
APA/OMV
Gazprom-Chef Alexei Miller und der damalige OMV-Vorstandsvorsitzender Rainer Seele unterschreiben im Vordergrund den Vertrag, Russlands Präsident Putin und sein damaliger österreichischer Amtskollege Sebastian Kurz feiern im Hintergrund mit (v.l.)

Doch wie kam jener folgenreiche Vertrag 1968 zustande – in einer Zeit, in der die Welt für die meisten Menschen am Eisernen Vorhang endete? Die Wurzeln dafür sind Anfang der 1960er zu finden. Seine Energie bekam Österreich damals in erster Linie durch Kohleimporte. Die Sowjetunion spielte energietechnisch keine Rolle – dorthin wurde vielmehr exportiert. Konkret hatten die Sowjets von Österreich als Teil des Staatsvertrags 1955 zehn Millionen Tonnen Rohöl gefordert, eine Art Reparationszahlung, die binnen zehn Jahren zu leisten sein würde.

Gaslaterne Wien
wikimedia commons
Laternen wurden meist mit Stadt- bzw. Leuchtgas betrieben

Erdgas spielte bis zu diesem Zeitpunkt eine untergeordnete Rolle. Zum Teil entstand es als Nebenprodukt bei der Erdölgewinnung, meist kam aber lediglich „Stadtgas“ zum Einsatz. Diese Form wurde aus Kohlevergasung gewonnen und vor allem bei der Beleuchtung eingesetzt – allerdings war sie vergleichsweise ineffizient und aufgrund ihrer Giftigkeit auch gefährlich.

Der Run auf das Erdgas

Die Aufschwungsjahre nach dem Krieg brachten dieses System an seine Grenzen. Insbesondere Industrieunternehmen wie der Stahlkonzern Voest erkannten das große Potential von Erdgas. Für Energiekonzerne wurden Gaskraftwerke für Wärme und Strom zunehmend interessant – und auch private Haushalte begannen, mit Erdgas zu heizen. Das alles sorgte für einen bisher nicht gekannten Energiebedarf, nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa.

Die OMV betrieb zwar im Marchfeld neben Ölfeldern auch Gasförderung, doch für das erhoffte Wirtschaftswunder würde diese Inlandsproduktion bei weitem nicht reichen. Verantwortliche der Politik und der staatlichen und staatsnahen Betriebe erkannten, dass Österreichs Wirtschaftsmotor ohne zusätzliches Erdgas abzusterben drohte.

Algerien, Libyen oder die UdSSR?

Deshalb wurden ab 1960 alle Möglichkeiten eines Imports geprüft. Als Optionen wurden Vorkommen in Algerien, Libyen, Kuwait und Saudi-Arabien sowie in den Niederlanden eingestuft – und ab 1964 in zunehmendem Ausmaß jene in der Sowjetunion, wie Marie-Louise Skolud schreibt. Sie hat für ihre Diplomarbeit zum ersten Gasliefervertrag historische Quellen aus dem EVN-Archiv ausgewertet.

Viele Hürden erschwerten in den 1960ern die Verhandlungen: neben den technischen Herausforderung eines Pipelinebaus insbesondere politische Umwälzungen. So befreite sich Algerien in diesen Jahren in einem blutigen Unabhängigkeitskrieg von der französischen Kolonialherrschaft. Gleichzeitig lieferten sich in Österreich die staatliche Mineralölverwaltung (ÖMV) und die Energiegesellschaften der Bundesländer einen Machtkampf, der die Gespräche über einen Import weiter verzögerte.

Kurs auf österreichische Gaskrise

Jährlich 1,7 Milliarden Kubikmeter Erdgas förderte die ÖMV 1964 in Österreich – allerdings konnte diese Produktion laut ÖMV-Generaldirektor Fritz Hoynigg ohne neue Aufschlüsse „nur noch drei bis vier Jahre aufrecht erhalten werden“. 1966 war die Lage bereits so dramatisch, dass ein kurzfristiger – und damit teurer – Liefervertrag mit der Tschechoslowakei abgeschlossen werden musste, um eine akute Gaskrise zu verhindern.

Trotz neuer Aufschlüsse blieb die Inlandsförderung langfristig rückläufig, bestätigte Rudolf Schaffer, der Pressechef der ÖMV, im Jänner 1968. Damals waren die Verhandlungen mit der Sowjetunion auf ihrem Höhepunkt angelangt, „sehr dringend“ benötige man Erdgas von außerhalb. Ernsthafte Alternativen zum sowjetischen Gas gab es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, alle anderen Verhandlungen waren in einer Sackgasse angelangt.

Hoffnungen auf 50 Prozent Erdgas aus dem Osten

Die Hoffnungen in die Lieferungen aus dem Osten waren enorm – zumindest für damalige Verhältnisse. „Bisher war der inländische Verbrauch zwangsläufig durch die Inlandsförderung begrenzt. Wenn genügend Importgas zur Verfügung steht, wird der Verbrauch steigen“, so Schaffer, „und es kann zu einem späteren Zeitpunkt sein, dass er etwa zu gleichen Teilen aus der Inlandsförderung und dem Import gedeckt wird“. Zum Vergleich: Heute werden etwa 80 Prozent aus Russland importiert, zehn Prozent aus anderen Ländern und nur weitere zehn Prozent kommen aus heimischer Produktion

Verhandlungen mit der Sowjetunion

Die ORF-„Zeit im Bild“ befragte im Jänner 1968 den Pressechef der ÖMV zum Stand der Erdgasverhandlungen.

Die Initiative für den Vertrag mit den Sowjets war 1964 von Österreich ausgegangen. Das Land hatte schon in den Jahren zuvor für westliche Verhältnisse gute Beziehungen zur UdSSR gepflegt. In der Entspannungsphase nach der Kubakrise 1962 sah man die Zeit für weitere Schritte gekommen. Die Kontaktaufnahme gestaltete sich allerdings schwierig, erst vier Jahre später waren die Sowjets zu ernsthaften Verhandlungen bereit.

Sendungshinweis

„Radio NÖ am Nachmittag“, 13.6.2022

Das totalitäre sozialistische Regime hatte nun die enormen Möglichkeiten erkannt, die ein Vertrag mit Österreich bieten würde – zum einen als Türöffner in andere westliche Staaten, zum anderen auch, um die eigene Infrastruktur zu verbessern. Deshalb bemühte man sich, die österreichische Stahlindustrie mit an Bord zu holen. Sie sollte die Rohre für sibirische Pipeline-Projekte zur Verfügung stellen.

1. Juni 1968 als Meilenstein

Tatsächlich kam es im Frühjahr 1968 zur Einigung, am 1. Juni wurde in den Wiener Räumlichkeiten der ÖMV der erste Gasliefervertrag fixiert. Die Voest verpflichtete sich, Bleche für 520.000 Tonnen Rohre zu liefern. Nun seien Beschränkungen bei der Gaslieferung an Verbraucher vom Tisch, sagte ÖMV-Generaldirektor Ludwig Bauer damals zur APA. Die Laufzeit des Vertrags: 23 Jahre – „doch wird seine Bedeutung für die österreichische Wirtschaft weit über diesen Zeitraum hinausreichen“, prognostizierte er.

Unterzeichnung Gaslieferverträge 1968
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Die Unterzeichnung am 1. Juni 1968 in Wien: Im Hintergrund ist Margarethe Ottillinger zu erkennen. Sie war während der Besatzungszeit von den Sowjets entführt und jahrelang im Gulag inhaftiert worden – bei den Gasverhandlungen profitierte die ÖMV von den Russischkenntnissen ihrer Vorständin.

Nach jahrelangen Streitigkeiten zwischen der ÖMV und den Landesenergiegesellschaften wie der niederösterreichischen NIOGAS hatte man sich auf folgende Lösung geeinigt: Als Importeur an der Grenze sollte ausschließlich die ÖMV auftreten, sie war damit alleinige Vertragspartnerin der Sowjets. Den Energieversorgern der Länder, die das Gas an die Endkunden lieferten, wurden identische Konditionen zugesichert.

Der wohl größte Vorteil der Lieferungen aus dem Osten waren die geringen Investitionskosten. Die UdSSR hatte bereits 1964 eine „Bruderschaftspipeline für Erdgas“ in ihre Satellitenstaaten gebaut. Bis nach Österreich, konkret nach Baumgarten an der March (Bezirk Gänserndorf), waren von Bratislava aus nur wenige Kilometer zu überwinden.

Binnen drei Monaten sollten alle Arbeiten abgeschlossen sein, das erste Erdgas aus dem Osten sollte bereits im September in Niederösterreich ankommen. Die langfristige Vertragsdauer sah man als Gewinn an – die Vertragsklauseln, die auch im Kriegsfall keine Ausstiegsmöglichkeiten vorsahen, ebenfalls.

Sowjetische Panzer im Nachbarland

Genau das sollte wenige Wochen später tatsächlich eine gewichtige Rolle spielen; zwar nicht in Österreich, aber in einem Nachbarland. Die Tschechoslowakei (CSSR) hatte sich über Jahre hinweg politisch immer weiter von der sozialistischen „Schutzmacht“ UdSSR entfernt. Sie hatte unter dem Kommunisten Alexander Dubcek Reformen wie die Abschaffung der Zensur verabschiedet und Öffnungsschritte gesetzt. Am 21. August schritten die Truppen des Warschauer Pakts ein, Panzer rollten durch Prag und Bratislava.

Die Folgen für das Nachbarland Österreich waren dramatisch. Das Bundesheer warnte die Regierung bereits früh vor 150.000 bis 200.000 Flüchtlingen – tatsächlich sollten es bis 1969 mehr als 210.000 werden, wie Historikerin Silke Stern in ihrem Artikel „Die tschechoslowakische Emigration: Österreich als Erstaufnahme- und Asylland“ festhält. Außerdem kam es entlang des Eisernen Vorhangs zu etlichen Grenzverletzungen durch Soldaten des Warschauer Pakts.

Keine Verurteilung der Invasion

Trotz dieser enormen Auswirkungen blieben die Reaktionen der österreichischen Staatsspitze auf die Invasion sehr verhalten, schreibt Peter Ruggenthaler in seinem Text „Der Neutralität verpflichtet: die sowjetisch-österreichischen Beziehungen 1968“. Bundeskanzler Josef Klaus (ÖVP) verurteilte den Einmarsch in die Tschechoslowakei nicht. Das „Schicksal anderer Länder und Völker“ sei Österreich nicht gleichgültig, allerdings verhalte man sich strikt neutral. Die Bundesregierung nahm die Erklärung des sowjetischen Botschafters hin, dass es sich um eine interne Angelegenheit handle. Moskau habe lediglich auf einen kommunistischen Hilferuf aus Prag reagiert, so die offizielle Version.

Niederschlagung des Prager Frühlings 1968
wikimedia commons/Reijo Nikkilä
Brennender sowjetischer Panzer in den Straßen von Prag

Auch gegen die wiederholten Grenzverletzungen durch sowjetische Kampfjets legte Wien keinen diplomatischen Protest ein. Man wies Moskau nur darauf hin und bat die Sowjets, diese Vorfälle in Zukunft zu unterlassen.

Sowjetische Kritik am ORF

Die Diplomaten der UdSSR waren über diese Haltung Österreichs durchaus erfreut, zumindest am Anfang. Der Ton verschärfte sich rasch, weil sie mit der Berichterstattung der österreichischen Medien nicht einverstanden waren, insbesondere mit jener des ORF. Mit ihrer „tendenziösen“ Haltung hätten sich die Medien zu „Sprechern für die Konterrevolutionäre in der CSSR“ gemacht, kritisierte Botschafter Boris Podcerob.

Für Außenminister Kurt Waldheim (ÖVP) war es ein Drahtseilakt. Auf der einen Seite verwies er auf die Pressefreiheit, auf der anderen Seite habe diese auch Grenzen, „die ihr durch die Verpflichtungen Österreichs durch den Staatsvertrag auferlegt sind“, wie Ruggenthaler zitiert. Die Folge: Waldheim und auch Kanzler Klaus suchten „fast jeden Tag“ das Gespräch mit Medienverantwortlichen wie dem ORF-Generalintendanten Gerd Bacher, „um ihnen Anweisungen zu erteilen, von der neutralen Position der Regierung bei der Beleuchtung der Ereignisse in der Tschechoslowakei auszugehen“.

Erfolg für „Kuschelkurs“

Tatsächlich „besserte“ sich die Berichterstattung aus Sicht der Sowjets. „Der ‚Kuschelkurs‘ Waldheims gegenüber dem sowjetischen Botschafter ging so weit, dass Podcerob nicht umhin kam, lobend festzustellen, die Berichterstattung der österreichischen Medien, vor allem des ORF, über die Ereignisse in der Tschechoslowakei wäre nun ‚objektiver‘ geworden“, heißt es bei Ruggenthaler. Vorwürfe politischer Interventionen wies der ORF damals zurück.

Ein Grund für die äußerst zurückhaltende Reaktion des offiziellen Österreichs waren dem Historiker zufolge fehlende Sicherheitsgarantien der USA – man hatte Angst, als nächstes an der Reihe zu sein. Doch „auch aus wirtschaftlicher Sicht verfolgte Österreich, insbesondere die Bundesregierung Klaus, besonders großes Interesse“, schreibt Ruggenthaler. „Die intensive Reisetätigkeit in Länder des ‚Ostblocks‘ hatte bereits Früchte getragen, was der Regierung von Seiten der Opposition Kritik an deren ‚Ostlastigkeit‘ eingebracht hatte.“

Eröffnung während „militärischer Spezialoperation“

Teil dieser wirtschaftlichen Interessen war zweifellos die Gasversorgung, bei der sich Österreich zu diesem Zeitpunkt für 23 Jahre an die Sowjetunion gebunden hatte. Exakt zehn Tage nach dem Beginn des Einmarsches floss wie vereinbart das erste Gas über den Eisernen Vorhang nach Österreich.

Pipeline-Verlegung in der March
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Eine Pipeline quer durch den Grenzfluss March schloss Österreich ans östliche Gasnetz an

Just an diesem Tag, dem 1. September 1968, gestand der tschechoslowakische Reformer Dubcek seine Niederlage ein, zumindest indirekt. „Wir haben die strategischen Interessen des Warschauer Pakts unterschätzt“, sagte er in einer Rede, in der er die Rückkehr zu Zensur und staatlicher sozialistischer Repression ankündigte.

Erdgaslieferung 1968
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Feierliches Abfackeln von Gas durch die Vertreter Österreichs und der Sowjetunion am 17. September 1968

„Terminschwierigkeiten“ beim Festakt

Nach zwei Wochen des Probebetriebs sollte die Erdgasstation Baumgarten Mitte September regulär beliefert werden – dieser Umstand sollte mit einem Festakt gefeiert werden. Hier hatten die diplomatischen Spannungen zum ersten Mal Einfluss auf das Gasgeschäft. „Bisher hat die ÖMV keine Nachricht erhalten, wer sowjetischerseits an der Feier teilnehmen würde“, berichtete die APA am 4. September. Eingeladen waren die beiden Minister für Außenhandel und für Gasindustrie sowie deren Stellvertreter.

Außenhandelsminister Nikolaj Patolitschew sagte schließlich ab – offiziell wegen „Terminschwierigkeiten“ –, Gasminister Alexej Kortunow hingegen nahm an der Feier am 17. September teil. Auf österreichischer Seite war Ludwig Weiß (ÖVP), der Minister für verstaatlichte Unternehmen, anwesend. Der Vertrag eröffne neue Perspektiven für die staatliche Industrie, erklärte Weiß damals. Er hoffe auf einen weiteren Ausbau der sowjetisch-österreichischen Wirtschaftsbeziehungen. Diese Hoffnung teilten auch die Vertreter des kommunistischen Regimes.

Ein Vorbild für halb Europa

Der Liefervertrag mit Österreich sollte in der folgenden Zeit als Blaupause für viele weitere westeuropäische Länder dienen. Frankreich und Italien etwa hatten ebenfalls seit Jahren Interesse an sowjetischem Erdgas gezeigt, in Westdeutschland war ein Deal über Lieferungen von Pipelines an die UdSSR Mitte der 60er-Jahre an einem NATO-Embargo gescheitert.

Nun war das Eis gebrochen, der Beweis für die erfolgreiche Lieferung von sowjetischem Gas in den Westen erbracht. Immer mehr Verträge wurden geschlossen – und Baumgarten an der March spielte auch für Österreichs Nachbarländer eine zentrale Rolle. Hier setzten später die Trans-Austria- und die West-Austria-Pipelines an, die Erdgas in Richtung Italien bzw. Deutschland beförderten.

Neuer Vertrag in den 1970ern

Die ZIB berichtete im Jahr 1974, sechs Jahre nach dem ersten österreichischen Liefervertrag mit der Sowjetunion, vom nächsten Schritt. Ein neuer Vertrag sollte mehr Gas bringen, wenn auch zu einem höheren Preis.

„Aussuchen, wo wir am liebsten abhängig sind“

Auch Österreich erneuerte in regelmäßigen Abständen die langfristigen Lieferverträge mit der Sowjetunion bzw. später mit Russland. Immer mehr Erdgas wurde nach Österreich geliefert – und die Abhängigkeit wuchs weit über das ursprünglich angedachte Ausmaß hinaus.

Ob das nicht problematisch sei, wurde ÖMV-Chef Ludwig Bauer 1978 von einem ORF-Reporter gefragt. „Die ganze zivilisierte westliche Welt ist abhängig von Energie und kein Land kann sich selbst versorgen“, antwortete er. Man müsse sich „die Länder selber aussuchen, wo wir am liebsten abhängig sind“, meinte der Manager: „Mir ist lieber, dort abhängig zu sein, wo ich der Wirtschaft Energie geben kann, die sie wettbewerbsfähig macht.“ Bauers Nachsatz ist auch heute noch gültig: „Das ist das Problem.“