Es war ein Hauch exotischen Afrikas, den man ab 1972 im Marchfelder Föhrenwald hautnah erleben konnte – auf einer 680.000 Quadratmeter großen Anlage, „die den weltbekannten Safariparks von Kenia oder Longleat in exotischer Vielfalt kaum nachsteht“, hieß es damals in den Medien.
Zwei Private investierten damals etwa 19 Millionen Schilling in den Safaripark Gänserndorf. Der große Unterschied zu einem herkömmlichen Zoo: „Hier waren die Tiere im Freien, während die Menschen gewissermaßen in ihrem motorisierten Käfig waren, und sich durch das Gehege bewegt haben“, erinnert sich Josef Zoher, einst Tierarzt im Safaripark, und er spricht den damaligen Höhepunkt der Autowelle an, als auch Autokinos und Drive-in-Lokale boomten.
Nicht zuletzt deshalb stieß der Park mit der Eröffnung am 8. Juni 1972 auf großes Interesse. Tausende Besucherinnen und Besucher wollten schon in den ersten Wochen einen Hauch von Afrika erleben. In einer endlosen Schlange drängten Hunderte Autos durch den Safaripark, um die 300 verschiedenen Tiere zu sehen: Löwen, Zebras, Nashörner, Giraffen, Antilopen.
„Fahr’ ma Tiere schauen“
Mit dem „Fahr’ ma Tiere schauen“ verfolgte man im Safaripark Gänserndorf damals ein neues, eher amerikanisches Konzept, weiß Zoher: „Das war für die damalige Zeit in Mitteleuropa etwas ganz Neues und Einzigartiges mit diesen großen Gehegen und dem Erlebnischarakter, wenn etwa die Giraffe beim Autodach hineingeschaut hat oder der Elefant den Rüssel in das Auto streckte.“
Ein Stück Afrika vor den Toren Wiens
Zoos gab es natürlich auch damals bereits, „allerdings war der Besuch nicht besonders attraktiv“, betont Zoher. Dort bot sich eher ein tristes Bild: Tiere in kleinen Gehegen hinter dicken Eisenstäben. Damals habe es auch vermehrt kritische Stimmen gegeben, wie es den Tieren gehe, im Gegensatz zum Safaripark, „wo man den Tieren quasi ein Leben in Freiheit geboten hat. Und die Besucher fühlten sich, wie wenn sie auf Safari in Afrika sind.“
Besucher spielen mit ihrem Leben
In den ersten Jahren seines Bestehens reisten Besucherinnen und Besucher aus ganz Österreich in den Safaripark in Gänserndorf. Der Höhepunkt war für viele die Fahrt durch das Löwenreservat, das durch eine Schleuse von den anderen Bereichen mit Tieren getrennt war. Doch viele Besucher spielten darin leichtfertig mit dem Leben. Obwohl das Verlassen der Fahrzeuge vor allem hier strengstens verboten war, ließen sich immer mehr Besucher für ein Foto von den scheinbar harmlosen Tieren zum Aussteigen verleiten.
„Das Publikum verhält sich äußerst undiszipliniert und unvernünftig“, beklagte damals Betreiber Edwin Wiesinger. Denn viele Besucher hätten auch die Hinweise der Aufsichtsorgane auf die Gefährlichkeit gar nicht beachtet oder das Personal sogar angepöbelt, „nach dem Tenor ‚Das geht Sie gar nichts an, der beißt ja nur mich‘“.
Gefährliche Szenen im Safaripark
Auch der Tierarzt musste anfangs wesentlich öfter kommen, als notwendig gewesen wäre, weil die Besucher das Fütterungsverbot missachteten. „Immer wieder kommt es vor, dass die Leute mit Nuss- oder Mohnstrudeln die Tiere füttern, die sind gut für junge Mädchen, aber nicht für wilde Tiere“, betonte der Tierarzt. Die Tiere litten deshalb an schweren Verdauungsstörungen, innerhalb der ersten Wochen starben zwei Tiere.
Die Todesspringer
Neben dem reinen Tierpark waren von Beginn an auch Unterhaltung und Shows Teil des Konzepts – ebenfalls ein in den USA bereits boomender Trend. Neben Delfin- und Papageivorführungen sorgten vor allem die Todesspringer von Acapulco für Staunen. Aus 25 Meter stürzten sich die Artisten in ein nur drei Meter tiefes Wasserbecken.
Ein erster kleiner Rückschlag folgte aber bereits im Jahr 1973. Obwohl der Safaripark das ganze Jahr geöffnet war, waren zu Beginn des Jahres die Giraffen plötzlich verschwunden. Betreiber Wiesinger erklärte damals, dass der Winter „für die Giraffen zu heikel ist, die haben wir derzeit nicht hier, wir wollen hier gar kein Risiko eingehen“. Die anderen Tiere waren in beheizten Stallungen untergebracht.
Doch nur eine Woche später musste er im ORF-Interview seine Lüge eingestehen: Die Tiere waren wegen der ungünstigen Witterung verendet. Wiesinger rechtfertigte sich: „Kein Tierpark auf der ganze Welt publiziert den immer bedauerlichen Verlust von Tieren.“ Zudem musste der Park im selben Jahr wegen der Maul- und Klauenseuche in Niederösterreich drei Monate lang schließen.
Tiere warten auf Futter
Trotz allem entwickelte sich der Safaripark im ersten Jahrzehnt seines Bestehens zu einem der zugkräftigsten Tourismusmagnete in Niederösterreich, der die ganze Region wirtschaftlich mitaufschwingen ließ. Damals lebten bereits etwa 500 Tiere auf dem Gelände. Mittlerweile hatten auch die Tiere die anfängliche Scheu vor den Menschen in ihren Autos verloren. „Die haben teilweise schon richtig gewartet, weil sie wussten, da gibt es Futter“, sagt Zoher.
Die Geschichte der Todesspringer
Die freie Haltung wirkte sich offenbar auch auf die Fortpflanzung besser aus als in so manch anderem, herkömmlichen Tierpark. Innerhalb der ersten zehn Jahre wies die Geburtsstatistik in Gänserndorf nicht weniger als 250 Löwenjunge, 70 Antilopen, 27 Tiger, 18 Kamele, 25 Lamas und sieben Zebras auf – ein Großteil davon konnte ins Ausland verkauft werden.
Der erste Konkurs
Nur vier Jahre später folgten dann finanzielle Probleme. Die Betreiber hatten damals eine Schmalspurbahn durch den Tierpark gebaut, wegen Anrainerbeschwerden musste diese aber eingestellt werden. Die laufenden hohen Kosten für die Tierhaltung führten trotz bestehender Subventionen zu 17 Millionen Schilling Schulden. Auch ein Solidaritätskonzert, an dem etwa die Sänger Hansi Dujmic und Gary Lux sowie der Schauspieler Herwig Seeböck teilnahmen, konnte den Tierpark vorerst nicht retten.
Als schließlich auch Schulwandertage wegen der Katastrophe von Tschernobyl vorübergehend verboten wurden, führte das zum ersten Konkurs. Doch zum einen steuerte das Land 500.000 Schilling für Futter und Ausstände bei, zum anderen kamen viele Spenden aus der Bevölkerung, „ohne die der Park ein Sanierungsfall wäre“, betonte Wiesinger. 1987 übernahm der ehemalige Geschäftsführer den Park und führte ihn weiter.
„Sehr geschickt“, wie Zoher anmerkt. Denn die Betreiber setzten damals u. a. auf eigene Büros in den damaligen Ostblockstaaten Ungarn und Tschechoslowakei, „wo sie Touristen rekrutiert haben“. Mit dem Wegfall des Eisernen Vorhanges im Jahr 1989 konnten die Besucherzahlen wieder gesteigert werden. In den 1990er Jahren erlebte der Safaripark gerade deshalb nochmals einen wahren Besucherboom.
Auf Höhepunkt folgt tiefer Fall
Nach dem Höhepunkt folgte aber der langsame, tiefe Fall. Misswirtschaft, fehlende Attraktivierungsmaßnahmen und der Umstand, dass man Löwen, Elefanten und Giraffen mittlerweile „live“ im günstigen Afrika-Urlaub sehen konnte, führten zum Besucherrückgang und schließlich zum finanziellen Desaster, von dem sich der Safaripark nicht mehr erholen sollte.
Ein neuer Geschäftsführer legte den Fokus ab der Jahrtausendwende auf die Arterhaltung von gefährdeten Tierarten sowie die vermehrte Aufnahme von „ausgedienten“ Geschöpfen: Tieren, die für den Auftritt im Zirkus zu alt waren oder zuvor im Dienste der Forschung ihr Dasein in engen Käfigen gefristet hatten. So wurde damals eine „Elefantenauffangstation“ errichtet und im Affenhaus bekamen Tiere, die als Forschungsobjekte gedient hatten, ein Heim.
Doch am 14. Jänner 2004 musste der Tierpark neuerlich Konkurs anmelden und wurde geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt lebten 850 Tiere im Tierpark, die von 64 Mitarbeitern gepflegt wurden. Ein dem Land Niederösterreich vorgelegtes Sanierungskonzept wurde abgelehnt. Dies war das Ende einer Institution, die weit über die Grenzen der Stadt Gänserndorf, des Landes und sogar des Staates Österreich bekannt war.
Wiedereröffnungsversuch
Josef Zoher, der heute Tierarzt in Deutsch-Wagram ist, startete mit anderen ehemaligen Mitarbeitern einen Rettungsversuch. „Mit dem Konkurs ist damals eine große Bewegung entstanden, mit dem Wunsch, den Park weiterzuführen. Die Marke ‚Safaripark‘ war sehr gut, nicht nur in Österreich, sondern auch im Ausland.“ Das Konzept wurde verändert, der Safaripark wäre nicht mehr aus Autos, sondern auf Spazierwegen zu besichtigen gewesen.
Auch das Land trommelte eine Expertenrunde zusammen. „Der Safaripark Gänserndorf darf nicht sterben“, betonte Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP). Wie Pröll nach dem Gespräch erläuterte, wurde die Gründung einer Gesellschaft vereinbart, die zur Weiterführung Geld zur Verfügung stellen sollte. Ihr gehörten die Österreichische Zoo-Organisation, das Pharmaunternehmen Baxter und die regionale Entwicklungsgesellschaft Eco Plus an.
Wegen fehlender Investoren verzögerte sich das Projekt aber. Zudem konnte man sich laut Zoher mit der Gemeinde nicht auf die Pachthöhe einigen. Erst nach einem Bürgermeisterwechsel in Gänserndorf 2008 sei aus dem Rathaus grünes Licht gekommen, doch dann wollte das Land das Projekt nicht mehr unterstützen, ohne Förderung sei eine Neugründung unmöglich gewesen. „Die Anlagen waren verfallen, die Tiere vom Masseverwalter bereits verkauft.“
Rettung für verbliebene Tiere
Die letzten verbliebenen Löwen wurden zwischen 2007 und 2009 vom Verein Vier Pfoten in ein südafrikanisches Tierreservat gebracht. Nur bei zwei weiblichen Löwen war das aus gesundheitlichen Gründen erst später möglich. Im Jahr 2013 war das Reservat in Lionsrock etwa 50 Hektar groß und umfasste 33 Gehege.
Sendungshinweis
„Radio NÖ am Nachmittag“, 24.6.2022
Nur für die Schimpansen, die früher als Versuchstiere des Arzneimittelherstellers Immuno AG gedient hatten, gab es langzeitige Betreuungsverträge, die auch zur Finanzierung beitragen sollten. Dabei handelte es sich um ein Forschungsprojekt, bei dem die Affen, die ihr Dasein bei Immuno einzeln gefristet hatten, wieder zusammenleben sollten.
Resozialisierung der Aids-Affen
Die Schimpansen waren als Babys gefangen und im Dienste der Forschung oft über 20 Jahre benutzt worden. In den 1970er und 1980er Jahren waren die Tiere wegen ihrer genetischen Ähnlichkeit zum Menschen für Tierversuche sehr gefragt. Zu Forschungszwecken wurden sie mit Krankheiten wie HIV und Hepatitis infiziert. Viele starben dabei qualvoll. Als die Versuche mit den Tieren 1997 eingestellt wurden, waren sie endlich erlöst.
Seit 2009 sind die Tiere in der Obhut von Gut Aiderbichl und bekommen endlich ein Stück des Lebens zurück, das man ihnen auf so grausame Weise genommen hatte. Seither werden die Tiere langsam resozialisiert, heißt es von Gut Aiderbichl. Mittlerweile können die meisten der Schimpansen wieder in der Gruppe leben und fühlen sich sichtlich wohl.
„Schade für die Region“
2011 pachteten die Gebrüder Angerer einen Teil des verwaisten Safariparkgeländes und errichteten dort einen Erlebnispark mit Kletterparcours, Bogenschießen und diversen anderen Attraktionen. An das einst beliebte Ausflugsziel der Ostösterreicher erinnert heute nichts mehr. „Ich halte es nach wir vor für schade“, meint Zoher, „schade für die Region und für die Menschen, weil es nach wie vor eine tolle und doch einzigartige Besucherattraktion hätte sein können.“
Das würden vor allem die mittlerweile attraktiven Zoos wie Schönbrunn beweisen, ist Zoher überzeugt, die beliebte Besuchermagneten für Jung und Alt seien. Doch „einen wirklich vergleichbaren Safaripark gibt es in Mitteleuropa bis heute nicht“.