100 Jahre NÖ Telefon Vollautomatisierung Karlstein an der Thaya
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„100 Jahre NÖ“

Technik schickt Fräulein vom Amt in Pension

1972 wird Karlstein an der Thaya als letzter Ort an das vollautomatische Telefonnetz angeschlossen. Damit waren die handbetriebenen Telefonzentralen in Österreich Geschichte. Trotzdem mussten sich die meisten Haushalte das Telefon weiter teilen.

„Das war damals umständlich, man musste einen Kilometer gehen, bis man am Postamt war“, erinnert sich der 87-jährige Josef Zauner aus Karlstein an der Thaya (Bezirk Waidhofen an der Thaya). Doch wollte man bis Anfang der 1970er-Jahre telefonieren, musste man diesen Weg in Kauf nehmen, denn das einzige öffentliche Telefon in der Gemeinde gab es am Postamt.

Doch einfach loszutelefonieren, das gab es auch am Postamt nicht, fügt Zauner hinzu: „Dort saß eine Person, bei der musste man erst ein Gespräch anmelden, die hat dann eine Verbindung hergestellt, und dann ist man einer Telefonzelle zugewiesen worden.“ Im Ort besaß bis 1972 kaum jemand ein Telefon.

Es hat sich ausgekurbelt

Doch das sollte sich mit dem 14. Dezember 1972 ändern, Karlstein an der Thaya wurde als letzter Ort in Österreich an das vollautomatische Telefonnetz angeschlossen. Damit war die landesweite Umstellung von handbetriebenen Telefonzentralen auf eine automatisierte Gesprächsvermittlung vollzogen. Das „Fräulein vom Amt“ – über Jahrzehnte ein sicherer Job – wurde damit in Pension geschickt.

Es hat sich ausgekurbelt

Bis dahin wurden Telefongespräche von – meist weiblichen – Telefonistinnen in einer Zentrale angenommen und über ein Steckpult manuell an die gewünschten Teilnehmerinnen und Teilnehmer weitervermittelt. Wegen der höheren Stimmlage waren sie besser zu verstehen als männliche Vermittlungskräfte und außerdem „übten sie größere Geduld und Höflichkeit, und die Teilnehmer seien rücksichtsvoller gegen sie“, hieß es.

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Fernumschalter Horn
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Das Wählamt in Amstetten
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Während der Amtszeiten war die Zentrale besetzt
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Die Wählsternzentrale in Obersulz
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Das letzte Fräulein vom Amt in Karlstein an der Thaya war ein Mann
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Das Fernamt in Wiener Neustadt
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Der Telefon-Hauptverteiler in Neunkirchen
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Das Fernamt in Bruck an der Leitha
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Die Umschaltzentrale in Groß-Siegharts
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Die Ortsumschalter in Wiener Neustadt
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Der Telefon-Hauptverteiler in Poysdorf
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Vor allem in der Nacht mussten Männer den Vermittlungsdienst übernehmen
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Das Fernamt in Zwettl
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Die Ortsumschalter in Mödling
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Das Fernamt in Gmünd

Zum Nachtdienst konnten die Damen allerdings nicht eingeteilt werden, da „es zu beachtlichen Unziemlichkeiten führen würde, wenn im Nachtdienst eine Gehülfin mit einem technischen Assistenten, die nach Charaktereigenschaften nicht ausgesucht werden können, nebeneinander sich selbst überlassen blieben“, wie in einer Dienstanweisung zu lesen war. „Das waren noch andere Moralvorstellungen“, erzählt der Unternehmenshistoriker der Telekom, Gerhard Fürnweger.

Nach den Vermittlungsdamen gepfiffen

Wenn ein Teilnehmer ein Gespräch führen wollte, musste er zunächst die Vermittlungskraft auf sich aufmerksam machen. Anfangs geschah dies durch eine „neben dem Telefonapparat hängende Trillerpfeife“, sagt Fürnweger. Die Teilnehmer pfiffen in die Sprechmuschel und in der Vermittlungsstelle trat das Fräulein vom Amt in die Leitung ein, sobald sie das Signal akustisch wahrgenommen hatte.

Doch schon bald wurden die Apparate mit Kurbelinduktoren ausgestattet. Sobald der Teilnehmer die Stimme der Vermittlungskraft in seinem Hörrohr vernahm, teilte er ihr den gewünschten Gesprächspartner mit. Nach Ende des Gespräches musste der Teilnehmer wieder den Kurbelinduktor betätigen, um das Ende des Gespräches zu signalisieren. „Man hat das Gespräch abgeläutet.“

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Ein Verbindungskasten, mit dem die Gespräche vermittelt wurden

Einen offiziellen Zeitzähler gab es damals übrigens noch nicht. Zu Beginn des Gesprächs wurde die Zeit gestoppt, nach drei Minuten wurde das Telefonat beendet. „Ohne Rücksicht auf Verluste“, ergänzt Fürnweger. Wollte man länger reden, musste man noch ein Gespräch anmelden. Erst im Laufe der Zeit wurden Uhren installiert, damit nach der gesprochenen Zeit abgerechnet werden konnte.

Die ersten Privattelefone

Die erste Konzession für so ein Telefon wurde in Österreich mit Erlass vom 3. Juni 1881 vom k.k. Handelsministerium an die Wiener Privat-Telefongesellschaft vergeben, und zwar für den Betrieb von Telefonanlagen innerhalb eines um den Stephansdom als Mittelpunkt gedachten Kreises von 15 Kilometer Radius. Die erste Fernsprechvermittlungsstelle befand sich im ersten Wiener Gemeindebezirk und wurde am 1. Dezember 1881 mit 154 Teilnehmern in Betrieb genommen.

Zu den ersten Telefonkunden gehörte das Ringtheater in Wien. Als in der Nacht vom 8. auf den 9. Dezember 1881 der verheerende Brand mit fast 400 Toten ausbrach, war der Telefonanschluss gerade acht Tage alt. Helfen konnte er nicht: weder Feuerwehr noch Polizei verfügten damals über ein Telefon. „Der Brand des Ringtheaters war allerdings der Anlass für die öffentlichen Stellen, sich auch bei der Wiener Privat-Telefongesellschaft um einen Telefonanschluss zu bewerben.“

Zierde und Statussymbol

1882 gab es schon fast 1.000 Teilnehmer, allerdings befanden sich darunter fast ausschließlich wichtige Geschäftsleute, die untereinander Kontakt hatten, wie Fürnweger erklärt: „Ein Privater konnte sich das nicht leisten, das hat ein irrsinniges Geld gekostet.“ Das Telefon war deshalb einst auch ein Ziergegenstand. „Es wurde so platziert, dass man es vom Eingang sofort gesehen hat, man sollte erkennen, ich kann mir ein Telefon leisten.“

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Lange Zeit waren Telefone nur Reichen vorbehalten
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In vielen Haushalten galt ein eigenes Telefon deshalb auch als Ziergegenstand
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Gerhard Fürnweger präsentiert das erste Telefon, bei dem man die Vermittlungskraft noch rufen musste
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Hier wurden die Gesprächsteilnehmer vom Fräulein vom Amt händisch verbunden
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Nach drei Minuten wurden die Gespräche einst getrennt
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Solche Telefonmasten mussten einst auf den Häusern installtiert werden, damit die Leitungen durch den Ort weitergeleitet werden können
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Ein ehemaliges Faxgerät
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Ein österreichweites Telefonbuch aus dem Jahr 1928
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Weil früher nicht jeder eine eigene Uhr hatte, konnte man etwa vom öffentlichen Telefon aus die „Zeit“ anrufen
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Die Entwicklung der Telefone
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Eines der ersten mobilen Telefone im Kofferformat

Die k.k. Post- und Telegraphenverwaltung blieb zum neuen Medium vorerst auf Distanz und sah keinen Grund, die Telefonie als Nachrichtenmedium anzuerkennen und sie in ihre Aktivitäten einzubeziehen. „Der Staat hatte damals kein Interesse.“ Man stand auf dem Standpunkt, dass Telefonleitungen nichts anderes seien als telegraphische Verbindungen mit akustischen Apparaten.

Vom Privat- zum Staatstelefon

„Erst als man erkannt hat, dass das ein Riesengeschäft ist, hat man alles zurückgekauft“, schildert der Unternehmenshistoriker weiter. Dabei war die Tatsache besonders interessant, dass es mittlerweile möglich war, auf ein und derselben Leitung zu telegraphieren und zu telefonieren. Dadurch ersparte man sich die Errichtung eigener Telefontrassen.

Im August 1886 wurde die erste „Reichstelegraphenlinie“ in Betrieb genommen. An die Telefonzentrale waren die Börse, die Fruchtbörse, das Reichsratsgebäude sowie einige Banken und staatliche Stellen angeschlossen. Auch in Brünn konnten einige Banken und Zeitungsredaktionen über Fernleitungen erreicht werden. Allerdings gab es keine Verbindung zwischen dem staatlichen Netz und den Privatnetzen.

Ein Telefon für die Sommerfrische

Knapp ein Jahr nach Eröffnung der ersten Fernlinie Wien-Brünn war das erste staatliche Telefonnetz betriebsbereit. Dazu wurde das Post- und Telegraphenamt der beliebten Sommerfrische Reichenau an der Rax (Bezirk Neunkirchen) als Telefonzentrale eingerichtet, an die als öffentliche Sprechstellen die Postämter Payerbach, Hirschwang und Prein sowie das Gasthaus in Kaiserbrunn, das Baumgartnerhaus auf dem Schneeberg und das Carl-Ludwig-Haus auf der Raxalpe angeschlossen waren.

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Das Postamt in Küb
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Wollte man hier telefonieren, musste man zuerst ein Gespräch anmelden
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dann bekam man eine Telefonzelle zugewiesen, in den kleineren Orten gab es anfang meiste ohnehin nur eine Zelle
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In späteren Jahren wurden auch öffentliche Telefonanlagen aufgestellt

Im Laufe des Jahres 1888 erbaute die k.k. Telegraphenverwaltung in der Nähe Wiens neun weitere Telefonzentralen (Baden, Vöslau, Mödling, Wiener Neustadt, Neunkirchen, St. Pölten, Liesing, Rabenstein und Singerin-Naßwald). Die Telefonteilnehmer konnten allerdings nur innerhalb ihres Netzes telefonieren.

Dies änderte sich erst, als die k.k. Telegraphenverwaltung den Bau von Überlandleitungen in Angriff nahm. Nach den erfolgreichen Versuchen mit den Leitungen nach Brünn wurden in rascher Folge an der Südbahn liegende Orte mit Wien verbunden und Leitungen nach Prag (1890), Triest (1892) und St. Pölten (1893) hergestellt.

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Eine Freileitung von St. Pölten nach Wilhelmsburg

Qualitätsprobleme

Die damals als Freileitungen verlegten Telefondrähte waren sehr störanfällig. Der Grund: Zunächst wurden Aluminium- anstatt Kupferdrähte verwendet, die bei Bewegung Geräusche erzeugten. „Bei einem Sturm hat man fast nichts mehr verstanden, und wenn die Drähte zusammenschlugen, gab es einen Kurzschluss.“ Doch schon ein Telefonat quer durch Wien hatte kaum Erfolg, „weil die Lautstärke pro Kilometer um ein Dezibel abgenommen hat.“

Das erste unterirdisch verlegte Fernkabel führte ab 1926 von Wien über St. Pölten und Linz nach Nürnberg. Trotz des fortschreitenden Ausbaues lag Österreich im internationalen Vergleich gesehen eher am unteren Ende der Skala. Entfiel in den Städten Paris, Berlin oder Rom Ende 1885 auf etwa 40 Einwohner ein Fernsprechteilnehmer, kam in Wien nur auf etwa 1.050 Einwohner ein Fernsprechteilnehmer.

Ankäufe aller Privatnetze

Da der Staat den Telefonbetrieb von nun an gänzlich selbst in die Hand nehmen wollte, musste er mit dem Rückkauf der erteilten Konzessionen beginnen. „Das Personal wurde über Nacht zu Beamten.“ Ab 1. Jänner 1895 befand sich das gesamte österreichische Fernsprechnetz im Besitz der Staatsverwaltung. Das Netz umfasste 154 Kilometer Leitungen mit 35.493 Meter Draht. An Personal waren damals 334 Telefonistinnen und 160 Telefonarbeiter beschäftigt.

Die mühsame Verlegung der Telefonkabel quer durch das Land

Im Jahr 1900 besuchte Kaiser Franz Joseph die Telefonzentrale in der Wiener Berggasse. Er brachte allerdings nur mäßiges Interesse für die technischen Einrichtungen auf, da er eine Abneigung gegen alles „Neumodische“ hatte, wie Fürnweger sagt. Der Kaiser nannte übrigens auch einen Telefonanschluss in der Hofburg sein Eigen, den er persönlich allerdings kein einziges Mal benutzte.

Die Teilnehmerzahlen entwickelten sich rasant nach oben. Beim Start im Jahr 1881 waren 154 Teilnehmer registriert, zehn Jahre später waren es bereits 11.095 und 1901 nahmen 34.651 Abonnenten am nunmehr aus dem Geschäftsleben nicht mehr wegzudenkenden Dienst teil. Allerdings blieb das Telefonieren sehr personalintensiv.

Nacht- und Wochenendruhe

Zudem konnte man nur während der offiziellen Amtsstunden telefonieren, „wenn das Personal da war. In der Nacht oder am Wochenende konnte man nicht telefonieren“, merkt Fürnweger an. Deshalb wurde 1929 in Klosterneuburg (Bezirk Tulln) österreichweit das erste Wählamt in Betrieb genommen. Dabei konnten wichtige Nummern, wie etwa die eines Spitals oder des Gemeindearztes, an „die übergeordnete Telefonzentrale durchgeschaltet werden. Das war ein Versuch, der sich bewährt hat.“

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Die Eidesformel für die Beamten der Post- und Telegrafenverwaltung

Das war der letzte Zwischenschritt zur Vollautomatisierung, also der Anschluss jedes Haushalts an das Telefonnetz. Wann diese konkret begann, sei heute nicht mehr festzustellen, sagt Fürnweger, „während des Krieges sind dazu viele Unterlagen verlorengegangen.“ Doch der Abschluss ist mit Karlstein an der Thaya belegt. „Das war reiner Zufall, man hat zuerst dort ausgebaut, wo es mehrere Anschlüsse gab, eine Rotte mit ein paar Einwohnern wurde nicht bevorzugt.“

Freier Telefonverkehr

Ab 1972 konnten aber alle damals 1,16 Millionen Telefonkunden quer durch Österreich miteinander telefonieren – sofern es freie Leitungen gab. Denn trotz Vollautomatisierung waren Fernleitungen, aber auch Ortsnetze oft stundenlang besetzt. Es fehlte an Wählämtern und leistungsfähigen Telefonverbindungen.

„Bitte warten“

Zudem mussten sich damals meist mehrere Haushalte einen Telefonanschluss teilen – es gab also halbe oder Viertelanschlüsse. „Wenn ein anderer gesprochen hat, konnte man selbst nicht telefonieren, dann war die Leitung blockiert“, erinnert sich Zauner. Wer sich mit wem einen Anschluss teilte, sei erst im Laufe der Zeit bekannt geworden. „Aber jeder, der es sich leisten konnte, wollte ein Telefon haben.“

Blockierte Leitungen

Laut Fürnweger wurden die geteilten Anschlüsse auch aus Kostengründen initiiert. So gab es von Beginn an auch ganze Anschlüsse, die aber vor allem Kaufhäusern oder Geschäftsleuten vorbehalten waren. Für viele Private sei die Grundgebühr zu hoch gewesen: „Und wenn ich einen Viertelanschluss habe, konnte ich die Kosten teilen, dadurch hatten auch wenig Begüterte eine Chance.“

Die Teilnehmer eines Viertelanschlusses mussten sich aber verpflichten, eine gewisse Stundenanzahl nicht zu überschreiten. „Sonst wurde ihnen nach Möglichkeit ein ganzer Anschluss gegeben, oder sie wurden verwarnt. Wenn das auch nicht funktioniert hat, dann hat man ihnen den Anschluss wieder weggenommen.“

Furcht vor mithörenden Nachbarn

Manche befürchten damals, dass die Nachbarn heimlich mithören. Doch das sei vom Gesetz her verboten und nicht möglich gewesen, versichert Fürnweger: „In Österreich gibt es das Fernsprechgeheimnis, das stellt sicher, dass kein Unbefugter Gespräch mithören konnte.“ Einzige Ausnahme war die Vermittlungskraft, „und die haben das teilweise wohl auch gemacht, wie man aus Filmen kennt.“

Die Anschlüsse zu den Apparaten waren sogar plombiert, so Fürnweger, weil es immer wieder „sehr findige Köpfe“ gab, die die Anlagen manipuliert und danach „auf Kosten der anderen telefoniert haben“. Für Staunen und Aufregung sorgte schließlich so manche hohe Telefonrechnung, daraufhin wurden Techniker wie Fürnweger, der damals selbst einer war, zur Überprüfung der anderen drei Anschlüsse gerufen.

Der Technikexperte kennt auch einen beliebten Trick, wenn man damals einen blockierenden Teilnehmer aus der Leitung werfen wollte, und zwar mit einer Stecknadel. Denn im Telefonkabel „gibt es eine A- und B-Ader, und wenn man eine der beiden mit der Erdleitung verbunden hat, dann ist der andere aus der Leitung gefallen“. Im Zuge der Kontrollen fielen den Technikern auch diese Löcher immer wieder auf.

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Eine öffentliche Telefonzelle in Spitz an der Donau

Manipulationsreiche Münzautomaten

Sehr manipulationsanfällig waren auch die Münzautomaten, deren gelb-schwarze Holzzellen vielerorts das Stadtbild bis in die 1970er-Jahre prägten. So wurden einerseits Löcher in eine Schillingmünze gebohrt und mit einer Schnur befestigt, damit man diese nach Ablauf der Zeit wieder rausziehen konnte. „Das Problem haben wir insofern gelöst, dass wir Rasierklingen im Inneren angebracht haben.“

Andererseits konnte man bei manchen Münzautomaten die Anzeige mit einem Feuerzeug manipulieren, weiß Fürnweger: „Die Menschen waren sehr erfinderisch, aber wir haben die Münzer dann immer an Standorten ausprobiert, wo die Leute viel Zeit und Ideen hatten.“ Mithilfe eines zweiten, firmeninternen Zählers konnten so schnell Tricks auffliegen.

Das Telefon wird mobil

Bislang war nur vom Festnetztelefon, also dem ortsgebundenen Telefon die Rede. Mit der zunehmenden Mobilisierung der Österreicherinnen und Österreicher entstand der Bedarf, auch „unterwegs“ erreichbar sein. In den Nachbarländern hatte man inzwischen bereits erste Erfahrungen mit Autotelefonen gemacht. Die Länder Deutschland, Österreich und Luxemburg schlossen sich zusammen und begründeten ab 1974 das sogenannte B-Netz. Teilnehmer dieses Netzes konnten in allen beteiligten Ländern telefonieren.

Die ersten mobilen Telefonate

Das B-Netz wies aber einige Mängel auf. „Unter anderem musste man wissen, in welchem Funkbereich sich der gewünschte Teilnehmer aufhielt, um ihn anrufen zu können“, erzählt Fürnweger. Zudem füllte so ein Apparat damals einen ganzen Kofferraum. „Da haben nicht mal mehr Schneeketten hineingepasst, und teilweise war das Autotelefon teurer als das Auto selbst.“

Sendungshinweis

„Radio NÖ am Nachmittag“, 27.6.2022

1984 wurde das Nachfolgesystem, das C-Netz, in Betrieb genommen, das unter einer bundesweit einheitlichen Vorwahl zu erreichen war. „Die Geräte waren mittlerweile sehr handlich, in einem kleinen Koffer, die Gebühren waren moderat, aber an der Staatsgrenze war Schluss.“

Weil das „weltweite“ GSM noch nicht zur Verfügung stand, musste ab 1990 als Übergangslösung das D-Netz eingeschaltet werden. Dieses System fand, nicht zuletzt wegen der handlichen kleinen Geräte („Handys“) bald regen Zuspruch. Ab 1996/97 erfolgte auch am Mobilfunksektor eine Liberalisierung.

Die Angst vor der Handystrahlung

Illegale Funktelefone

Funktelefone waren in den 1970er-Jahren übrigens begehrte Mitbringsel von Überseereisen. „Da diese Geräte in Österreich allerdings nicht zugelassen waren – sie arbeiteten auf Frequenzen, die in Österreich anderen Diensten vorbehalten waren – kam es immer wieder zu Einsätzen der Funküberwachung“, erzählt Fürnweger. Die betreffenden Geräte wurden konfisziert, die Benutzer der Geräte hatten mit Strafvorschreibungen zu rechnen.

„Die ersten Handys waren auch sehr umständlich, das war auch nicht jedermanns Sache“, schildert der 87-jährige Josef Zauner im Rückblick. Bei den Münzautomaten musste man „immer genügend Schillingmünzen eingesteckt haben.“ Doch durch die technische Entwicklung hat sich in den 50 Jahren seit der Vollautomatisierung „sehr viel geändert“ und mittlerweile ist man durch das Handy „mit der Welt verbunden“.