100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Museum Alte Textilfabrik
Museum Alte Textilfabrik
„100 Jahre NÖ“

Die Textilindustrie schlittert in die Krise

Die Geschichte des Waldviertels ist eng mit der Textilindustrie verwoben. Ab den 1970er-Jahren schlitterte die Branche allerdings in die Krise. Tausende Jobs gingen verloren, weil Firmen in Billiglohnländer abwanderten. Doch es gibt eine Handvoll „Lichtblicke“.

Die 1960er-Jahre waren eine prosperierende Phase für die Textilhochburgen des nördlichen Waldviertels, wie etwa für Groß-Siegharts (Bezirk Waidhofen an der Thaya). Am Höhepunkt arbeiteten an die 1.200 Menschen in den sieben örtlichen Bandwebereien. Einige Textil- und Bekleidungsunternehmen gründeten zudem in den Bezirken Waidhofen an der Thaya und Gmünd Zweigwerke. Arbeit fanden vor allem Frauen.

Der Lokalhistoriker Hans Widlroither erinnert sich noch an einige Aussagen von älteren Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohnern, als er in den 1960er-Jahren selbst einen Arbeitsplatz suchte: „Gehst in die Fabrik oder in den Konsum, lässt dir nichts zuschulden kommen, kannst dort in Pension gehen.“ Seit Mitte des 19. Jahrhunderts galten die Betriebe der Textilbranche für die Bewohnerinnen und Bewohner als sicherer Arbeitsplatz.

Fotostrecke mit 9 Bildern

100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
ORF
In der Textilbranche fanden einst auch viele Frauen einen Job
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
ORF
Weber, die hauptsächlich Männer waren, waren jedoch besser bezahlt
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
ORF
Im Waldviertel gab es fast in jeder Familie jemanden, der in der Textilbranche tätig war
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
ORF
Die Arbeiten wurden im Akkord meist in zwei Schichten erledigt
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
ORF
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
ORF
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
ORF
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
ORF
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
ORF

Anfang des Niederganges

Ab 1973 hatte die Weltwirtschaftskrise allerdings auch einen Einbruch in der Waldviertler Textilindustrie zur Folge. „Es ist der Anfang des Niederganges“, sagt Andrea Komlosy, Professorin am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien. „Die Krise führt zu einer neuen internationalen Arbeitsteilung, Jobs werden nach und nach in Billiglohnländer ausgelagert, vor allem nach Ostasien und in osteuropäische Länder.“

Im Alltag führte das zu der kuriosen Situation, „dass das Garn bei uns teurer angekommen ist, als das fertig gelieferte Produkt aus Asien“, erinnert sich Ulrich Achleitner (ÖVP), heute Bürgermeister von Groß-Siegharts und Geschäftsführer eines Textilbetriebs. Im Waldviertel mussten in den folgenden Jahren viele Betriebe Konkurs anmelden, tausende Jobs verschwanden. „Das hat jeder gespürt, weil fast jeder jemanden hatte, der in der Textilindustrie tätig war.“

1979: Reportage über die hohe Arbeitslosigkeit im Waldviertel

Als Beispiel nennt Komlosy das Traditionsunternehmen Patria, das in Heidenreichstein (Bezirk Gmünd) und Waidhofen an der Thaya Textilwaren produzierte. Die Firma stellte dort 1974 die Feinstrumpfproduktion ein und verlegte sie nach Rumänien. 1977 verschärften sich die wirtschaftlichen Probleme der Firma. 1978 ging Patria in Konkurs, fast 1.000 Beschäftigte waren betroffen.

Jahrhundertealte Tradition

Dabei war die Textilbranche im nördlichen Waldviertel bis dahin mehr als jahrhundertlang eine sichere Bank. In Groß-Siegharts reicht der Ursprung sogar bis ins 18. Jahrhundert zurück: Bis zum Jahr 1720 war Groß-Siegharts ein 55 Häuser umfassender Ort, doch der damalige Herrschaftsbesitzer Johann Christoph Graf von Mallenthein ließ hier die erste Textilmanufaktur errichten und berief 200 schwäbische Siedler in den Ort.

100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
Weberhäuser in Groß-Siegharts, um 1900

Der Textilindustrielle begann einen Fernosthandel, ließ Stoffe wie Seide und Baumwolle ins Waldviertel bringen und sie dort verarbeiten. Unter Mallenthein wurden dafür an die 200 Weberhäuser errichtet, in denen die Arbeiter wohnen durften. „Dafür mussten sie Tag und Nacht arbeiten, um ihr Soll zu erfüllen“, erzählt Widlroither. Dabei halfen meist auch Großeltern und Kinder mit.

Das Geschäft lief gut, bis ein Kompromiss zwischen den Habsburgern und anderen europäischen Herrschaftsgeschlechtern den Handel beendete, denn Kaiser Karl VI. hatte damals keinen männlichen Nachfolger. „Der Kompromiss war: Maria Theresia kann als Frau Nachfolgerin werden, aber dafür wird der Fernosthandel eingestellt“, erklärt Widlroither. Für Mallenthein bedeutete das den Ruin, der Rohstoffimport war unterbunden und die vielen Hauswebereien waren auf heimische Stoffe wie Leinen oder Schafwolle angewiesen.

„Bandlkramer“ ziehen durchs Land

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlebte nicht nur Groß-Siegharts, sondern die ganze Region einen Aufschwung und wurde als „Bandlkramerlandl“ bekannt. Die im Waldviertel gewebten Bänder wurden von „Kramern“, also fahrenden Händlern, in ganz Mitteleuropa verkauft. Zudem entstanden in den Bezirken Gmünd und Waidhofen die ersten Textilfabriken, vor allem Webereien. Erzeugt wurden Kleider- und Möbelstoffe sowie Strick-, Wirk- und Frottierwaren.

100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
Bandlkramer aus Groß-Siegharts, die im 19. Jahrhundert in ganz Mitteleuropa unterwegs waren

Vor allem der immer größere Bedarf nach günstigen Betriebsflächen und billigen, aber mit der Textilherstellung vertrauten Arbeitskräften machten das Waldviertel zu einem begehrten Standort. In dieser Zeit wurden die großen Textilfabriken in Waidhofen und Groß-Siegharts/Dietmanns sowie in Heidenreichstein, Schrems, Weitra (alle Bezirk Gmünd) und Gmünd gegründet und waren mit bis heute bekannten Namen wie Adensamer, Hetzer, Backhausen, Baumann oder Hackl verbunden.

Aufschwung für die ganze Region

„Für die Leute war es ein gewisser Aufschwung, sie hatten wieder Arbeit, und das in geheizten und beleuchteten Räumen“, sagt Widlroither. Das zog dank der guten Anbindung über die Franz-Josefs-Bahn nicht nur Einheimische an. „Dort, wo Straßen und Schienen hingehen, tut sich was“, meint Achleitner, „und das Know-how war in der Bevölkerung da.“ Die Firma Adensamer war damals mit etwa 500 Beschäftigten der größte Textilbetrieb der Donaumonarchie.

Fotostrecke mit 10 Bildern

100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
Die Teppich- und Möbelstoffwerke (Vordergrund), im Hintergrund die Firmen Adensamer (links) und Leopolswagner (rechts)
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
Heimweber Anton Schneider am Handwebstuhl, ca. 1930
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
Personal der Firma Gebr. Silberbauer vor dem Ersten Weltkrieg
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
Fabrikenstraße um 1900, rechts Firma Leopold Wagner
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
Firma Karl Fenzl, Bedienstete in den 1950 u. 1960er Jahren
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
Herstellung von Winterhilfswerkabzeichen in der Firma Adensamer, 1938
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
Firma Brüder Silberbauer (Bildmitte) ehemals Firma Hetzer, 1887
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
Die Firmenzentrale Brüder Silberbauer im Gegensatz dazu heute

In dieser Zeit gründeten auch die Vorfahren von Achleitner den Betrieb. Ursprünglich aus Wien, begannen sie zunächst in der Brauerei in Groß-Siegharts und übernahmen später eine ehemalige Seidenweberei. Das Sortiment war das gleiche wie in fast allen anderen Betrieben: Bandwebereien, Leinenbänder, Baumwollbänder, Verpackungen. „Der Betrieb ist stetig gewachsen.“

Gute und schlecht bezahlte Jobs

Ein Job in der Textilbranche war laut Thomas Samhaber vom Textilmuseum Weitra jedenfalls begehrt. Zwar wurde von den Beschäftigten viel Arbeitsleistung verlangt, „aber man konnte sich dadurch auch eine Existenz aufbauen, was sonst in ländlichen Gebieten nicht möglich war“. Weber – hauptsächlich Männer – seien seit jeher „sehr gut bezahlt“ worden, so Samhaber. Hilfsarbeiten wie Spinnen oder Wollefärben, die vorwiegend von Frauen ausgeführt wurden, waren „sehr schlecht bezahlt“.

Anders als in anderen Branchen schadete der Erste Weltkrieg und der Zusammenbruch der Monarchie der Waldviertler Textilindustrie kaum, mit dem Wegfall der Konkurrenz aus den ehemaligen Kronländern Böhmen und Mähren kam es sogar zu einem Aufschwung. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Fallschirmseide produziert. „Man hatte immer irgendwelche Aufträge“, sagt der Lokalhistoriker.

100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
1952 wurde in Groß-Siegharts eine Textilfachschule eröffnet

Die Jahre des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg brachten einen neuen Boom im Textilbereich. Die Errichtung einer Textilfachschule am Standort Groß-Siegharts ab dem Jahre 1952 war ein deutliches Zeichen für die überragende Bedeutung der Textilindustrie. Die Zahl der Arbeitsplätze allein in dieser Branche belief sich auf über 2.000. Großbetriebe vermittelten einen Hauch von Hochkonjunktur.

Billiglohnsegment wird spürbar

Allerdings rutschte die Textilerzeugung zunehmend in den Billiglohnbereich ab. Zu spüren bekamen das besonders Frauen in den Großschneidereien wie bei Respo in Weitra. Dort wurden laut Samhaber gezielt Frauen eingestellt, die ihre Schulausbildung abgeschlossen, aber noch keine Familie hatten: „Die wurden schnell angelernt und haben dann im Akkord gearbeitet, oft auch zwei Schichten. Sie haben wenig verdient, waren aber froh, dass sie überhaupt Geld bekommen haben.“

1974: Textilindustrie im Waldviertel

Kleine regionale Betriebe waren dem internationalen Kostendruck nicht mehr gewachsen und mussten schließen. Und das Waldviertel wurde vermehrt „als verlängerte Werkbank“ genutzt, erzählt Thomas Samhaber vom Textilmuseum Weitra. Die Firmenzentralen blieben meist in Wien – ohne wirkliche regionale Anknüpfung. Deshalb wurden die Standorte im Waldviertel auch als erstes geschlossen bzw. in billigere Regionen verlagert.

Umstellung „absichtlich versäumt“

In einigen Fällen wurde die Umstellung aber auch „absichtlich verschlafen“, weiß Achleitner. Denn in dieser Zeit gab es auch einen großen Technologiesprung in der Bandherstellung bzw. bei den Webmaschinen. „Die waren sehr produktiv, aber nicht so flexibel. Und dann ist der Umschwung gekommen, der teilweise auch absichtlich versäumt wurde, weil ohnehin kein Nachfolger da war.“ Einige hätten nur noch auf die Pension gewartet, ergänzt Widlroither, „weil sie gemerkt haben, das ganze floriert nicht mehr so, wie es einmal war“.

100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Zederbauer
Die Waldviertler Textilprodukte wurden wegen ihrer Qualität weltweit geschätzt

Generell sanken in den Bezirken Gmünd und Waidhofen an der Thaya die Beschäftigungszahlen in der Textil- und Bekleidungsindustrie dramatisch. 1971 arbeiteten in diesem Bereich noch mehr als 6.600 Menschen, 1977 waren es fast um ein Drittel weniger. Auch die Betriebe wurden immer weniger. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs verlagerten weitere Firmen ihre Produktion in osteuropäische Länder.

Eine Region dünnt aus

Für das nördliche Waldviertel hatten die vielen Schließungen teils gravierende Folgen. Viele vor allem junge Menschen waren zum Abwandern gezwungen. „Es gab keine Arbeit mehr, sie mussten sich außerhalb etwas suchen“, erzählt Widlroither. Außerhalb bedeutete in der Regel, dass für viele Wien zum neuen Lebensmittelpunkt wurde.

In Groß-Siegharts fiel die Einwohnerzahl von einst 4.000 um mehr als ein Drittel und erholte sich nur langsam. Heute hat die Stadt inklusive Katastralgemeinden etwa 2.800 Bewohnerinnen und Bewohner. Die Abwanderung wurde für unzählige Gemeinden des Waldviertels über Jahrzehnte zu einem stetigen Begleiter. Erst in den vergangenen Jahren – durch gezielte Kampagnen – stabilisierte sich die Situation.

2012: Düstere Zukunft für Waldviertler Textilindustrie

Heute erinnern noch einige, großteils verfallene Fabrikshallen an die Hochblüte der Textilindustrie. Die goldenen Zeiten dieser Branche sind lange vorbei. In den letzten Jahren und Jahrzehnten wurden große Traditionsbetriebe geschlossen bzw. wanderten ab oder wurden übernommen, darunter beispielsweise Ergee oder auch Backhausen. Andere, wie der Traditionsbetrieb Baumann Dekor, schlitterten in die Insolvenz.

Der Billigkonkurrenz getrotzt

Gegenüber der harten Konkurrenz konnten einheimische Textilbetriebe nur mit Nischenprodukten und Qualität punkten. HERKA Frottier aus Kautzen (Bezirk Waidhofen an der Thaya) exportiert weltweit und gilt als einer der größten textilen Arbeitgeber im nördlichen Waldviertel. Der Betrieb erzeugt Frottierwäsche für Luxushotels, für die Filmfestspiele Cannes (Frankreich), Golfclubs und anspruchsvolle Kunden.

Produktionshalle bei Wirtex
ORF
Die Textilfabrik des Frottierhersteller Wirtex

Die Bandweberei Silberbauer aus Groß-Siegharts stellte hingegen ihre Produktpalette um. „Wir machen heute vorwiegend technische Gewebe aus Kohle- oder Glasfaser“, erzählt Geschäftsführer Ulrich Achleitner. Die Produkte kommen u.a. im Maschinen- oder Leichtbau, bei Elektromotoren in Schienenfahrzeugen oder im Trafobau zum Einsatz. „Überall dort, wo spezielle Motoren notwendig sind, die viel höhere Temperaturen aushalten müssen.“

Aus dem Waldviertel nach China

Produziert wird in der Gemeinde an drei Standorten, die Maschinen werden dafür teils selbst umgebaut. Es geht nicht um massenhafte Stückzahlen, sondern um individuelle Kundenwünsche. Die Produkte werden von der Firma Silberbauer in die ganze Welt geliefert – auch nach China. „Und das heißt für einen Textiler schon etwas, wenn man ein Produkt von Europa nach China liefert“, sagt Achleitner stolz. Heute beschäftigt der Betrieb an die 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Auch die anderen Waldviertler Frottierhersteller Framsohn aus Heidenreichstein und Wirtex aus Frühwärts (Bezirk Waidhofen an der Thaya) behaupten sich erfolgreich auf dem Markt. Wirtex – die älteste und gleichzeitig kleinste Frottierweberei Österreichs – stand vor einigen Jahren wegen der immer größer werdenden Konkurrenz aus dem Ausland vor der Schließung, konnte sich aber erfolgreich behaupten.

2020: Waldviertler Weberei trotzt Billigkonkurrenz

Jene Betriebe, die den Umbruch überlebten, hätten heute eine „große Berechtigung“, meint Achleitner, der vor einigen Jahre auch Fachvertreter der Textil-, Bekleidungs-, Schuh- und Lederindustrie in Niederösterreich war, „weil keiner mehr ein Massenprodukt hat, sondern mit viel Know-how punktet“. Durch Zollauflagen, globale Lieferprobleme und ein neues Qualitätsdenken würden auch vermehrt Kunden wieder zurückkehren.

Wandel der Industrielandschaft

Die Textilherstellung war einst ein führender Wirtschaftszweig der Monarchie. Heute gibt es in Österreich nur noch 50 Webereien, davon drei industrielle Frottierwebereien im Waldviertel. Aber schon seit einigen Jahren ist die Textilindustrie nicht mehr der Kern der Industrie im Waldviertel, sagte der Regionalexperte Peter Mayerhofer vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) vor vier Jahren gegenüber noe.ORF.at. Die Industrielandschaft im Waldviertel wurde vielfältiger.

Außenansicht der Firma Testfuchs in Groß-Siegharts im Waldviertel, Sommer 2018
ORF
Die Firma Test-Fuchs gilt heute als neuer Leitbetrieb für die Region um Groß-Siegharts

Der Anteil der Textilindustrie sei zwar im Waldviertel noch doppelt so hoch wie in Österreich, aber der Anteil liegt bei drei Prozent der Industriebeschäftigung. "Das ist ein relativ kleiner Bereich. Wir haben viel größere Anteile in der Nahrungsmittelproduktion. Wir haben viel größere Anteile rund um das Thema Holz, wie der Möbelindustrie, wir haben Schuhindustrie, wir haben Druck“, so Mayerhofer.

Sendungshinweis

„Radio NÖ am Nachmittag“, 15.7.2022

Mit hoher Qualität und speziellen Produkten schaffen es laut Mayerhofer die meisten Unternehmen im Waldviertel zu reüssieren. „Natürlich ist es so, dass die Unternehmen firmenspezifische Wettbewerbsfähigkeit brauchen, also Spezifika, die sie von der Konkurrenz abheben. Solange sie das haben, können sie gut performen“, so der Wirtschaftsforscher.

Ein Beispiel dafür ist die Firma Test-Fuchs in Groß-Siegharts, die mit etwa 500 Mitarbeitern heute als größter Betrieb der Region gilt. Das Unternehmen liefert seine Produkte – Prüfgeräte für die Luftfahrt- und Weltraumindustrie – in die ganze Welt. Ein anderes Beispiel ist der Autozulieferer Pollmann aus Karlstein an der Thaya (Bezirk Waidhofen an der Thaya).

Letzte Zeugen der Blütezeit

An die Blütezeit und traditionsreiche Geschichte der Textilindustrie erinnern heute zwei Museen in Groß-Siegharts und Weitra sowie die „Waldviertler Textilstraße“. Sie führt – von Schloss Groß-Siegharts ausgehend – zu alten Fabriksgebäuden und Webereien und zeigt neben der wirtschaftlichen auch die soziale und kulturelle Bedeutung der Textilindustrie in den Bezirken Gmünd und Waidhofen an der Thaya.

Fotostrecke mit 8 Bildern

100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
Das lebende Textilmuseum in Groß-Siegharts zeigt heute noch die letzten Zeugen der einstigen Blützeit, etwa einen Oberschlägerwebstuhl aus der Zwischenkriegszeit
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
Etwa 130 Jahre alte Bandwebstühle im Textilmuseum
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
Innenansicht in ein Weberhaus aus dem 19. Jhdt. mit Hanswebstuhl und Spulmaschine
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Stadtgemeinde Groß-Siegharts
Haspelmaschinen
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Museum Alte Textilfabrik
Das Museum Alte Textil-Fabrik in Weitra
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Zederbauer
Ein alter Webstuhl des Museums
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Zederbauer
100 Jahre NÖ Textil Krise Waldviertel Groß-Siegharts
Museum Alte Textilfabrik

Mit viel Engagement versucht man in Groß-Siegharts zudem, den Standort als Einkaufs- und Gewerbezentrum der Region abzusichern und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Mit dem sanften Tourismus, der großzügigen „Thayaradrunde“ und der Neuerschließung von Bauplätzen will man sowohl als Ausflugs- als auch Wohngemeinde attraktiv sein.