Fertige Erdnüsse und unreife Erdnüsse nebeneinander
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„Menschen im Blickpunkt“

Weshalb die Erdnuss im Weinviertel gedeiht

Kaum einen wirtschaftlichen Zweig trifft die Klimakrise so stark wie die Landwirtschaft – und damit in Niederösterreich viele Familien, die einen Hof betreiben. Familie Romstorfer im Weinviertel hat darauf bereits reagiert: Sie baut Erdnüsse an.

Ursprünglich stammt die Erdnuss aus den Anden Südamerikas. Die größten Mengen werden heute in China, Indien und Nigeria angebaut. Die klimatischen Bedingungen sind auch hier Vorbedingung: Die Pflanze braucht mindestens 25 Grad, um zu gedeihen. Auch das Weinviertel erfüllt diese Bedingungen durch die Klimakrise mittlerweile. Auf 30 Hektar wachsen in Raggendorf (Bezirk Gänserndorf) derzeit Erdnusspflanzen.

„Als wir den Betrieb vom Vater übernommen haben, haben wir gleich geschaut, welche neue Pflanze wir ins Weinviertel bringen können“, erzählt Stefan Romstorfer. „Die Erdnuss ist hitzeresistent, unsere Böden passen und sie kann mit wenig Wasser auskommen.“ Der 35-Jährige führt den Hof mit seinem Bruder Roman.

Mit der Erdnuss bauen die Romstorfers eigentlich eine Hülsenfrucht an, die zur selben Familie wie Bohnen oder Erbsen gehört. Die meisten Eigenschaften teilt sie sich aber mit Nüssen: Sie besteht zur Hälfte aus Fett und hat vergleichsweise wenig Stärke. Während sie in Österreich ihre Hochsaison im Dezember hat, wenn Nikolaussackerl gefüllt werden, ist die Erdnuss in anderen Kulturen viel etablierter. In den USA etwa in Süßigkeiten und Mehlspeisen, in vielen Ländern Asiens und Afrikas als Erdnussöl oder in Saucen.

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Erdnusspflanzenfeld
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„Bei tropischen Nächten hört man sie richtig wachsen", sagt Erdnussbauer Stefan Romstorfer
Erdnusspflanze
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Aus diesen Blüten wachsen weiße Stängel, die sich ihren Weg in die Erde bohren
Erdnüsse in einem frühen Wachsstumsstadion
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An den weißen Stängeln entwickelt sich dann der Fruchtkörper. So sehen die Erdnüsse Anfang August noch aus, gepflanzt wurden sie im Mai.
Erdnussfeld von obe
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Erdnüsse werden maschinell geerntet und reifen dann am Feld nach, bis sie trocken sind
offene Erdnuss
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Eine reife, getrocknete Erdnuss aus der letztjährigen Ernte im Weinviertel
Brot mit Erdnussbutteraufstrich
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Aus den Erdnüssen stellen die Brüder Ramstorfer Erdnussbutter her

Landwirt im zweiten Bildungsweg

Stefan Romstorfer ist ein spätentschlossener Landwirt. Er arbeitete als Wirtschaftsinformatiker, bis es ihn doch auf den elterlichen Betrieb zog. „Ich wollte einfach mit meinen Händen arbeiten, etwas rausbringen, das einen Nutzen hat – etwas, das Menschen ernähren kann“, so Romstorfer über seine Entscheidung. Die Romstorfers haben gern das große Ganze im Blick: „Man kann etwas Neues schaffen, etwas in die Essenskultur bringen, das an die neuen klimatischen Bedingungen angepasst ist.“

Sendungshinweis

„NÖ heute“, 7.8.2022

Am Anfang gab es immer wieder Probleme. In Österreich habe es kein Wissen, keine Maschinen für Erdnüsse gegeben. Stefans Bruder Roman reiste zu einem Erdnussbauer nach Griechenland, um zu lernen. „Die erste Erntemaschine haben wir selbst gebaut, das war eigentlich ein Karottenroder“, erzählt Stefan Romstorfer. Über die Jahre haben sich die Brüder das Wissen und das Equipment aufgebaut. 2021 habe man dann „mehrere hundert Kilogramm pro Hektar“ geerntet, bisher das erfolgreichste Jahr.

„Natürlich“ seien die Erdnüsse mehr Aufwand als etwa Weizenanbau. „Es ist bio, also können wir bei Unkraut nur mit der mechanischen Hacke reingehen. Das ist eigentlich die Hauptarbeit“, so Romstorfer. Der biologische Anbau wird auf dem Hof der Familie seit 1995 betrieben.

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Stefan Romstorfer
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Wirtschaftsinformatiker Stefan Romstorfer ging nach seinem Studium wieder in die Abendschule und wurde landwirtschaftlicher Facharbeiter
Stefan, Franz und Marianne Romstorfer
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Stefan, Franz und Marianne (v.l.) Romstorfer
altes Foto mit einem Traktor, der Melonen erntet
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Seit den 1920ern gibt es die Landwirtschaft in der Familie, erzeugt werden Weizen, Gerste, Wein, Mais und auch Kürbisse
Franz und Stefan Romstorfer auf ihrem Erdnussfeld im Weinviertel
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Erdnüsse ohne lange Transportwege – eines der Felder in Raggendorf

Damals stellte Vater Franz Romstorfer um. Von den Spritzmitteln sei ihm immer schlecht geworden: „Mein Vater wollte mich dann enterben. Er sagte, ich sei verrückt, und alle anderen haben gesagt, jetzt geht der Romstorfer zugrunde.“ Es sei in den 90ern unvorstellbar gewesen, dass Pflanzen ohne Dünger wachsen. Seine eigene Reaktion, als seine Söhne mit den Erdnüssen kamen, war dann übrigens ähnlich: „Ich habe mir gedacht, das funktioniert nie“, sagt der 65-Jährige und lacht.

Wie schnell können wir uns anpassen?

Franz Romstorfer erlebt, wie es trockener und trockener wird: „In den 2000er Jahren hat das mit der Frühjahrstrockenheit begonnen. Vorher haben wir Mais ganz normal angebaut, in drei bis vier Zentimeter Tiefe. 2003 war das vorbei. Wir müssen immer tiefer und tiefer säen, damit die Samen noch die Restfeuchte von weiter unten mitnehmen können.“ Die Romstorfers stellten etwa die Bodenbearbeitung um, damit die Erde nicht mehr so stark verdichtet wird und wieder besser Wasser aufnehmen kann.

Um die 100 Jahre gibt es die Landwirtschaft in der Familie schon: am Anfang nur für die Ernährung der eigenen Familie mit ein wenig Vieh, über den konventionellen Anbau von Zuckerrüben, Weizen und Gerste bis zur Umstellung auf bio – und jetzt die Erdnuss. Immer schneller müssen kleinstrukturierte Betriebe auf geänderte Bedingungen reagieren.