Der Bartgeier (Foto oben) lebt von dem, was alle anderen Tiere übriglassen. Seine Ernährung besteht zu 90 Prozent aus Knochen. Um 1900 wurde das letzte Tier in den österreichischen Alpen gesichtet – dann erst wieder in den 1980ern nach dem Aufzuchtprojekt von Tierarzt Hans Frey.
In den 70er Jahren ließ Frey die noch 30 verbliebenen Bartgeier-Exemplare aus europäischen Zoos nach Haringsee (Bezirk Gänserndorf) bringen. Mit der Zeit bildeten sich Paare und Jungtiere entstanden. Nach zehn Jahren war die Population so weit, dass man sie im Nationalpark Hohe Tauern wieder ansiedeln konnte. „Schrittweise kam immer wieder ein Alpenland dazu, nun haben wir einen soliden Bestand in Frankreich, der Schweiz, Italien und Deutschland“, erzählt Hans Frey.
Wenn sich Bartgeier in Eisenoxid wühlen
Der Bartgeier hat es – bei den vielen Vogelarten in der Station – Frey besonders angetan. „An sich ist der ja weiß wie eine Schneeeule, aber jeder Bartgeier färbt sich gezielt mit roter Farbe ein. Das ist eine Verhaltensweise, die wir das erste Mal hier in Haringsee dokumentieren konnten.“ Dazu badet der Bartgeier in Wasserstellen mit Eisenoxid oder wühlt sich sogar in Eisenoxid.
Warum die Tiere das tun, ist nicht restlos geklärt – wahrscheinlich geht es um Status. „Je besser, stärker sich ein Bartgeier fühlt, desto intensiver färbt er sich ein. Die subdominanten Partner färben sich viel weniger ein. Das stärkste Tier investiert sozusagen mehr Zeit ins Schminken“, erklärt Frey.
In der Eulen- und Greifvogelstation (EGS Haringsee) werden seit 47 Jahren verletzte Tiere aufgepäppelt, aber es wird auch ihr Verhalten erforscht. Bislang konnten etwa 7.500 Turmfalken wieder ausgewildert werden. Gegründet hat Frey die Station aus eigenem Bedarf heraus: „Ich war an der Veterinärmedizinischen Uni in Wien angestellt. Da konnten wir zwar Adler therapieren, aber nicht auf ihre Freilassung vorbereiten. Es war notwendig, dass wir Gehege machen“, so der heute 78-Jährige. Dass sein Beruf später einmal etwas mit Tieren zu tun habe, sei ihm schon als Kind klar gewesen.
„Mein Glück war, dass man da in den 70ern diese erste Phase hatte, in der man über Wildtiere Erfahrungen gesammelt hat. Wir wussten damals viel über die madagassische Schnecke, aber über die heimischen Wildtiere war viel zu wenig bekannt“, blickt Frey im Gespräch mit noe.ORF.at zurück.
Sendungshinweis
„NÖ heute“, 28.8.2022
Wenn Vögel glauben, Menschen zu sein
Frey steuerte zu diesem Wissen viel bei: Etwa, als er gemeinsam mit einem Bartgeier-Männchen ein Nest baute und Eier ausbrütete. „Der wurde vermutlich als Jungvogel verletzt und dann von Hand aufgezogen. Damit wird er vom Menschen geprägt und hat nur mehr Menschen als Artgenossen anerkannt.“ Mit Kunsteiern habe Frey den Vogel zum Brüten stimuliert – aber so ein Tier erwarte dann auch von seinem Partner, also Frey, dass er mitbrütet. „Diese Jungen fliegen heute noch in den Alpen.“
Die Prägung der Tiere auf Menschen sei eines der größten Probleme. Ein von Hand aufgezogener Steinadler beispielsweise attackiert so etwa Menschen, um sie aus seinem Territorium zu vertreiben. In Haringsee wird deswegen „kein Greifvogel, keine Eule, kein Storch per Hand aufgezogen“, so Frey. Die Tiere bekommen Ammen – also jene Tiere, die so verletzt oder beeinträchtigt sind, dass man sie nicht mehr in die Natur zurücklassen kann.
Derzeit herrscht Hochsaison, wenn es um neue Patienten geht. „Von Juni bis August ändert sich hier eigentlich stündlich die Zahl der Tiere. Da werden die meisten Jungtiere gebracht.“ Bis zu 1.500 Tiere würden dann betreut, im Schnitt sind es das Jahr über 800. Dazu gehören auch Ziegen, Fischotter und Schildkröten – beim Besuch der Vogelstation empfiehlt es sich, nicht nur in den Himmel zu den Vögeln, sondern auch auf den Boden zu schauen, die Schildkröten tauchen nämlich aus allen Gebüschen auf. Genommen werden allerdings nur heimische Wildtiere, keine Exoten.
Heuer wurde erstmals ein verletztes Murmeltier gebracht – genau das sei an seinem Beruf so motivierend und erfüllend: „Man lernt wieder eine neue Tierart kennen und macht sich mit den Verhaltensweisen vertraut. Es ist jeder Tag anders, immer erwarten einen neue Herausforderungen.“