Stapellauf des Schulschiffs in Korneuburg
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„100 Jahre Niederösterreich“

Das skurrile letzte Schiff aus Korneuburg

Knapp 150 Jahre lang war Korneuburg untrennbar mit dem Bau und der Reparatur von Schiffen verknüpft. Zwischenzeitlich konstruierte die Werft sogar Hochseeschiffe. 1993 lief das letzte und gleichzeitig wohl das ungewöhnlichste Schiff vom Stapel.

Selten waren sich Freude und Trauer so nah wie an diesem Jännertag 1993 in Korneuburg. Ein gewaltiges Schiff schlitterte dem Werftbecken entgegen und kam zum ersten Mal in Kontakt mit dem Donauwasser. Ein Meilenstein für das Wiener Schulschiff und – wie jeder Stapellauf – ein Freudentag für die Werftmitarbeiter.

Gleichzeitig aber war es ein tragischer Schlusspunkt in der fast eineinhalb Jahrhunderte dauernden Geschichte des Betriebs. Die skurrile „Bertha von Suttner“ – dazu später mehr – sollte das letzte Schiff sein, das die geschichtsträchtige Korneuburger Werft verlässt. Doch wie kam es dazu? Und was bedeutete das für die bisherige Industriestadt?

DDSG-Werft in der Monarchie

Begonnen hatte alles mit der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft (DDSG). Die Korneuburger Geschichte ist eng mit der Gesellschaft verbunden, die 1830 erstmals eine Dampfschiff-Verbindung von Wien nach Budapest einrichtete. Sie verfügte in den Jahrzehnten nach ihrer Gründung über ein kaiserliches Monopol auf die Donauschifffahrt und konnte ihre Vormachtstellung auch danach halten.

„Die erste Werft der DDSG entstand 1835 in Altofen in Ungarn, dort wurden in großer Menge Schiffe gebaut“, sagt Otto Pacher. Der langjährige Werftmitarbeiter ist heute Obmann des Korneuburger Museumsvereins. „Die DDSG ist sehr schnell gewachsen und hat im Winter Schutzhäfen gesucht“, erklärt er. Die Donau war zu diesem Zeitpunkt nicht reguliert, in den Wintermonaten konnte sie in der Regel nicht befahren werden. „Der Altarm in Korneuburg hat sich angeboten und daraus ist 1852 eine Reparatur- und Schleppbauwerft entstanden.“ Verwaltet wurde der neue DDSG-Standort vorerst von der ungarischen Hauptwerft.

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Geschichte der Korneuburger Werft
Museumsverein Korneuburg
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Neben Reparatur- und Wartungsarbeiten wurden in diesen Jahren bereits die ersten Güterkähne gebaut – „zu Beginn in Holzbau, später war der Schiffskörper aus Stahl oder Eisen und nur der Schiffboden aus Holz“, so Pacher. Korneuburg festigte seinen Platz als eine der wichtigsten DDSG-Werften.

Vom Dampfschiff zum U-Boot-Turm

1897 lief hier das erste Dampfschiff vom Stapel, bis hin zum Ersten Weltkrieg wurde der Standort wieder und wieder ausgebaut. Die maximale Größe erreichte die Werft nach einer Zeit der Krise im Zweiten Weltkrieg. Neben Kriegsgefangenen kamen damals auch spezialisierte Fremdarbeiter aus dem niederländischen Rotterdam nach Niederösterreich – und zwischenzeitlich wurden hier sogar U-Boot-Türme für die Endmontage in Norddeutschland gefertigt.

Mit dem Boom der Donauschifffahrt und der zunehmenden Größe der Werft stieg auch deren Bedeutung für die Region. Immerhin war die DDSG in den 1880er-Jahren die größte Binnenreederei der Welt, „es gab sogar Verbindungen bis nach Istanbul“, sagt der Historiker. Waren zu Beginn in Korneuburg lediglich 60 Arbeiter beschäftigt, so waren es während der NS-Zeit 1.700.

„Korneuburg war die Schiffbaustadt schlechthin“, erzählt Pacher. Der Name der Stadt sei weltweit bekannt gewesen, bis hin nach Ecuador oder auch Indonesien. In der Region sei die Werft der Hauptbetrieb gewesen; die Arbeiter kamen aus umliegenden Ortschaften, teilweise aber auch aus dem Waldviertel und aus Wien. „Das ganze Stadtleben, alle Geschäfte vom Fleischhauer bis zum Bäcker, alle waren Zulieferer.“

Krisen als ständige Begleiter

Geprägt war die Geschichte der Werft auch von wirtschaftlichen Problemen, von Zeiten des Auftragsmangels und der Kurzarbeit. Die erste große Krise kam mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Beginn der Ersten Republik. Von der bisherigen Monarchie war plötzlich nur noch ein kleiner Teil übrig, von der eng damit verknüpften DDSG ebenso. „Die DDSG wurde zerschlagen und verlor die Hälfte ihrer Schiffe“, sagt Werfthistoriker Pacher. „Es gab keine Arbeit, keine finanziellen Mittel. Die DDSG fiel in ausländische Hände.“ Erst Ende der 1920er-Jahre wurde wieder investiert, um mit neuen Schiffen die Donauregulierung voranzutreiben.

Zu einer Krise kam es auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die siegreichen Sowjets hatten drei Viertel der Maschinen abmontiert, damit war ein Weiterbetrieb in Korneuburg kaum möglich. „Wenig später erkannten sie aber, dass eine Werft für den Schiffsverkehr auf der Donau und auch für jenen in Russland wichtig ist“, so Pacher. Deshalb wurde doch ein Weiterbetrieb erlaubt, im Rahmen der sowjetischen Wirtschaftsverwaltung (USIA). In der Donau versenkte Schiffe wurden hier nun wieder fahrtüchtig gemacht – und internationale Kontakte geknüpft, die in weiterer Folge überlebensnotwendig werden sollten.

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Geschichte der Korneuburger Werft
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Neue Chance durch Hochseeschifffahrt?

Die Zeit nach dem Staatsvertrag 1955 war nämlich von innerstaatlicher Konkurrenz geprägt. Schließlich gab es in Linz ebenfalls eine Werft, die bei österreichischen Projekten meist als Siegerin hervorging. „Die Binnenschifffahrt konnte beide Werften nicht auslasten. Deshalb hat sich der damalige Direktor dazu entschieden, den Hochseeschiffbau zu betreiben“, erinnert sich Kurt Rafalzik gegenüber noe.ORF.at. Der gelernte Schiffsbauer und Ingenieur kam in den 1950ern aus Deutschland nach Korneuburg und brachte es hier in knapp 40 Dienstjahren bis zum Direktor.

Stapellauf der „Anton Tschechow“

Die „Zeit im Bild“ berichtet im Jahr 1977 vom Bau von Ausflugsschiffen für die Sowjetunion.

„Wir haben praktisch in die ganze Welt Schiffe geliefert – unter schwierigsten Umständen, denn Österreich hatte ja keine direkte Zulieferindustrie“, erzählt Rafalzik. Man habe die meisten Teile und Geräte aus dem Ausland zukaufen müssen. Außerdem habe Österreich den Schiffsbau weit weniger gefördert als andere Staaten. „Das ist so weit gegangen, dass in den letzten Jahren beispielsweise die Türkei praktisch 50 Prozent der Produktionskosten übernommen hat. In Korneuburg mussten wir kämpfen, dass wir Aufträge bekommen.“

Sendungshinweis

„Radio NÖ am Vormittag“, 2.9.2022

Aus diesem Grund wurden auch die Kontakte aus der Besatzungszeit ausführlich genutzt. Immer wieder wandte sich die Werft Richtung Moskau, um Aufträge für die Sowjetunion zu bekommen. „Aufgrund meiner Russischkenntnisse hatte ich sehr viele Kontakte mit der sowjetischen Schifffahrt – heute wäre das hauptsächlich die ukrainische Schifffahrt“, erinnert sich Rafalzik. Besonders stolz war man auf Flusskreuzfahrtschiffe, die in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion zum Teil heute noch in Betrieb sind.

Harte Bedingungen für Arbeiter

„Ob bei Temperaturen von minus 20 Grad oder bei 30, 40 Grad plus – ich musste immer zur Stelle sein, damit die Produktion weiterläuft“, erzählt Erwin Steinfeld, der ab 1973 in der Werft tätig und später dort für Maschinenwartung und insbesondere für die Kräne zuständig war. Trotz der harten Arbeitsbedingungen erinnert er sich heute mit Wehmut an damals zurück: „Ich bin ein waschechter Korneuburger und bin stolz gewesen, dass ich in der Werft arbeiten durfte.“ Es sei eine „wunderschöne Zeit“ gewesen.

In seinem Aufgabenbereich erlebte Steinfeld zahlreiche Krisen mit, in denen der Betrieb mit Auftragsflauten zu kämpfen hatte. „Mein Glück war, dass zwischen den Aufträgen Umbauten zu machen waren, von alten Geräten auf neue. Kräne wurden zerlegt und wieder eingebaut.“ Dadurch hatte der Korneuburger in der Werft weiterhin genug Arbeit – ein Glück, das nicht alle Beschäftigten hatten.

Besonders drastisch wirkte sich ein missglückter Auftrag über zehn große Schiffe aus Schweden aus. Kurz nach Vertragsabschluss 1973 stellte sich heraus, dass dieses Projekt 700 Millionen Schilling Verlust bringen würde, zu groß waren die Dimensionen der geforderten Schiffe. Bei Nachverhandlungen konnte dieser Schaden auf etwa 200 Millionen Schilling begrenzt werden.

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Wirtschaftliches Sorgenkind

Inzwischen hatte sich die Eigentümerstruktur verändert. Der Standort Korneuburg war nun nicht mehr Teil der DDSG, sondern bildete gemeinsam mit der Linzer Werft eine neue Gesellschaft. Über den Umweg der Voest-Alpine befand sich diese nach wie vor im staatlichen Eigentum. Einzelne Aufträge sicherte sich die Werft zwar in diesen Jahren, besser stieg aber meistens Linz aus. Dadurch wurde die wirtschaftliche Lage immer prekärer, die Verluste summierten sich.

„Es hat schöne Tage auf der Werft gegeben und traurige Tage“, erinnert sich der frühere Betriebsratsvorsitzende Herbert Mannhart. Wenn am Hafen neue Schiffe zu sehen waren oder Schiffstaufen stattfanden, seien das glückliche Tage gewesen. „Aber es hat auch genug traurige Tage gegeben.“

Einer der traurigsten Tage für die Belegschaft: die Privatisierung 1990. Ein neuer Investor übernahm die Werften Linz und Korneuburg zu zwei Dritteln. Harte Einschnitte wurden angekündigt. Der Personalstand sollte reduziert, Liegenschaften verkauft werden. Doch es kamen keine weiteren Aufträge, das Ende rückte immer näher. Eine mögliche Lieferung an die Sowjets scheiterte am Untergang der UdSSR.

Die schwierige Situation 1991

Nach der Privatisierung zieht die Werft Korneuburg keine Aufträge mehr an Land – die Zukunft des Standorts ist offen.

„Freunde, es ist vorbei“

Die Erinnerungen sind für den damaligen Betriebsrat schmerzhaft: „Das waren Zeiten, als ich vor die Belegschaft treten musste und sagen musste, ‚Freunde, Kollegen, es ist vorbei‘.“ Er habe viele schlaflose Nächte gehabt, „weil ja viele Familien in der Werft beschäftigt gewesen sind“. Die früheren Mitarbeiter vermuten heute, dass ein Weiterbetrieb des Standorts Korneuburg bei der Privatisierung nie ernsthaft geplant war.

Einen letzten Auftrag konnte die Werft in diesen schweren Monaten dennoch an Land ziehen. Dessen kuriose Geschichte erzählt Walter Poetzl, der damals im Projektbüro arbeitete: Dort habe man gesehen, „dass im zweiten Bezirk eine achtklassige Volksschule fehlt“. Daraufhin sei man auf die Idee gekommen, der Stadt Wien eine schwimmende Schule vorzuschlagen.

„Wir haben das Projekt in unserer Freizeit gemacht, sind damit zum Stadtschulrat gegangen“, erinnert sich Poetzl. Erst als tatsächlich Interesse bekundet wurde, habe man den Chefs von der Idee erzählt. Schließlich sei zwar keine schwimmende Volksschule beauftragt worden, dafür aber ein deutlich größeres schwimmendes Gymnasium mit 36 Klassen: das Schulschiff „Bertha von Suttner“.

„Zwei Kreuzfahrtschiffe mit Wohnwagenanhänger“

„Wir konnten offiziell planen und haben in Korneuburg angefangen zu schneiden und zu schweißen. Dann haben die Herren gesagt, das schaut aus wie eine normale Schule, sie wollen es anders haben“, so Poetzl. Mitten im Bau sei das Projekt massiv umgeplant worden, „sodass es jetzt aussieht wie zwei Kreuzfahrtschiffe mit einem Wohnwagenanhänger“.

Der letzte Auftrag für die Werft

Das Schulschiff nahm im Jahr 1993 Form an – die „Zeit im Bild“ berichtete über die bevorstehende Schließung des Standorts.

Das Projekt Schulschiff verzögerte das Ende der Werft um etwa ein Jahr, verhindert werden konnte es nicht. „Wir haben schon gewusst, sie sperren uns zu“, sagt der ehemalige Konstrukteur. „Für uns war es eine Möglichkeit, dass wir uns für die Zeit danach umschauen konnten.“ Mit dem Fortschreiten der Arbeiten wurden immer mehr Werftbereiche geschlossen. Nicht mehr benötigte Jobs wurden abgebaut, Maschinen verkauft.

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Werft Korneuburg
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Die „Bertha von Suttner“ ist seit den 1990ern fest an der Wiener Donauinsel vertäut
Werft Korneuburg
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Der Katamaran dient zahlreichen Schülerinnen und Schüler aus Wien und der Umgebung als Unterrichtsort
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Der „Anhänger“ am Heck dient als schwimmende Turnhalle
Geschichte der Korneuburger Werft
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Ein Plan des Schulschiffs

„Ich war bis zur letzten Minute auf der Werft“, erzählt Erwin Steinfeld. „Ich habe leider Gottes miterlebt, wie das alles verkauft worden ist.“ Als Zuständiger für die Instandhaltung habe er die Geräte abbauen müssen. Allerdings sei er dadurch in Kontakt mit Fremdfirmen gekommen, von denen eine ihn direkt übernahm.

Später kam er zu einem kleinen Unternehmen, das in Korneuburg erneut kleine Boote baute, sich aber auch nicht auf Dauer halten konnte. Die restlichen 20 Berufsjahre bis zu seiner Pensionierung verbrachte Steinfeld als Schlosser der Stadtgemeinde Korneuburg.

Träume von der Werft

Seine Geschichte ist kein Einzelfall. In einer ersten Phase sei die Belegschaft vom Ende geschockt gewesen, so Betriebsrat Mannhart, „dann musste sich jeder neu orientieren“. Schweißer, Tischler und andere Handwerker fanden meist binnen relativ kurzer Zeit neue Jobs, gerade bei älteren Arbeitern sei die Vermittlung allerdings schwierig gewesen. Zudem musste jeder Nachteile in Kauf nehmen, berichtet Mannhart: „Jeder musste pendeln, jeder musste Abstriche machen und jeder träumt heute noch von der Werft.“

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Werft Korneuburg
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Die Überreste der ehemaligen DDSG-Werft sind heute noch klar zu sehen
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Wo Arbeiter unter harten Bedingungen Schiffe bauten, ist nun eine Strandbar eingerichtet
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Die ehemalige Helling, die für Stapelläufe verwendet wurde, ist nun ein Ort zum Baden
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Auch die historische Werfthalle aus dem frühen 20. Jahrhundert ist noch zu sehen, sie wurde zuletzt als Veranstaltungsort genutzt
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In den Verwaltungsgebäuden ist eine Gesellschaft der Signa-Holding von Rene Benko eingezogen
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Sie will das Areal in den nächsten Jahren entwickeln und auf 15 Hektar Raum für 1.600 Bewohnerinnen und Bewohner schaffen

Immer wieder wurden Anläufe unternommen, die Industrieruine wieder instandzusetzen bzw. anderweitig zu nutzen. „Es hat im Laufe der Jahre nach Schließung der Werft die kuriosesten Ideen gegeben“, so Ex-Direktor Rafalzik, „angefangen von einer Universität bis zu einer chinesischen Stadt auf der Halbinsel. Das ist alles in die Hose gegangen.“

Parallel dazu musste das kontaminierte Areal gereinigt werden – Anfang der 2000er-Jahre führte das Umweltbundesamt eine Altlast-Sanierung durch. Mittlerweile kann das Gelände als Naherholungsgebiet samt Beachclub und Bademöglichkeit genutzt werden. Das Potenzial der alten Werft ist damit allerdings längst nicht ausgeschöpft.

Neuer Anlauf für „Neue Werft“

Ändern will das die Signa-Holding des Milliardärs Rene Benko. Gemeinsam mit der Stadt Korneuburg will sie das Areal in den kommenden Jahren entwickeln. Geplant ist eine Mischung aus Wohnraum, Kultur, Gastronomie und Bildungseinrichtungen. Vor wenigen Monaten wurde ein Antrag für eine entsprechende Umweltverträglichkeitsprüfung eingereicht – niederösterreichweit zum ersten Mal überhaupt für einen gesamten Stadtteil. Die geschätzten Projektkosten belaufen sich auf etwa eine halbe Milliarde Euro, ein neues Zuhause für etwa 1.600 Bewohnerinnen und Bewohner soll so entstehen.

Kritik aus der Umgebung – auch von ehemaligen Werftmitarbeitern –, dass sich wohl nur Reiche den neuen Wohnraum leisten könnten, widersprechen die Verantwortlichen auf Anfrage von noe.ORF.at. Mindestens 30 Prozent der Wohnungen sollen demnach gefördert werden, die restlichen 70 Prozent werden am freien Markt veräußert. „Wichtig ist uns auch, dass die Gemeinde die Zuweisungsrechte dazu hat“, heißt es seitens des Stadtentwicklungsfonds. „Wir wollen leistbaren Wohnraum für KorneuburgerInnen schaffen.​“

Die denkmalgeschützten Werfthallen sollen erhalten und in das Konzept eingebunden werden. So soll zumindest ein Teil der Industriegeschichte erhalten bleiben. Ob dort zusätzlich auch noch ein Werftmuseum eingerichtet wird, steht noch nicht fest. Otto Pacher und seine ehemaligen Kollegen kämpfen jedenfalls dafür.