Sondierstollen Semmering 1998
APA/Robert Jäger
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„100 Jahre NÖ“

Semmering: Ein Tunnel trennt zwei Länder

Selten polarisierte Langzeit-Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) so wie beim Projekt des Semmeringbasistunnels. In den späten 1980ern angekündigt, sorgte der Tunnel auf allen Verwaltungsebenen für jahrzehntelangen Streit – auch innerhalb der ÖVP.

Die Bahn stand 1987 unter großem Druck. In den 15 Jahren davor hatte der vergleichsweise günstige Verkehr auf der Straße den ÖBB immer mehr Marktanteile genommen, sowohl beim Güter- als auch beim Passagiertransport. Am 4. Mai holte Verkehrsminister Rudolf Streicher (SPÖ) zum Gegenschlag aus. Er kündigte an, 60 Milliarden Schilling über die kommenden Jahre in die Bahninfrastruktur zu stecken. Vorbilder waren etwa Frankreich oder Japan, die mit ihrem Hochgeschwindigkeitsbahnnetz dem internationalen Trend trotzten.

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„Radio NÖ am Vormittag“, 12.9.2022

„Neue Bahn“ hieß das Großprojekt. Dessen einzelne Teilbereiche „gruppieren sich um eine erhöhte Leistungsfähigkeit der Strecken, neue Güterterminals sowie modernere Schienentransportmittel für den Frachtverkehr“, berichtete damals die Austria Presse Agentur. „Im Personenverkehr gehören dazu die Einführung eines dichteren Taktfahrplanes, Bahnhofsausbauten wie z.B. für Park and Ride, den Anschluss Österreichs an das internationale Intercity-Express-Netz sowie den Bau des Wiener Zentralbahnhofs.“

Eher am Rande der Präsentation kam erstmals ein Thema vor, das in den Jahrzehnten danach fast andauernd im Mittelpunkt stehen sollte: eine Tunnelverbindung zwischen den Bundesländern Niederösterreich und der Steiermark. „Das erste Großprojekt werde der Semmeringtunnel sein“, schrieb die APA dazu. Dieser könne auf der Südstrecke eine Fahrzeitverkürzung um 30 Minuten bringen – „und nach einer sechsjährigen Bauzeit ab 1993/94 fertig sein“.

Dokumentation „Ein Berg lebt auf – der Semmering als Sehnsuchtsort“
ORF NÖ
Der Semmering an der Grenze zwischen Niederösterreich und der Steiermark

Österreichs „Schritt in die Zukunft“

In den 70er- und 80er-Jahren habe man zwar „begonnen, ein bisschen den Nahverkehr auszubauen, auch in Niederösterreich – aber der große Wurf war das noch nicht“, erinnert sich Gustav Hammerschmid, der bereits früh in das Projekt „Neue Bahn“ involviert war. Dieses sei für den österreichischen Bahnverkehr der „Schritt in die Zukunft“ gewesen.

Innerhalb des Projekts habe der Semmeringtunnel „mehr oder weniger die gleiche Priorität gehabt wie zum Beispiel die Westbahn auch“, so Hammerschmid. Allerdings sei der Basistunnel in den Planungen schon etwas weiter gewesen als etwa die Tullnerfeld-Strecke, „die ja heute schon längst fertig ist“. Auf seiner Fahrt zum Interview mit noe.ORF.at nach St. Pölten habe er sich gedacht: „So bequem und so schnell könnte es auf der Südbahn auch schon gehen.“

Erste Erfolge für Tunnelprojekt

Tatsächlich gingen die Planungen in der ersten Zeit gut voran. Im Juni 1988 beschloss der ÖBB-Vorstand eine konkrete Trasse von Gloggnitz über Reichenau und Edlach (alle Bezirk Neunkirchen) bis Mürzzuschlag in der Steiermark. 5,3 Milliarden Schilling sollte der Tunnel kosten, dafür gebe es pro Jahr künftig Einsparungen von etwa 100 Millionen Schilling. Immerhin verkürze sich die Fahrzeit Richtung Süden um eine halbe Stunde, zusätzlich erspare man sich die energieintensiven Steigungen der bisherigen Bergstrecke.

Grafik zum ersten Semmeringbahntunnel
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„Die Signale stehen auf grün“, titelte die APA auch noch im Februar des darauffolgenden Jahres. Im Parlament wurde damals die Finanzierung des Tunnelprojekts beschlossen, damit gehe „die Ära des Carl Ritter von Ghega zu Ende. Vor 135 Jahren hatte der Ingenieur in sechs Jahren Bauzeit die damals kühnste Gebirgsbahn in die Täler und unter die Kuppen des Semmerings gelegt. Ab 1993 sollen die Züge mit bis zu 160 km/h durch den 12,5 Kilometer langen Basistunnel und zwei kleinere Tunnel flitzen.“

Eine Direktverbindung Richtung Süden

Der Bund gründete dafür die Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-AG (HL AG), Hammerschmid saß hier im Vorstand. Ins Team für den Semmering holte er Franz Bauer, der 1995 zum Projektleiter aufsteigen sollte. Dieser war von der Wirtschaftlichkeit des Projekts von Anfang an überzeugt.

„Man muss von Gloggnitz bisher 460 Meter auf den Berg hinauffahren, dann wieder 220 Meter hinunter“, erklärt er. Mit einem Basistunnel als Direktverbindung könne man sich das ersparen. „Dann hat man de facto nur mehr Richtung Süden diese 240 Meter zu überwinden und Richtung Norden geht es nur bergab.“

LH Waltraud Klasnic als „Hard-Head“
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Waltraud Klasnic, jahrzehntelange Kämpferin für den Tunnel

Unterstützung für das Projekt gab es allerdings nicht nur im Bund. Dessen größte Fans waren in der Steiermark zu Hause. Sie hatten jahrelang darum gekämpft, besser an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen zu werden. Eine der Verfechterinnen: ÖVP-Politikerin Waltraud Klasnic, zu diesem Zeitpunkt Wirtschaftslandesrätin.

Sinnloses „Zugeständnis an die Baulobby“?

Doch bereits damals wurde auch vereinzelt Kritik laut. „Wenn man will, dass die Bahn ein bisserl moderner, ein bisserl schneller und ein bisserl leistungsfähiger wird, dann ist der Tunnel sicher eine Lösung“, wurde ein Eisenbahnexperte aus Graz von der APA zitiert, „aber eben nicht die beste“. Ein Raumplaner sprach von einer „sinnlosen Mobilität“, ein weiterer von „falschen Prioritäten“, der Verkehrsclub Österreich von einem „Zugeständnis an die Baulobby“. Dazu kam lokaler Widerstand von Anrainern, die zusätzlichen Lärm und die Einstellung der bisherigen Ghega-Strecke befürchteten.

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Ghega-Strecke am Semmering
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Die alte Semmeringbahnstrecke,…
Ghega-Strecke am Semmering
APA/ÖBB
…erbaut von Carl Ritter von Ghega,…
Ghega-Strecke am Semmering
APA/ÖBB
…sollte weiterhin in Betrieb bleiben, so die Forderung
Ghega-Strecke am Semmering
APA/Günter Artinger
Sie wurde tatsächlich weiterhin verwendet…
Urkunde UNESCO-Weltkulturerbe für Semmeringbahn
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…und im Jahr 1998 sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt

Bald schloss sich auch Erwin Pröll diesen Standpunkten an. Der niederösterreichische ÖVP-Politiker war zu diesem Zeitpunkt genauso wie seine spätere Gegenspielerin Klasnic noch nicht im höchsten Amt seines Bundeslands. Als Stellvertreter von Landeshauptmann Siegfried Ludwig (ÖVP) und zuständig für Verkehrsthemen kritisierte Pröll „fragliche Wirtschaftlichkeit, ökologische Bedenken, das Fehlen eines konkreten Projektes und den möglichen Schaden für den niederösterreichischen Fremdenverkehr“. Viele dieser Punkte sollte er auch viele Jahre später wiederholen.

Heftiger politischer Beschuss kam damals von der SPÖ Niederösterreich. Sie warf der Volkspartei vor, das Projekt jahrelang unterstützt zu haben und nur aufgrund der anstehenden Gemeinderatswahlen umzuschwenken. Die ÖVP-Landespartei wies diesen Vorwurf wiederum zurück, auch die SPÖ habe sich aus Umweltgründen gegen Hochgeschwindigkeits-Bahnprojekte ausgesprochen.

Ostöffnung bringt Projekt ins Wanken

Die geopolitischen Entwicklungen sollten den Tunnelgegnern in der Folge in die Karten spielen – war diese entscheidende Phase für den Tunnel doch just jene, in der der Eiserne Vorhang fiel und der Osten plötzlich zum Greifen nah war.

Diese Entwicklung erfordere ein „Überdenken und eine grundsätzliche Änderung der gesamten österreichischen Verkehrspolitik“, so Pröll damals. Man müsse die geplanten Investitionssummen nun vielmehr dafür verwenden, den öffentlichen Verkehr in die Nachbarstaaten massiv auszubauen und die regionalen Strecken zu stärken. Andernfalls komme es zu einem Lkw-Transitproblem – und „Niederösterreich darf nicht zum Inntal des Ostens werden“, betonte Pröll. Trotz Planung und Finanzierung erhielt der Semmeringtunnel in Niederösterreich in der Folge nur die Prioritätsstufe zwei, dadurch solle die Realisierung erst in zehn bis 15 Jahren in Angriff genommen werden.

Niederösterreich bekämpft Vorhaben

1991 sprach sich der damalige LH-Stv. Pröll klar gegen das Tunnel-Projekt aus. Zuerst sollten andere Infrastruktur-Vorhaben abgeschlossen werden, forderte er.

Der ursprüngliche Zeitplan, der eine Fertigstellung 1993 vorsah, war zu diesem Zeitpunkt längst ad acta gelegt worden. Zu groß war der Widerstand gegen das Projekt. Im August 1992 unterbrach Verkehrsminister Viktor Klima (SPÖ) sämtliche Vorbereitungsarbeiten. Zuerst sollte eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden.

ÖVP gegen ÖVP: Pröll als „williger Handlanger“?

Die Steirerin Klasnic blieb währenddessen bei ihrer Position, diametral jener von Pröll entgegengesetzt. Die Gräben zwischen den beiden Parteifreunden konnte auch ein Koordinierungsgespräch in Wien nicht zuschütten. „Pröll hätte gerne Eisenbahnstrecken in Niederösterreich. Das ist legitim für einen Landeshauptmann-Kandidaten“, sagte Klasnic danach. Allerdings: „Es gibt einen gewählten Landeshauptmann. Und Siegfried Ludwig ist sehr dafür.“

ZU APA 331                        Semmering-Tunnel-Gipfel im Verkehrsministerium: bei einem GipfelgesprŠch  Ÿber den Semmeringbasistunnel besprechen heute im Wiener Verkehrsministerium unter der Leitung von Verkehrsminister Casper Einem (l.)  u. A. auch die Steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic und der niederšsterreichische Landeshauptmann Erwin Pršll  die Situation rund um das Projekt.    APA-Photo:  Hopi Media
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Gipfelgespräch 1998 unter der Leitung von Verkehrsminister Caspar Einem (l., SPÖ) mit der steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic und Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll

Die steirische ÖVP legte später nach. Laut einer Aussendung sei Pröll ein „williger Handlanger gegen einen Gutteil wirtschaftspolitischer Interessen niederösterreichischer Industrieregionen“. Der Konflikt zwischen den schwarz regierten Bundesländern war vollends entbrannt – später ergänzt durch Kärnten, damals ebenfalls mit einem Landeshauptmann der ÖVP, der den Tunnel klar befürwortete.

Fragwürdige Fragen in Studien

Es folgten ein Abtausch von ökologischen und wirtschaftlichen Studien sowie eine Reihe von Umfragen. Zu einem einheitlichen Ergebnis kamen sie nicht. Von beiden Seiten gab es Kritik an der Fragestellung des jeweiligen Gegenübers. So wurde einerseits gefragt: „Was halten Sie im Zusammenhang mit zukünftigen Gütertransitzuwächsen vom Bau des Eisenbahn-Semmeringbasistunnel?“ Eine zweite Studie fragte andererseits mit erkennbar anderem Einschlag: „Halten Sie es für sinnvoll, acht bis zehn Milliarden Schilling Steuergeld für eine zweite Bahnstrecke unter dem Semmering auszugeben?“

Studie stützt Befürworter

Eine Studie des „Prognos“-Instituts kam 1993 zum Schluss, dass das Projekt wirtschaftlich vorteilhaft sei. Die Bauarbeiten wurden daraufhin fortgesetzt.

Unterdessen rollten am Fuße des Semmerings tatsächlich die Maschinen an. 1994 wurde der Spatenstich für Vorarbeiten für einen Tunnel vorgenommen, der nie fertig werden sollte. Ein Pilotstollen wurde gegraben, 3,5 Kilometer in den Berg hinein. Gleichzeitig wurde der eisenbahnrechtliche Baubescheid erlassen.

Während die Politik um das Projekt stritt, explodierten die Kosten. 1997 waren bereits eine Milliarde Schilling verbaut – ohne dass eine Fertigstellung des Tunnels absehbar war. Die Finanzierung rückte in immer weitere Ferne.

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Sondierstollen Semmering 1998
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Der Sondierstollen im Jahr 1998
Sondierstollen Semmering 1998
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Die Arbeiten schritten damals voran
Sondierstollen Semmering 1998
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Ein Arbeiter sprühte flüssigen Beton zur Unterstützung der Stollenwand
Sondierstollen Semmering 1998
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Unter Tage kam es auch zu Verletzungen
Sondierstollen Semmering 1998
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Lange dauerten die Arbeiten allerdings nicht

Die Liste an Problemen sollte weiter wachsen: 1996 etwa, als es im Sondierstollen zu einem Wassereinbruch kam. Die Verantwortlichen hatten zwar laut eigenen Angaben mit Derartigem gerechnet – der Einbruch untermauerte allerdings die Argumente der Tunnelgegner rund um mögliche Umweltprobleme, insbesondere zum Schutz der Trinkwasserversorgung.

Juristischer Kleinkrieg über alle Instanzen

Zusätzliche Schwierigkeiten machte den Verantwortlichen die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen, als sie 1998 einen negativen Naturschutzbescheid erließ. Die Projektverantwortlichen gingen gegen den Bescheid vor, scheiterten aber bei der Landesregierung erneut – und riefen den Verfassungsgerichtshof (VfGH) als Höchstgericht an.

1999 entschied dieser, der Beschwerde stattzugeben und das zugrundeliegende Naturschutzgesetz des Landes aufzuheben. Dieser Schritt wurde von beiden Seiten unterschiedlich interpretiert. Klasnic ortete einen „Erfolg für den gesamten Süden Österreichs“ und forderte den Bund zu einer raschen Ausschreibung auf – bei raschem Handeln könnte der Tunnel nun immerhin bis zum Jahr 2007 fertiggestellt werden. „Dieses Match hat Landeshauptmann Pröll zu Null verloren“, stellte der steirische ÖVP-Landesgeschäftsführer Reinhold Lopatka fest. „In diesem Fall ist Pröll, der in der Volkspartei ein Riese ist, ein gefesselter Riese.“

Der Angesprochene hingegen sah „keine Rechtsgrundlage für den Baubeginn“, er zeigte sich mit dem Erkenntnis ebenfalls „sehr, sehr zufrieden“. Immerhin habe der VfGH klargestellt, dass das Land in derartigen Fällen umweltrechtlich überhaupt zuständig sei.

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Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Ludwig Adamovich, vor Beginn der Verhandlung über die VfGH-Beschwerde der HL-AG gegen  den SBT-Naturschutz-Bescheid der NÖ Landesregierung
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Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Ludwig Adamovich, vor Beginn der VfGH-Verhandlung über die Beschwerde gegen den Naturschutz-Bescheid der Landesregierung
Generaldirektor der Eisenbahn-Hochleistungsstrecken AG, Walter Brenner, und Rechtsanwalt Michael Wild (L.)  vor Beginn der Verhandlung über die VfGH-Beschwerde der HL-AG gegen  den SBT-Naturschutz-Bescheid der NÖ-Landesregierung
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Generaldirektor der Eisenbahn-Hochleistungsstrecken AG, Walter Brenner, und Rechtsanwalt Michael Wild (l.)
Gertrud Breyer von der NÖ Landesregierung, Abteilung Naturschutz, und Christoph Kleiser vom NÖ Verfassungsdienst vor Beginn der Verhandlung über die VfGH-Beschwerde der HL-AG gegen  den SBT-Naturschutz-Bescheid der NÖ Landesregierung
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Zwei Vertreter des Landes Niederösterreich: Gertrud Breyer von der Abteilung Naturschutz und Christoph Kleiser vom Verfassungsdienst
Pröll zu VfGH-Beschluss zum Semmering-Tunnel
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Landeshauptmann Pröll nahm bei einer Pressekonferenz Stellung zum Rechtsstreit

Stammgast bei den Höchstgerichten

Ein juristisches Ping-Pong-Spiel zwischen dem Land Niederösterreich, den Projektwerbern und den Höchstgerichten begann. 2004 etwa stellte der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) fest, dass ein neuerlicher niederösterreichischer Umweltschutzbescheid abermals rechtswidrig sei. Gebaut wurde trotzdem nicht. Immerhin gebe es keinen rechtskräftigen Bescheid dafür, so die Argumentation des damaligen niederösterreichischen Umweltanwalts.

Mittlerweile saß mit Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) auch ein erklärter Tunnelgegner in der Bundesregierung, der enge Verbindungen zur niederösterreichischen Volkspartei pflegte. Einstimmige Ministerratsentscheidungen zugunsten des Tunnels waren damit kaum mehr möglich.

„Unerklärliche“ Emotionalisierung rund um Tunnel

„Für mich ist es auch im Nachhinein immer noch unerklärlich, warum so eine starke Emotionalisierung gegen dieses Projekt entstanden ist – von politischer Seite und auch von Medien“, stellt der ehemalige Projektleiter Bauer fest. Der Widerstand sei nicht in erster Linie aus der regionalen Bevölkerung gekommen, „sondern das wurde de facto hineingetragen“.

Unerwartet kam der Protest auch für HL-AG-Vorstand Hammerschmid: „Wir waren überrascht, zum Teil konsterniert und sind auch manchmal ratlos dagestanden.“ Immer wieder habe man versucht, die Vorteile und die Wirtschaftlichkeit des Tunnels zu vermitteln. Gerade in den ersten Jahren habe es diesbezüglich aber Versäumnisse gegeben, räumt Hammerschmid ein. Als Lehre aus dem Semmeringprojekt habe die ÖBB später bei ähnlichen Projekten deutlich mehr in Öffentlichkeitsarbeit investiert.

Teurer Befreiungsschlag als „Upgrade“

So auch beim Projekt „Semmeringbasistunnel neu“. Damit erfolgte 2005 der Befreiungsschlag, der das jahrzehntelange Patt beenden sollte. „Das bisherige Tunnelprojekt soll – schon aufgrund der nicht wirklich lösbaren rechtlichen Situation und faktischen Problematik wie dem ständigen Wasserzulauf oder der Antiquiertheit der ursprünglichen Planung – ad acta gelegt werden“, berichtete die APA. „Der Semmeringbahntunnel soll in Abstimmung mit Pröll völlig neu projektiert und eingereicht werden.“

Neuer Semmering-Basistunel
APA

Die Projektverantwortlichen bestreiten heute, dass es sich in erster Linie um eine politische Entscheidung gehandelt habe. Vielmehr seien die Sicherheitsstandards des ursprünglichen Tunnels überholt gewesen. „Letztlich war es sicherlich eine weise Entscheidung, dass 2005 de facto von vorne begonnen wurde“, sagt Bauer, der von einem „Upgrade“ spricht.

Die neue Variante sollte mit 1,25 Milliarden Euro deutlich mehr kosten als ursprünglich geplant. Statt einer Tunnelröhre würde es nun aus Sicherheitsgründen zwei geben, die noch dazu um sieben Kilometer länger würden. Dadurch könne die Steigung der Strecke verringert und die Kapazität erhöht werden. „Das bedeutet, dass wir auch schwere Züge mit nur einer Lokomotive fahren können. So haben wir im Güterverkehr ebenfalls keine Hindernisse mehr.“

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Spatenstich des „Semmering-Basistunnel neu“
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2012 war es schließlich soweit, der Spatenstich für den „Semmering-Basistunnel neu“ konnte erfolgen
Spatenstich des „Semmering-Basistunnel neu“
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Diesmal war auch Pröll an Bord
Spatenstich des „Semmering-Basistunnel neu“
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Als Bauende prognostizierten die Verantwortlichen das Jahr 2024 (im Bild der damalige ÖBB-Chef Christian Kern, der steirische Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) sowie Pröll und Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ))
Spatenstich des „Semmering-Basistunnel neu“
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Ganz verstummt war die Kritik aber weiterhin nicht, zu sehen auch im Hintergrund des Spatenstichs

Auch dieses neue Tunnelprojekt hat sich schon verzögert, diesmal allerdings in erster Linie aufgrund von geologischen Schwierigkeiten. Statt 2016 ist eine Fertigstellung aktuell für 2030 vorgesehen. Mittlerweile sind allerdings etwa 90 Prozent der Tunnelröhren gegraben. Damit könnte die Inbetriebnahme 43 Jahre nach der ersten Ankündigung tatsächlich gelingen.