„Nahaufnahme“

Historiker zu 100 Jahre Niederösterreich

Zum 100-jährigen Jubiläum Niederösterreichs ist der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Ernst Bruckmüller zu Gast in der Radio Niederösterreich-„Nahaufnahme“. Im Gespräch mit Alice Herzog blickt er auf die Meilensteine einer bewegten Geschichte des Bundeslandes zurück.

„Es gab kein ‚Was-wäre-wenn’“, so der mehrfach ausgezeichnete Historiker über die Trennung von Wien und Niederösterreich 1922. „Es war eine politische Entscheidung, die Menschen hatte damals allerdings andere Sorgen“, so Bruckmüller und schildert die Not nach dem ersten Weltkrieg, den Wegfall vieler Arbeitsplätze im Industrieviertel durch die Schließung der Kriegsindustrie und fehlende Absatzmärkte in der jungen Republik nach dem Ersten Weltkrieg.

Die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs traf Niederösterreich im Besonderen. Vertreibung und Zerstörung waren an der Tagesordnung und auch im ländlichen Raum gab es gelebten Antisemitismus, so Bruckmüller. Nach dem Krieg waren es die russischen Besatzer, die nicht nur willkommen geheißen wurden, nachdem große Betriebe enteignet und auch viele Menschen um ihre letzten Besitztümer gebracht wurden.

Alice Herzog mit Historiker Ernst Bruckmüller
ORF
Historiker Ernst Bruckmüller (re.) im Gespräch mit Alice Herzog

Nach 1955 folgte schließlich auch in Niederösterreich eine lange Zeit des Friedens und Wohlstandes, wobei es die größten Veränderungen in den 1960er Jahren mit der Motorisierung in der Landwirtschaft gab. „Jene, die das erlebt haben, sehen den Einbruch der Moderne mit dem Verkauf des letzten Pferdes“, so Bruckmüller. Der Historiker schildert auch, wie die Menschen in Niederösterreich die Ölkrise 1970, die Anti-Atombewegung oder auch Umweltthemen wie die Besetzung der Hainburger Au erlebten.

Sendungshinweis

„Nahaufnahme“, 18.9.2022

Zu den Meilensteinen der jüngeren Geschichte Niederösterreichs zählen die Gründung einer eigenen Hauptstadt oder auch der Fall des Eisernen Vorhangs, mit dem das Bundesland immer mehr in die Mitte Europas rückte. „Sich klarzuwerden über eigene Vorurteile geht nur über Geschichte“, so Bruckmüller im Interview, in dem der Mostviertler aus St. Leonhard am Forst (Bezirk Melk) auch erzählt, wer sein Interesse für Geschichte ursprünglich geweckt hat.