Eitental, eine Katastralgemeinde von Weiten (Bezirk Melk), sieht auf den ersten Blick nach der im Waldviertel oft gesuchten Ruhe und Idylle aus. Hier findet man 80 Einwohner und Wälder, wohin das Auge reicht. Mitten im Dschungel liege die Firma, sagt Werner Gassner. Im Hintergrund rattern die Maschinen, die Gummibänder weben und flechten. Der größte Trubel im Eitental spielt sich seit mehr als 100 Jahren bei der Gummibandfirma Gassner ab.
So gut wie jeder Lkw, der in das Tal fährt, holt von den Gassners Gummibänder ab oder liefert Kautschuk für die Produktion. Schon die Gebäude verdeutlichen die Geschichte der Produktion: Das Haupthaus ist 114 Jahre alt, der Holzboden wölbt sich unter den Maschinen. Im Stiegenhaus hängt eine Arbeitsordnung aus dem Jahr 1928. In die meisten Maschinen müssen die Mitarbeitenden die Fäden und Spulen händisch einhängen.
Geführt wird der Betrieb vom Ehepaar Werner und Gerda Gassner, beide knapp über 70 Jahre alt. Der Urgroßvater von Gerda Gassner gründete das Unternehmen 1856. Solange die Textilindustrie im Waldviertel stark vertreten war, ging es auch der Familie Gassner gut. „Wir hatten einen Höhenflug bis zur Ostöffnung. Die Globalisierung hat uns große Probleme bereitet, unsere Kunden sind abgewandert“, erzählt Produktionsleiter Werner Gassner. Die Schuhindustrie und die Sportbekleidungshersteller schlossen ihre österreichischen Standorte. Bis zu 60 Prozent weniger Umsatz habe man in den 90ern gemacht, so Gassner.

In dieser Zeit übernahmen Gerda und Werner Gassner die Fabrik. Woran liegt es, dass nicht auch sie schließen mussten? Das Wichtigste im Leben eines Gummibanderzeugers sei sich zu informieren, sagt Werner Gassner: „Ich bin jeden Monat in Europa auf Messen, um mich zu informieren, wo wir noch Gummibänder einsetzen könnten – als Ersatz für Federn oder elastische Dinge.“ Einfallsreichtum und der Verkauf an neue Branchen hätten die Produktion immer wieder belebt.
Das Gummiband ist überall
Vom südlichen Waldviertel aus beliefere man 67 verschiedene Branchen, quer über Europa verteilt, erzählt er. Die Gummibänder und -schnüre der Gassners werden in Gärtnereien eingesetzt, genauso in Automotoren, Bühnenmikrofonen, aber auch für Pralinenschachteln oder Lebkuchen und in Anoraks, Hüte oder Kappen eingezogen – und in Gesichtsmasken.
Die Pandemie konnte der Produktion demnach nichts anhaben. Eher das Gegenteil war der Fall: Im Frühling 2020 liefen die Maschinen drei Monate lang Tag und Nacht durch. Damals brauchten alle Gummibänder für Gesichtsmasken – mehr dazu in Gummibandfabrik läuft auf Hochtouren (noe.ORF.at; 13.4.2020). „Das war aber nach drei Monaten wieder total vorbei. Sobald die Lieferketten aus Asien wieder gelaufen sind, wurde bei uns alles für Masken storniert“, schildert Werner Gassner diese Phase.

Das Firmenhoch im hohen Alter
Und wie läuft die Firma nach dem Maskenhoch? Jedes Jahr mache man einen Lotto-Sechser, heißt es beim Rundgang durch die Produktion. Der Umsatz habe im Vorjahr 3,5 Millionen Euro betragen. Durch den Ukraine-Krieg hätten viele Streitkräfte europäischer Länder mehr Budget bekommen, die Gassners beliefern nach eigenen Angaben nun mehrere Militärausstatter. Die Firma soll jetzt vergrößert werden. Vier Bauprojekte würden anstehen, um mehr Flächen für die Produktion und Lagerhallen zu schaffen, so Werner Gassner gegenüber noe.ORF.at.
Sendungshinweis
„NÖ heute“, 9.10.2022
Das Gummiband sei ein Glücksgriff gewesen, sagen die beiden über 70-Jährigen. Als Industrielle seien sie erzogen worden, meint Werner Gassner. „Da ist es mir egal, was ich produziere – ob Bonbonniere, Schrauben oder Bänder.“ Auch bei der Wahl des gemeinsamen Nachnamens war man pragmatisch und wählte den von Gerda Gassner – der Betrieb war erfolgreicher und bekannter.
„Wir wurden ja damals mehr oder weniger zusammengeführt – die Industrielle aus dem Eitental und der Industrielle aus dem Yspertal“, schildert Werner Gasser, „nach gewisser Zeit, haben wir uns entschlossen, meine Firma aus der Holzindustrie stillzulegen und uns auf die Gummibänder zu konzentrieren.“
Die Kamele im Eitental
Zeit bleibt daneben nur für ein Hobby. Sitzt man in der Gummibandproduktion im Erdgeschoß des Haupthauses, wandern an den Fenstern Kamele und Dromedare vorbei. „Als Kind wollte ich schon Kamele haben, aber mein Vater hat es damals nicht erlaubt“, erzählt Gerda Gassner. 1978 kaufte sie ihr erstes Kamel, heute stehen elf im Stall. Gerda Gassner führt seit 40 Jahren auch eine Kamelreitschule. Familien kommen mit ihren Kindern hierher, um auf Kamelen zu reiten.
Kamele sind Überlebenskünstler, das fasziniere sie so an den Tieren, sagt Gassner. Und sie seien sehr selbstbestimmt, man müsse sie schon überzeugen, sich auf Kommando hinzulegen. „Ich habe es in meiner Natur anscheinend, wer weiß, welches Karma mich damals getroffen hat.“ Die Ruhe im Eitental wird also nicht nur vom Rattern der Gummibandmaschinen unterbrochen, sondern hin und wieder auch von den Lauten der Kamele.