Gummibandproduktion in Weiten
ORF/Nina Pöchhacker
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„Menschen im Blickpunkt“

Das lukrative Geschäft mit Gummibändern

Das Ehepaar Gassner ist einer der letzten Gummibandproduzenten Österreichs. Im südlichen Waldviertel stellen sie jährlich etwa 500 Tonnen her und verkaufen europaweit. Mit dem Geschäft wird auch ein exotisches Hobby finanziert: Kamele.

Eitental, eine Katastralgemeinde von Weiten (Bezirk Melk), sieht auf den ersten Blick nach der im Waldviertel oft gesuchten Ruhe und Idylle aus. Hier findet man 80 Einwohner und Wälder, wohin das Auge reicht. Mitten im Dschun­gel liege die Firma, sagt Werner Gassner. Im Hintergrund rattern die Maschinen, die Gummibänder weben und flechten. Der größte Trubel im Eitental spielt sich seit mehr als 100 Jahren bei der Gummibandfirma Gassner ab.

So gut wie jeder Lkw, der in das Tal fährt, holt von den Gassners Gummibänder ab oder liefert Kautschuk für die Produktion. Schon die Gebäude verdeutlichen die Geschichte der Produktion: Das Haupthaus ist 114 Jahre alt, der Holzboden wölbt sich unter den Maschinen. Im Stiegenhaus hängt eine Arbeitsordnung aus dem Jahr 1928. In die meisten Maschinen müssen die Mitarbeitenden die Fäden und Spulen händisch einhängen.

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Weiten
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Versteckt in den Wäldern liegt die Gummibandfirma
Gummibandfabrik Gassner
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Original aus der Österreichisch-Ungarischen Monarchie: 1914 wird dem Vorfahren Gerda Gassners das Bürgerrecht verliehen.
Gummibandfabrik Gassner
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3.500 verschiedene Artikel stellen die Gassners her. Das teuerste Produkt ist ein Gummiband für 400 Euro pro 100 Meter.
Gummibandfabrik Gassner
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Die Maschinen stammen teilweise noch aus den 80ern
Gummibandfabrik Gassner
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Den Rohstoff Gummifaden – ein Gemisch aus Naturkautschuk und Latexmilch – kaufen die Gassners in Thailand, Malaysia und Indonesien
Gummibandproduktion in Weiten
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Gummifäden werden mit Textilfasern zu Gummibändern verflochten, hier etwa zu Flachgummis
Gummibandfabrik Gassner
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Das Geld belasse man großteils in der Firma, so Werner Gassner, man sei zu 130 Prozent Eigenkapital finanziert

Geführt wird der Betrieb vom Ehepaar Werner und Gerda Gassner, beide knapp über 70 Jahre alt. Der Urgroßvater von Gerda Gassner gründete das Unternehmen 1856. Solange die Textilindustrie im Waldviertel stark vertreten war, ging es auch der Familie Gassner gut. „Wir hatten einen Höhenflug bis zur Ostöffnung. Die Globalisierung hat uns große Probleme bereitet, unsere Kunden sind abgewandert“, erzählt Produktionsleiter Werner Gassner. Die Schuhindustrie und die Sportbekleidungshersteller schlossen ihre österreichischen Standorte. Bis zu 60 Prozent weniger Umsatz habe man in den 90ern gemacht, so Gassner.

Werner Gassner
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Werner Gassner

In dieser Zeit übernahmen Gerda und Werner Gassner die Fabrik. Woran liegt es, dass nicht auch sie schließen mussten? Das Wichtigste im Leben eines Gummibanderzeugers sei sich zu informieren, sagt Werner Gassner: „Ich bin jeden Monat in Europa auf Messen, um mich zu informieren, wo wir noch Gummibänder einsetzen könnten – als Ersatz für Federn oder elastische Dinge.“ Einfallsreichtum und der Verkauf an neue Branchen hätten die Produktion immer wieder belebt.

Das Gummiband ist überall

Vom südlichen Waldviertel aus beliefere man 67 verschiedene Branchen, quer über Europa verteilt, erzählt er. Die Gummibänder und -schnüre der Gassners werden in Gärtnereien eingesetzt, genauso in Automotoren, Bühnenmikrofonen, aber auch für Pralinenschachteln oder Lebkuchen und in Anoraks, Hüte oder Kappen eingezogen – und in Gesichtsmasken.

Die Pandemie konnte der Produktion demnach nichts anhaben. Eher das Gegenteil war der Fall: Im Frühling 2020 liefen die Maschinen drei Monate lang Tag und Nacht durch. Damals brauchten alle Gummibänder für Gesichtsmasken – mehr dazu in Gummibandfabrik läuft auf Hochtouren (noe.ORF.at; 13.4.2020). „Das war aber nach drei Monaten wieder total vorbei. Sobald die Lieferketten aus Asien wieder gelaufen sind, wurde bei uns alles für Masken storniert“, schildert Werner Gassner diese Phase.

Gummibandproduktion in Weiten
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Heute verdiene man mit Gummibändern ähnlich gut wie in den 80er-Jahren, als es noch viel Textilindustrie in Österreich gab

Das Firmenhoch im hohen Alter

Und wie läuft die Firma nach dem Maskenhoch? Jedes Jahr mache man einen Lotto-Sechser, heißt es beim Rundgang durch die Produktion. Der Umsatz habe im Vorjahr 3,5 Millionen Euro betragen. Durch den Ukraine-Krieg hätten viele Streitkräfte europäischer Länder mehr Budget bekommen, die Gassners beliefern nach eigenen Angaben nun mehrere Militärausstatter. Die Firma soll jetzt vergrößert werden. Vier Bauprojekte würden anstehen, um mehr Flächen für die Produktion und Lagerhallen zu schaffen, so Werner Gassner gegenüber noe.ORF.at.

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„NÖ heute“, 9.10.2022

Das Gummiband sei ein Glücksgriff gewesen, sagen die beiden über 70-Jährigen. Als Industrielle seien sie erzogen worden, meint Werner Gassner. „Da ist es mir egal, was ich produziere – ob Bonbonniere, Schrauben oder Bänder.“ Auch bei der Wahl des gemeinsamen Nachnamens war man pragmatisch und wählte den von Gerda Gassner – der Betrieb war erfolgreicher und bekannter.

„Wir wurden ja damals mehr oder weniger zusammengeführt – die Industrielle aus dem Eitental und der Industrielle aus dem Yspertal“, schildert Werner Gasser, „nach gewisser Zeit, haben wir uns entschlossen, meine Firma aus der Holzindustrie stillzulegen und uns auf die Gummibänder zu konzentrieren.“

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Gummibandfabrik Gassner
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Kamele seien gute Kameraden, sagt Gerda Gassner
Kamel in Weiten
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Das älteste Tier ist 24 Jahre alt und wurde auch im Eitental geboren
Kamele in Weiten
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Die elf Tiere hören auf Gerda Gassners Stimme. Das Ehepaar hat übrigens eine Abmachung: Wird ein neues Kamel gekauft, kauft sich Werner Gassner ein neues Auto.

Die Kamele im Eitental

Zeit bleibt daneben nur für ein Hobby. Sitzt man in der Gummibandproduktion im Erdgeschoß des Haupthauses, wandern an den Fenstern Kamele und Dromedare vorbei. „Als Kind wollte ich schon Kamele haben, aber mein Vater hat es damals nicht erlaubt“, erzählt Gerda Gassner. 1978 kaufte sie ihr erstes Kamel, heute stehen elf im Stall. Gerda Gassner führt seit 40 Jahren auch eine Kamelreitschule. Familien kommen mit ihren Kindern hierher, um auf Kamelen zu reiten.

Kamele sind Überlebenskünstler, das fasziniere sie so an den Tieren, sagt Gassner. Und sie seien sehr selbstbestimmt, man müsse sie schon überzeugen, sich auf Kommando hinzulegen. „Ich habe es in meiner Natur anscheinend, wer weiß, welches Karma mich damals getroffen hat.“ Die Ruhe im Eitental wird also nicht nur vom Rattern der Gummibandmaschinen unterbrochen, sondern hin und wieder auch von den Lauten der Kamele.