100 Jahre NÖ 2000 Windkraft Entwicklung Pioniere
IG Windkraft
APA/HELMUT FOHRINGER
„100 Jahre NÖ“

„Spinner“ revolutionieren Stromproduktion

Die Windenergie hat in Österreich keine Zukunft – das war Anfang der 1990er noch die Lehrmeinung. Doch eine Gruppe „Spinner“ ließ sich nicht abbringen und legte mit alten Maibäumen den Grundstein. Ein Meilenstein erfolgte dann im Jahr 2000 – mit fünf Anlagen.

Es war ein Projekt auf Messers Schneide. Fünf Anlagen sollten im Windpark Bruck an der Leitha errichtet werden. „Aber wir wussten nicht, ob es sich ausgeht“, erzählt Fritz Herzog, Windkraft-Pionier und heute Obmann der IG Windkraft. Denn „lange Zeit hat es ausgeschaut, dass es nicht umgesetzt wird.“ Das Investitionsvolumen betrug immerhin 115 Millionen Schilling.

Doch schließlich fanden sich zwei Privatleute, die Geld investierten. Somit konnten am 2. Juni 2000 – am Umwelttag – doch die Spaten für den damals leistungsfähigsten Windpark Österreichs gestochen werden. Das Projekt war auf eine Jahresproduktion von 15,5 Millionen Kilowattstunden ausgelegt. Damit konnte der Strombedarf aller 3.000 Brucker Haushalte abgedeckt werden.

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Verbund
Mit der Aussichtsplattform sollte der Bevölkerung die Windenergie nähergebracht werden

Das Besonderes: Eine der fünf Anlagen ist in 60 Metern Höhe mit einer Aussichtskanzel ausgestattet, die über eine Wendeltreppe bestiegen werden kann. „Das war zwar ein teurer Spaß“, gestand Herzog, weltweit gibt es heute weniger als ein Dutzend davon, „doch wir wollten den Leuten die Windkraft näherbringen.“ Immerhin wollte man nun den Durchbruch schaffen.

Ein erstes Aufzeigen

Denn das Thema Erneuerbare Energien weckte in Österreich – wie auch in anderen Ländern – eigentlich schon in den 70er-Jahren das Interesse. Doch die staatlichen Forschungsanstrengungen bei der Windkraft kamen trotz ansehnlicher technischer Lösungen bald wieder zum Erliegen. Der Grund: Es gab keinen Absatzmarkt.

2001: Windpark Prellenkirchen bei Bruck geht in Betrieb

Die Diskussion um die Schaffung von fairen Tarifen für erneuerbare Energien begann offiziell mit einem parlamentarischen Antrag der FPÖ im April 1991 für ein bundesweites Stromeinspeisegesetz, der im Zusammenhang mit dem kurz zuvor in Kraft getretenen deutschen Gesetz eingebracht wurde. Die Behandlung des Antrages zog sich über zwei Jahre hinweg. Zu einem Stromeinspeisegesetz kam es aber nicht.

Windenergie in Österreich nicht möglich

Außerdem herrschte damals noch die Lehrmeinung vor, dass in Österreich nicht genug Wind wehen würde, um Strom zu erzeugen. Auch die Experten der Zentralanstalt für Meteorologen und Geodynamik (ZAMG) waren 1993 noch überzeugt, dass Windenergie etwas für die Küste sei, sagt Herzog. „Die Politik hat gesagt, lasst die einmal probieren, sie werden schon draufkommen, dass das nicht funktioniert.“

Doch abseits der politischen Ebene wollte sich eine Gruppe von Menschen nach einem Besuch in Dänemark nicht davon abhalten lassen, diese scheinbare Tatsache selbst zu überprüfen. „Es braucht immer Leute, die etwas beginnen“, sagt Herzog, ein gelernter Elektrotechniker.

Das erste Windrad am Netz

Den ersten Anstoß lieferten zwei Privatpersonen, die 1994 in Wagram an der Donau (Bezirk Gänserndorf) trotz großer finanzieller Hürden die erste größere netzgekoppelte Windkraftanlage in Österreich errichteten. Die Leistung: 150 kW – weniger als ein Dreißigstel der derzeitigen Windradgeneration mit 5.000 kW und mit 30 Metern Höhe erreichte der Turm weniger als ein Fünftel moderner Anlagen.

1994: Österreichs Weg aus der Klimakatastrophe

Nur kurze Zeit später folgte eine weitere Windkraftanlage am Gelände der Straßenmeisterei in St. Pölten. Diese Initiative war aber weniger dem Landesinteresse, sondern eines einzelnen Mitarbeiters geschuldet – Helmut Waltner, der für die Haustechnik der Straßenverwaltung zuständig war. Im Sinne eines nachhaltigen Gedankens wollte er die Gebäude von fossilen Energieträgern entkoppeln und durch Erneuerbare wie Windenergie versorgen.

Daraufhin fand sich auch in Wolkersdorf (Bezirk Mistelbach) eine Gruppe von elf Leuten zusammen – mit dem Ziel: „Machen wir doch was, sonst warten wir immer nur, dass jemand etwas unternimmt.“ Denn landläufig hieß es entgegen der Expertenmeinung sehr oft: „Bei uns geht dauernd der Wind.“ Auch der subjektive Eindruck bestätigte ausreichend Wind.

Tests mit Maibäumen als Masten

„Aber was heißt das konkret“, entgegnet Herzog. Denn bei so einem Projekt, das mehrere Millionen Schilling kosten sollte, „wollten wir keinen Blödsinn machen, dann soll das funktionieren und eine schwarze Null rauskommen.“ Deshalb wollten die Pioniere das tatsächliche Potenzial vor dem endgültigen Projektstart auch offiziell messen.

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Für die ersten Windkraftanlagen wurden u.a. alte Maibäume verwendet

Allerdings gab es damals noch keine entsprechenden Geräte. „Und es war nicht so einfach, einen Masten mit 100 Meter zu bestellen“, sagt Herzog. Deshalb konstruierten die privaten Pioniere ihre ersten Windkraftanlagen auf Maibäumen und führten Windmessungen auf eigene Faust durch. Als dieser zu klein wurde, ließ man das Messgerät mit einem Ballon auf 50 Meter steigen.

Gerätetests auf der Autobahn

Und die Anlagen bzw. Geräte mussten auch entsprechend kalibriert werden. „Also sind wir zu viert auf der Autobahn gefahren, einer hat die Zeit von einer Randmarkierung zur nächsten gestoppt, weil man dem Tacho nicht vertrauen kann, und die Messgeräte haben wir beim Schiebedach weit hinausgehalten und so kalibriert. Das war schon sehr exotisch damals.“

Aber auch effektiv, denn auf diese Weise fanden sie den Wind in Österreich und es zeigte sich, dass die Hügel des Alpenvorlandes ebenso wie die Ebenen Ostösterreichs hervorragend für die Nutzung von Windenergie geeignet sind. Über das Jahr gesehen gebe es zwar tageweise Flauten, „aber einen Monat ohne Wind gibt es nicht“, betont der Experte. Damit liefere der Wind konstanten Strom.

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Windmessmast am Hausdach

Warum gab es damals die Meinung, dass Windkraft in Österreich nicht möglich sei? Die ZAMG ist ein Wetterdienst, sagt Herzog: „Für die ist interessant, was in fünf, zehn oder 15 Metern Höhe passiert, aber nicht in 50 oder 100.“ Zudem sei das Wissen über Windenergie kaum vorhanden gewesen. „Ein Windmittel von sechs Meter pro Sekunde (Anm. knapp 22 km/h) klingt nicht viel, aber es reicht, damit die Anlagen sehr viel produzieren können.“

Der nächste Meilenstein

1995 folgte der nächste Meilenstein: In Michelbach (Bezirk St. Pölten) wurde die erste Windkraftanlage mit der für Österreich so wichtigen Bürgerbeteiligung gebaut. Etwa 150 Menschen aus ganz Österreich beteiligten sich, darunter auch der Waldviertler Andreas Dangl, Mitbegründer der W.E.B., der größten Bürgerbetreibergesellschaft in Österreich.

Von den außerordentlich Windverhältnissen dieses Voralpenstandortes wurde offensichtlich jemand besonders überrascht: die EVN. Obwohl die Erträge im ersten Jahr unter der Prognose lagen, tauschte die EVN zweimal ihre eigenen Zähler aus, da sie die angezeigten Erträge nicht glauben konnte. Das Windrad hatte schon eine Leistung von 225 kW.

Zurückhaltung der Banken

Gleichzeitig wurden in Wolkersdorf eineinhalb Jahre lang Zettel verteilt, um weitere Interessenten zu finden. Die Anlage kostete damals immerhin acht Millionen Schilling. Und viele Banken wollten Windräder damals noch nicht finanzieren bzw. verlangten hohe Eigenkapitalanteile. „Es war unklar, was wirklich rauskommt und deshalb auch für eine Bank, die keine Erfahrung damit hatte, ein mutiger Schritt“, zeigt Herzog heute Verständnis.

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1996 wurde der Grundstein für das erste Windrad in der Region gelegt
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Der Bau des „Drahdiwaberls“ ging zügig voran
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Die Anlage kostete damals acht Millionen Schilling
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Ende 1996 ging die Anlage in Betrieb
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238 Privatpersonen beteiligten sich an der Errichtung
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Fritz Herzog ist über sein „mutiges“ Investment sichtlich stolz

Deshalb mussten viele private Investoren gefunden werden. Die kleine Beteiligung am Windrad in Wolkersdorf gab es für 10.000 Schilling – „so viel wie ein einzelner verbraucht“, Familien konnten mit 35.000 Schilling einsteigen, „so viel wie ein ganzer Haushalt verbraucht“. Herzog investierte selbst an die 70.000 Schilling: „Manche haben uns Spinner genannt, heute sagen sie Pioniere zu uns.“

Doch das Interesse im Ort war letztlich größer als erwartet, ein Kredit nicht notwendig. Für das Windrad – das liebewohl „Drahdiwaberl“ genannt wurde – fanden sich 238 Privatpersonen – und sogar die Gemeinde beteiligte sich am Projekt. Und 1996 war es so weit, im Dezember ging die Anlage, eine der ersten in Niederösterreich – in Betrieb. Mit der Energie konnten etwa 300 Haushalte versorgt werden.

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Die Windkraftanlage bei der SCS

Der erste ungewollte Boom

Auch die lange Zeit wohl bekanntesten Anlagen Österreichs bei der Shopping City Süd wurden 1996 aufgebaut. Die Turmhöhe betrug über 60 Meter. Weil sich schon im Lauf des Jahres keine neue Förderregelung abzeichnete, folgte gegen Ende des Jahres in einer Art Panikreaktion der erste „Boom“ für die Windkraft. 36 Windräder mit zwölf Megawatt Gesamtleistung wurden in einem Jahr errichtet. Daran konnte auch das von der EVN plötzlich eingeführte „Netzdienstleistungsentgelt“ für größere Anlagen nur wenig ändern.

Bis 1997 wurden in Niederösterreich nur Einzelanlagen (29) errichtet, die ins öffentliche Netz einspeisten. Im selben Jahr wurde dann der erste Windpark mit drei Windrädern in Oberstrahlbach (Bezirk Zwettl) errichtet. In dieser Zeit habe es immer wieder auch Widerstand von Energieversorgern gegeben, weiß Herzog, „die noch nicht so weit waren. Das hat uns schon gestört, aber wir haben gelernt für unsere Sache zu kämpfen.“

Die ersten Widerstände

So gab es auch ab 1997 nur in Ausnahmefällen wirtschaftliche Rahmenbedingungen, also Förderungen, für einzelne Projekte. Ein neues, von den Energieversorgungsunternehmen entworfenes Übereinkommen wollte die Einspeisetarife auf 50 Groschen senken und den Rest mit Investitionsförderungen ausgleichen. Aus dem vorgesehenen Topf hätten gerade vier Anlagen pro Jahr finanziert werden können, schreibt Waltner.

Windkraftpionier Ernst Johann Aigner

Das stetige Dahintröpfeln gewann 1998 wieder etwas an Geschwindigkeit, da vor der Landtagswahl in Niederösterreich 15 Windkraftanlagen mit zusammen 8,5 MW durch ein Forschungsprogramm eine zusätzliche Förderung bekamen. Im selben Jahr wurden auch Windparks in Parbasdorf (Bezirk Gänserndorf) mit drei Windräder und Pottenbrunn (Bezirk St. Pölten) mit fünf Windrädern errichtet.

Ebenfalls bei einem der ersten Projekte war der Weinviertler Elektriker und Nebenerwerbsbauer Martin Steininger engagiert. Ursprünglich wollte er nur zwei Windräder in Simonsfeld (Bezirk Korneuburg) aufstellen. Mittlerweile ist die Firma Windkraft Simonsfeld eine AG und die zweitgrößte Bürgerbetreibergesellschaft in Österreich.

Abnahmepflicht zu Mindestpreisen

1998 wurde aber auch die Grundlage für das weitere Wachstum gelegt: mit dem Elektrizitätsgesetzes ElWOG wurde erstmals eine Abnahmepflicht zu Mindestpreisen (Einspeisetarifen) für Ökostrom in mehreren Bundesländern festgelegt. In diesem Jahr wurde dann die erste Windkraftanlage mit einer Leistung von über einem Megawatt in Österreich gebaut – mit 1.500 kW.

Windkraft IG Ausbau EAG Land
ORF
Angesichts der derzeit hohen Strompreise müsse sich das Land laut IG Windkraft von fossilen Energien unabhängig machen

Ende 1999 standen bereits 38 Windräder in Österreich. 2000 errichtete auch der Energiepark Bruck seine ersten fünf Anlagen. Ab diesem Zeitpunkt seien schließlich auch die ersten Energieversorger eingestiegen, wie die EVN, erinnert sich Herzog: „Dadurch wurde auch das Vertrauen von den Banken in die Technologie gestärkt, nach dem Motto ‚Wenn die das auch machen und nicht nur die Spinner, dann muss das schon Hand und Fuß haben.‘“

Der Windkraftboom

2002 wurde das erste österreichweit gültige Ökostromgesetz beschlossen, das Anfang 2003 in Kraft trat. Es sicherte den Betreibern auf 13 Jahre Mindesttarife. Bei Windenergie betrug die Tarifhöhe 7,8 ct/kWh. Das leitete die erste große Ausbauphase der Windkraft in Österreich ein. Ende 2002 waren 140 MW am Netz. Von 2003 bis 2006 wurden jährlich im Schnitt 200 MW errichtet.

Sendungshinweis

„Radio NÖ am Vormittag“, 3.10.2022

Österreich war damit in diesem Jahr auch international hoch angesehen, betont die IG Windkraft. In Europa konnte man hinter Deutschland und Spanien Platz drei erreichen. Weltweit war man hinter den USA und Indien Nummer fünf beim Windkraftausbau.

Dann erfolgte allerdings ein gravierender Einschnitt beim Ausbau von Ökostromanlagen, insbesonders bei der Windenergie. Die Novellierung des Ökostromgesetzes 2006 brachte den Ausbau der Windkraft für ganze vier Jahre beinahe zum Stillstand. Erst mit dem Ökostromgesetz 2012 konnte der Windkraftausbau in Österreich wieder fortgesetzt werden. Der bisherige Höhepunkt wurde 2014 erreicht, als Windräder mit einer Leistung von 400 Megawatt gebaut wurden.

„Umständliche“ Verfahren

Die Hilfe der Banken bzw. die Leistung der Anlagen sei im Laufe der Zeit zwar wesentlich besser geworden, vieles andere „aber auch umständlicher“. Das betrifft etwa das Genehmigungsverfahren. In Wolkersdorf habe man damals noch ein halbes Jahr gebraucht, heute „kommt man unter vier Jahren nicht weg, manchmal dauert es auch acht bis zehn Jahre“. Mit der Folge, dass die beantragten Anlagen dann gar nicht mehr verfügbar seien.

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Seit 2014 geht der Ausbau der Windkraft in Österreich immer weiter zurück. Die Politik hätte schon längst auf diese Situation reagieren müssen, beklagt die IG Windkraft. Zwar gab es seither zwei Novellen des Ökostromgesetzes, diese konnten den Rückgang bisher aber nicht aufhalten.

Anfang 2022 wurde das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz EAG (Anm.: das neue Ökostromgesetzt) im Nationalrat beschlossen. Mit Ende des Jahres soll es vollumfänglich in Kraft sein. Derzeit wartet die Branche auf die nötigen Verordnungen, damit das EAG seine Wirkung entfalten kann.

Bundesländer am Zug

Damit Österreich tatsächlich unabhängig wird, brauche es nun einen raschen und starken Ausbau. Nun sind aus Sicht der IG Windkraft bzw. Obmann Herzog die Bundesländer am Zug. Alle Bundesländer müssen neue Flächen für den Windkraftausbau zur Verfügung stellen, Beamte in den Genehmigungsbehörden einstellen und die Genehmigungsverfahren verschlanken und beschleunigen.

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Die Verfahren seien notwendig, ist sich der Obmann der IG Windkraft bewusst, allerdings würden „so viele Dinge doppelt und dreifach untersucht“. Hier brauche es bessere Rahmenbedingungen bzw. flexible Grenzwerte, wodurch die Windparkbetreiber „mehr Spielraum“ bekommen würden, „und manchmal braucht es auch Grundsatzentscheidungen der Politik.“

Wie viel wird durch Erneuerbare Energie gedeckt?

Selbst jene Bundesländer wie Niederösterreich, die den Windkraftausbau schon begonnen haben, müssen deutlich an Ambition zulegen, damit die Energiewende gelingen kann. „Musterschüler ist man nicht, wenn man der beste der Schlechten ist, sondern wenn man Ziele übererfüllt, das tun wir leider auch in Niederösterreich nicht.“ So gibt es etwa unterschiedliche Auffassungen bei der Stromversorgung.

Laut dem Land deckt Niederösterreich seit 2015 den gesamten Strombedarf aus heimischer Erneuerbarer Energie. Die IG Windkraft widerspricht dieser Rechnung: „Niederösterreich rechnet die Verluste im Stromnetz sowie den Eigenverbrauch der Anlagen einfach nicht mit ein. Das geht natürlich nicht, man muss den gesamten Verbrauch berücksichtigen.“ Demnach stehe das Land derzeit bei einem Anteil von 92 Prozent, und das seien jene Zahlen, die für die europäischen Klimaziele relevant seien.

„Windräder schauen schirch aus“

Die Kritik, „Windräder schauen schirch aus“, gibt es nach wie vor, sagt Herzog: „Was im öffentlichen Raum steht, polarisiert“. Die Leute hätten sich aber zunehmend an den Anblick gewöhnt. Gleichzeitig würde man sich mit dem stark gestiegenen Strompreis auch mehr mit Alternativen beschäftigten, „und wir haben viel erklärt und überzeugt.“ Der Kreis der Gegner sei von Beginn an klein gewesen, „aber oft sehr laut“.

2022: Langsamer Abbau des Rückstaus an Windkraftanlagen

Doch in Regionen, in denen bis heute keine oder nur wenige Windräder stehen, sei die Bevölkerung nach wir vor zurückhaltender. Der Grund: „Die Leute haben sich damit nicht auseinandergesetzt. Wenn etwas Neues kommt, gibt es viele Ängste und Befürchtungen. Ein Teil ist wahr, aber nicht alles. Das braucht Zeit.“

Doch gerade daran mangle es mit Blick auf den Klimawandel nun schon, betont der Windkraftpionier: „Wir haben viel zu lange einfach zugeschaut. Wir wollen keine Atomkraft und wollen vom Gas weg, aber wir brauchen weiterhin Strom.“ Derzeit würden dafür pro Familie etwa 3.000 Euro ins Ausland fließen, sagt Herzog, „das will ich im Land lassen.“

Entwicklungen Windradtechnik

Auch wenn sehr viel über Windräder am Meer gesprochen wird, findet der Mittelpunkt des Windkraftausbaus an Land statt. 90 Prozent des Windkraftausbaus findet an Land statt. Die Windräder werden immer größer und höher. Dadurch kann pro Windrad immer mehr Strom erzeugt werden. Jeder Meter, den ein Windrad höher hinaus kommt, erhöht die Stromproduktion um 0,5 Prozent.

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Zwischen den alten, kleineren und den modernen, mehr als doppelt so großen Anlagen ist kein Unterschied zu erkennen

Die Windräder, die derzeit für die Planung herangezogen werden, haben Rotoren mit einem Durchmesser von bis zu 150 Metern und Turmhöhen von 170 Metern. Die Generatorenleistung stieg auf fünf Megawatt. Durch die Weiterentwicklung der Windräder können diese mehr Strom erzeugen und zusätzlich werden dadurch auch windschwächere Standorte für die Stromgewinnung attraktiv.

Erfolgreiches Investment

Als Investment hätte sich das erste Windrad in Wolkersdorf jedenfalls gelohnt, sagt Herzog stolz. Über die gesamte Zeit – mittlerweile 26 Jahre – habe es eine Verzinsung zwischen vier und sechs Prozent gegeben, auch wenn er heute zugibt: „Ganz überzeugt waren wir anfangs nicht, bei einem Investment von mehreren Millionen, für das wir kein Vorbild hatten.“

Doch sein Herz sei der Ansicht gewesen, „das ist das Richtige, da muss ich etwas machen und das haben dann alle erkannt.“ Deshalb ist Herzog auch optimistisch, dass die Energiewende in Österreich gelingt. „Wir sehen, dass alle Lösungen schon da sind. Manchmal muss man nur über seinen Schatten springen“, um den künftigen Generationen nicht zu viel zu verbauen.