Grüne-Landessprecherin Helga Krismer im Interview mit ORF-NÖ-Chefredakteur Benedikt Fuchs
ORF/Robert Salzer
ORF/Robert Salzer
Wahl 23

Krismer: „Sind im Klimaschutz hinten“

Die Landessprecherin der Grünen, Helga Krismer, verteidigt im Interview ihre ablehnende Haltung zum Straßenbau und wirft der ÖVP vor, zu wenig für den Klimaschutz zu tun. In der Debatte um den Landesrechnungshof stellt sie sich hinter den Antrag der SPÖ.

Helga Krismer führt die Grünen am 29. Jänner zum zweiten Mal als Listenerste in eine Landtagswahl. Ziel ist ein viertes Mandat, um wieder zum Landtagsklub zu werden und damit mehr Rechte im Landtag zu haben. Krismer ist seit 2015 Landessprecherin der Grünen und macht seit Jahren auf Projekte aufmerksam, die der Umwelt schaden könnten.

Im Interview mit dem Chefredakteur des ORF Niederösterreich, Benedikt Fuchs, am Dienstag in der Fernsehsendung „NÖ heute“ nimmt sie zur aktuellen Kritik der SPÖ am Landesrechnungshof Stellung und zeigt auf, was in Sachen Klimaschutz aus ihrer Sicht im Bundesland zu tun sei. „Wir schlagen uns ganz weit hinter dem, was in Niederösterreich einmal vereinbart wurde“, kritisiert die Grünen-Landessprecherin.

Frau Krismer, heute Mittag gab es eine Pressekonferenz von SPÖ-NÖ-Chef Franz Schnabl und dem Verfassungsjuristen Heinz Mayer, bei der schwere Vorwürfe gegen den Landesrechnungshof laut wurden. Laut Mayer habe dieser „zugedeckt statt aufgedeckt“. Der SPÖ-Chef will am Mittwoch neue Prüfanträge einbringen. Gehen Sie da mit?

Krismer: Ich habe diesen Folgeantrag – so würde ich ihn bezeichnen – vor ein paar Minuten unterfertigt, weil ich bereits im Landtag damals erwähnt habe, dass es darum geht, das jetzt wirklich aufzuarbeiten – je schneller, umso besser.

Ich habe auch gehofft, dass Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner aktiv wird, auf die Landesgesundheitsagentur insofern einwirkt, dass man zum Hörer greift und sagt ‚Bitte, liebe Medien, Unternehmungen, gebt uns die Möglichkeit, dass wir das veröffentlichen können‘. Das wäre ein Weg gewesen, sodass wir uns jetzt in dieser Wahlauseinandersetzung nicht mit diesem Thema befassen müssen. Aber: Je rascher wir hier zu einer Klärung kommen, umso besser ist es für das Land.

Die Spitzenkandidaten im TV-Interview

Von 16. bis 20. Jänner gibt es in „NÖ heute“ (19.00 Uhr, ORF2-N) Interviews mit den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der fünf im Landtag vertretenen Parteien

Reden wir über den Klimaschutz. Das ist Ihr zentrales Thema im Wahlkampf. Da geht Ihnen das, was das Land macht, nicht weit genug. Wenn man sich Bundesländervergleiche in Österreich ansieht, muss man schon feststellen, dass Niederösterreich vergleichsweise sehr viel tut – in Sachen Photovoltaik, in Sachen Windräder, ist Niederösterreich schon führend. Was genau geht Ihnen nicht weit genug?

Krismer: Sie werten hier in Ihrer Frage. Es gibt andere, die sagen, Niederösterreich schlägt sich weit hinter dem, was Niederösterreich leisten könnte. Wir sind ein wunderbares Land, wo es so viel Energie gibt im Bereich Windkraft. Es ist möglich, auf jedes öffentliche Gebäude eine Photovoltaikanlage hinaufzugeben – haben wir noch nicht gemacht.

Und wir haben in der Frage Klima – da schlagen wir uns ganz weit hinter dem, was in Niederösterreich einmal vereinbart wurde. Daher ist es so wichtig, dass wir für morgen diese Klimafrage so ernst nehmen. Das bewegt derzeit die Menschen. Sie wissen ganz genau, die Teuerung, das Klima, der Artenschutz – die Dinge gehören zusammen. Das muss man wieder ein bisschen aufdröseln und mit guten Projekten bestücken. Das ist unser Angebot.

Grüne Spitzenkandidatin Helga Krismer im Interview

In der Interviewreihe mit den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der Parteien für die kommende Landtagswahl war am Dienstag Grünen-Chefin Helga Krismer zu Gast.

Bleiben wir noch bei den Windrädern. Sie sagen 330 Windräder bis 2030. Bei jedem Windpark und bei jeder Windkraftanlage regt sich in der Bevölkerung Widerstand. Manche sagen, ‚Ich bin dafür, aber nur nicht bei mir‘. Wie wollen Sie diese Akzeptanz herstellen?

Krismer: Was ich sage, sind eigentlich die absoluten Zahlen von jenem, was die ÖVP derzeit landauf, landab trommelt. Die ÖVP sagt, wir müssen die Windkraft bis zum Jahr 2030 verdoppelt und bis zum Jahr 2035 verdreifacht haben. Da muss man den Menschen sagen, wie viel das ist. Das sind nämlich 330 Windräder bis zum Jahr 2030 und – das ist jetzt die Gretchenfrage – wie machen wir das in Niederösterreich? Denn die ÖVP hat im Raum diese Zone noch nicht definiert.

Ich möchte, dass wir sofort daran gehen und diese Zonen in Niederösterreich neu definieren. Ja, das wird wieder ein demokratiepolitischer Prozess sein. Angesichts der Notwendigkeiten – wir haben einen Krieg vor der Haustür, wir kämpfen mit den Preisen rund um Strom und Gas – sage ich, das schaffen wir in Niederösterreich.

Grüne-Landessprecherin Helga Krismer im Interview mit ORF-NÖ-Chefredakteur Benedikt Fuchs
ORF/Robert Salzer
Fordert einen Zonenplan für neue Windräder in Niederösterreich: Grünen-Landessprecherin Helga Krismer im TV-Interview mit ORF-NÖ-Chefredakteur Benedikt Fuchs

Bleiben wir beim Thema Fracking. Ihre Bundesministerin Leonore Gewessler hat das wieder als Thema ins Spiel gebracht und dem eine klare Absage erteilt. Bleiben Sie bei Ihrer Ministerin – kein Fracking, auch wenn wir energiemäßig einen Engpass hätten?

Krismer: Die Frage ist, wer bei wem bleibt. Die Grünen in Niederösterreich sagen seit langer Zeit, kein Fracking im Weinviertel. Egal, welche Technologie verwendet wird, es braucht zu viel Wasser in einer Region, die heute schon vor Dürre geplagt ist, wo Hausbrunnen kämpfen, dass Menschen überhaupt Trinkwasser haben. Das ist kein Zukunftsmodell. Ich bin sehr froh, dass es jetzt diese Ministervorlage gibt. Das sollte jetzt auch entschieden werden. Ich hoffe, dass die ÖVP dem die Zustimmung gibt. Mein Ansatz ist der wie in Vorarlberg: Fracking sollte auch bei uns dezidiert in die Landesverfassung hinein. Dann haben wir das wirklich erledigt und können uns den Zukunftsprojekten widmen.

Landtagswahl 2023 auf noe.ORF.at

Alle Informationen und Hintergrundberichte zur Landtagswahl am 29. Jänner finden Sie hier

Thema Mobilität und Straßenbau: Auf Bundesebene gibt es einen Stopp für die Projekte Lobautunnel und weiterführend die S8, die Marchfeld-Schnellstraße. Warum ist für eine grüne Ideologie Straßenbau offenbar so ein No-go. Wasserstoffautos oder Elektroautos brauchen auch Straßen. Wie erklären Sie den Menschen im Weinviertel, wo Verkehrsbelastungen sehr hoch sind, dass dort die Entlastung nicht kommt?

Krismer: Herr Fuchs, wir leben in keiner Zeit mehr, in der man mit Ideologien Politik machen sollte. Wir leben in einer Zeit, wo man in Kitzbühel dieser Tage nicht weiß, wie man eine Abfahrt richtig bewältigen soll, Tourismus darstellen soll. Mein Sohn hat jetzt mit 17 Jahren wieder eine Allergie. Das ist eine Zeit, da passiert was. Jetzt muss man sich entscheiden – auch die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher sollten sich am 29. Jänner entscheiden – ob sie eben jene Parteien wählen, die sagen, Gas oder neue Autobahnen könnten wir uns vorstellen, oder man setzt auf jene – und das ist mein Angebot – die sagen, wir sind in einer Zeit, wo wir alles auf den Prüfstand geben müssen und es für die Zukunft besser machen.

In der Frage der Mobilität setze ich darauf, dass wir in Niederösterreich ein noch besseres Busangebot haben, keine leeren Busse durch die Gegend fahren lassen, sondern in den Regionen ein besseres Angebot, das von den Menschen angenommen wird, ein Gratis-Monatsticket, um es auszuprobieren und umzusteigen – das sind meine Angebote. Im Konkreten meinen Sie die S8 in Gänserndorf. Das ist gerade die fatale Politik, die die ÖVP gemacht hat, aber auch die Sozialdemokratie und die Freiheitlichen, seit langer Zeit zu sagen, wir wollen eine Bundesstraße, und viele sagen, das wird hier naturschutzrechtlich nicht möglich sein. Daher stehen die Menschen dort verärgert jeden Tag im Stau, weil die ÖVP auch heute noch nicht bereit ist, ein Alternativangebot zu legen. Wir brauchen dort eine leistungsfähigere Straße, aber keine hochrangige Straße. Das sagen wir seit langer Zeit.

Wie kann so ein Alternativangebot aussehen?

Krismer: Es gab schon einmal die Variante einer Kette von Umfahrungsstraßen. In einer Region, die sich in den letzten 20 Jahren so dynamisch entwickelt hat, wo man viele Siedlungen aufgeschlossen hat, wo Menschen hingezogen sind, muss immer der öffentliche Verkehr und der Straßenverkehr dazupassen. Beim einen war man stur, sprich bei der S8, beim öffentlichen Verkehr hat man zu wenig Druck gemacht. Die Region bekommt die Mobilität in Zukunft, wenn man mir die Stimme gibt, dass wir eine Lösung finden.

Sendungshinweis

„NÖ heute“, 17.1.2023

Was ist Ihr Wahlziel für den 29. Jänner?

Krismer: Am 29. Jänner am Abend wird es Verlierer und Gewinner geben. Herr Fuchs, was glauben Sie, auf welcher Seite ich sein möchte – bei den Gewinnerinnen und Gewinnern. Die Personen, die in Niederösterreich den Grünen eine Stimme geben, stehen auf der Seite eines Zukunftsgewinns. Es geht um die Lebensfrage, wie sich dieses Land in den nächsten Jahren trotz mancher Krisen positiv weiterentwickelt, wie wir den Wirtschafts- und Industriestandort sichern können – da habe ich wahnsinnig viel vor, da möchte ich, dass Photovoltaik im Land produziert wird. Das ist mein Angebot, für diese großen Fragen auch Antworten zu geben, sich nicht zu drücken. Dafür stehe ich und dafür werbe ich.