SPÖ-Landesparteiobmann Franz Schnabl geht zum zweiten Mal als Spitzenkandidat seiner Partei in eine Landtagswahl. Schnabl war einst Generalinspektor der Wiener Polizei, später Vorstand und Personalchef im Magna-Konzern, 2017 folgte der Wechsel an die Spitze der SPÖ Niederösterreich. Seit 2018 ist er Landeshauptfrau-Stellvertreter und somit Teil der Landesregierung.
Der 64-Jährige setzt sich für Konsumentenschutz, Kinderbetreuung und leistbares Wohnen ein. Er fordert u.a. immer wieder einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung und eine kostenfreie Kinderbetreuung am Nachmittag. Zuletzt machte er zudem auf einen „Gesundheitsnotstand“ aufmerksam, für den er im Interview mit ORF-NÖ-Chefredakteur Benedikt Fuchs einen Lösungsansatz liefert. Dass die SPÖ trotz Wahlkampfthemen, die eigentlich SPÖ-Themen sind, bescheidene Umfrageergebnisse hat, relativiert er.
Herr Schnabl, es gibt aktuelle Meinungsumfragen in Niederösterreich, die die FPÖ vor der SPÖ sehen. Auch wenn man diverse Umfragen in den letzten Monate ansieht, kommt die SPÖ nicht so richtig vom Fleck, obwohl wir in Zeiten der Teuerung leben. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft auseinander. Macht Ihnen das Sorgen?
Franz Schnabl: Ich kenne sehr viele Umfragen seit Anfang des vergangenen Jahres mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen und Bildern. Ich glaube, die Berechnung aufgrund von weniger Wahlberechtigten ist für alle Institute schwierig. Ich möchte da gar nichts unterstellen, sondern ganz im Gegenteil: Wir sind als Sozialdemokraten in dieser Wahlbewegung viel mit unseren Inhalten auf der Straße, bei den Menschen, in Diskussionen, in Veranstaltungen. Und die einzige Umfrage, die am Ende des Tages dann wirklich zählt, ist keine Umfrage, sondern eine Abstimmung – das Ergebnis am 29. Jänner.
Das, was wir richtig voranbringen wollen, was uns treibt in dieser Wahlbewegung, was unser Feedback ist, ist: Die Teuerung ist ein Thema, das die Menschen massiv interessiert und belastet. Aber viele andere Probleme in Niederösterreich sind nicht gelöst und harren nach Lösungen. Da erwarten die Menschen von den Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen Lösungen und Antworten, die wir haben.
Die Spitzenkandidaten im Interview
Von 16. bis 20. Jänner gibt es in „NÖ heute“ (19.00 Uhr, ORF2-N) Interviews mit den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der fünf im Landtag vertretenen Parteien
Sie haben gesagt, Sie wollen Landeshauptmann werden. Wie realistisch schätzen Sie das jetzt wirklich ein?
Schnabl: Die Wahl am 29. Jänner wird vor allem eines mit sich bringen: Veränderung. Die ist in diesem Land dringend notwendig. Wir stehen am Standpunkt: Zuerst wird gewählt, dann wird gezählt, danach wird verhandelt. Wenn Verhandlungsergebnisse vorliegen, dann werden der Landeshauptmann und alle Funktionsträger im Land durch den Landtag in geheimer Wahl gewählt.
Wir als Sozialdemokraten haben rote Linien, Inhalte, Programme. Wir werden nach der Wahl mit allen politischen Parteien reden – darüber, dass das Paket gegen die Teuerung endlich umgesetzt wird, dass die gratis Nachmittagsbetreuung im Kindergarten tatsächlich in Niederösterreich umgesetzt wird, dass eine bessere Förderung und Unterstützung für die Wohnungswerber und den Wohnungsbereich, für die Häuslbauer tatsächlich umgesetzt wird, dass endlich etwas passiert gegen die Misere im Gesundheits- und Pflegebereich.

Von ÖVP-Seite wird momentan immer wieder Rot-Blau genannt. Die FPÖ bezeichnet Klimaaktivistinnen als Klimaterroristinnen, fordert Push-backs an den Grenzen, will die Bundeshymne wieder in die alte Fassung gesetzlich verändern. Gestern (Mittwoch; Anm.) hat Udo Landbauer an dieser Stelle gesagt, er will das Ende für Sozialleistungen für Asylwerber. Können Sie mit so einer Partei an einen Tisch?
Schnabl: Ich habe grundsätzlich Schwierigkeiten mit allen Parteien, die mit Versprechungen wahlwerben, für die der Landtag und für die sie selbst in der Landespolitik nicht zuständig sind. Das beginnt bei der Verschärfung des Strafrechts im Versammlungsrecht und geht hin zum Asylbereich. Das bedeutet aber auch, dass wir selbst nicht Wahlvorschläge zu einer Veränderung beispielsweise im Steuersystem machen, was die Lohnnebenkosten betrifft. Wir werben, schlagen auch vor und diskutieren Programme und Inhalte, für die die Landespolitik, das Land, wir selbst verantwortlich sind, wie beispielsweise ein Landespaket gegen die Teuerung, Maßnahmen im Bildungs- und Kinderbetreuungsbereich, die Wohnbauförderung endlich neu gestalten und so weiter.
Aber Sie schließen eine Zusammenarbeit mit der FPÖ dezidiert nicht aus?
Schnabl: Die letzten fünf Jahre haben wir immer wieder Anträge im Landtag eingebracht. Genau bei diesen Beispielen, beim Teuerungspaket etwa, gab es eine Zusammenarbeit mit allen Parteien, ausgenommen der ÖVP, die Teile oder das ganze Paket mitgetragen haben. Das waren nicht nur die Freiheitlichen, das waren auch die NEOS und die Grünen in vielen Punkten und Inhalten. Das gilt ganz genauso auch bei der Kinderbetreuung. Zu unserem Kinderbetreuungsprogramm – ganzjährig, ganztägig, gratis – kann ich Ihnen das Stimmverhalten im Landtag sagen: Vier Parteien sind für die gratis Nachmittagsbetreuung, das sind FPÖ, NEOS, Grüne und wir, die das vorgeschlagen haben.
Ich wollte gerade zum Thema Kinderbetreuung kommen. Sie sind zwar mit diesem Paket des Vorjahres mitgegangen, es geht Ihnen aber auch nicht rasch genug, die Umsetzung ist 2024 geplant. Es gibt aber auch ganz große Herausforderungen: Man braucht 100 zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im pädagogischen Bereich, man braucht sehr schnell sehr viel Personal. Woher soll das kommen?
Schnabl: Wir Sozialdemokraten haben ein sehr detailliertes, zeitlich, personell und kostenmäßig abgestimmtes Programm vorgeschlagen, schon zu Beginn des vergangenen Jahres. Um eine ganz genaue Zahl zu sagen: Wir werden ungefähr 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den niederösterreichischen Kindergärten zusätzlich brauchen, um diesen Bedarf eines flächendeckenden, ganzjährigen, ganztägigen Gratisangebotes abzudecken. Wir haben gesagt, der erste Schritt wird zusätzlich circa 80 Millionen Euro kosten.
Wir haben jetzt eine Akademie für Elementarpädagogik. Die Wahrheit ist, dass nur ein Drittel etwa nach Absolvierung dieser Ausbildung tatsächlich einen Beruf in diesem Bereich in Niederösterreich ergreift. Ein anderer Teil geht in andere Bundesländer oder ergreift gänzlich einen anderen Beruf. Wir müssen natürlich die Rahmenbedingungen, die Bezahlung, das Einkommen für diesen wichtigen Beruf der Bildung und der Zukunft neu gestalten und verbessern.
Sendungshinweis
„NÖ heute“, 19.1.2023
Thema Gesundheit: Wir haben in Niederösterreich einen Kassenärztemangel in Niederösterreich, der in Gesundheitskreisen immer wieder Thema ist. Welches Konzept haben Sie, wie kann man das lösen?
Schnabl: Ich halte es für unzumutbar, dass wir Bezirke haben, beispielsweise Lilienfeld, wo es keinen einzigen Kinderfacharzt gibt. Ich halte es auch für unzumutbar, dass im Bezirk Korneuburg für 40.000 Frauen nur eine einzige Frauenarzt-Kassenplanstelle vorhanden ist. Ich habe vor wenigen Tagen gemeinsam mit meiner Kollegin in der Landesregierung, Landesrätin Königsberger-Ludwig, davon gesprochen, dass wir in Niederösterreich einen Gesundheitsnotstand haben und dass die ÖVP mit Versprechungen immer vor der Wahl versucht, diesen Gesundheitsnotstand – man könnte jetzt flapsig sagen – gesund zu beenden.
Die Versprechungen aus 2018 – Landarztgarantie – führen dazu, dass gar nichts gelöst wird, vielleicht das Wahlergebnis der ÖVP da und dort 2018 geschönt wurde. Wir hatten damals vier unbesetzte Kassenplanstellen, heute haben wir 31 bei den Allgemeinmedizinern, 33 bei den Fachärzten. Ein Wahnsinn eigentlich für dieses Bundesland und diese Zahl wird immer größer. Jetzt haben sie wieder eine Betriebsfortsetzungs-GesmbH oder eine neue Gesellschaftsform. Die Verhandlungen sind zwar fertig, die Verträge noch nicht unterschrieben, aber kein einziger Arzt hat sich noch bereit erklärt, überhaupt im Rahmen dieser Bereitstellungs-GesmbH tätig zu sein. Unsere Lösungen sind klar: Wir müssen die Stipendien signifikant aufstocken. Wir haben 20, das Burgenland hat 55. Im Zahlenvergleich müssten wir 300 haben.
Und was wir dringend brauchen: Dort, wo kein Kassenarzt zur Verfügung steht, muss die Kassa die Gebühr für den Wahlarzt übernehmen, wie es Beispiele wie Dänemark in diesem Fall vormachen, wie das funktioniert. E-Card statt Kreditkarte muss hier die Devise sein. Die Menschen können nicht für die Versäumnisse der Politik zur Kasse gebeten werden.
SPÖ-Spitzenkandidat Schnabl im Gespräch
SPÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl ist diesmal Gast bei ORF-NÖ-Chefredakteur Benedikt Fuchs. Schnabl spricht über die bevorstehende Landtagswahl.
Sie haben Wahlveranstaltungen sowohl mit Ihrer Parteichefin (Pamela Rendi-Wagner; Anm.) als auch mit dem burgenländischen Landeshauptmann (Hans Peter Doskozil; Anm.) abgehalten. Zwischen den beiden schwelt auf Bundesebene ein Konflikt. Wer ist die bessere Parteichefin oder der bessere Parteichef?
Schnabl: Mein Zugang ist immer: Ich schaue mir Sachen an, wo thematische Lösungen möglich sind, welche Vorschläge wir haben. Auf Landesebene schauen wir uns an, wie macht es Peter Kaiser in Kärnten, wie macht es Hans Peter Doskozil im Burgenland, wie macht es Michael Ludwig in Wien? Wir nehmen Lösungen, die für Niederösterreich adaptierbar sind. Da muss ich feststellen, dass Hans Peter Doskozil als burgenländischer Landeshauptmann sehr gute Arbeit macht und in vielen Bereichen – in der Gesundheit, der Pflege, auch bei der Wohnbauförderung oder bei Maßnahmen gegen die Teuerungen – Dinge, die wir uns in Niederösterreich als Vorbild nehmen können.
Pamela Rendi-Wagner, die im Übrigen bei mehreren Veranstaltungen dabei war, macht eine hervorragende Arbeit als Oppositionsführerin und Klubobfrau. Mein Zugang ist ganz grundsätzlich auch anderen Parteien gegenüber: Schauen wir und reden wir über die Sache, reden wir über den Inhalt und das Thema, führen wir ein Gespräch und kommen zu einer gemeinsamen Lösung.
Sie lehnen sich also nicht aus dem Fenster?
Schnabl: Ich habe gesagt, dass ich einen sehr sachlichen, guten Zugang zu allen Gesprächspartnern innerhalb der Partei, aber auch gegenüber anderen Parteien habe.