Spitzenkandidatinnen aller Parteien in der ORF-Elefantenrunde
ORF/Christian Öser
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Wahl 23

Hitzige Debatte über Teuerung und Asyl

Die ORF-TV-Diskussion der landesweit kandidierenden Parteien vor der Landtagswahl in Niederösterreich hat am Donnerstag zu teils hitzigen Debatten geführt. Vor allem bei den Themen Teuerung und Asyl gingen die Meinungen weit auseinander.

Die Wahl am 29. Jänner in Niederösterreich findet eineinhalb Jahre vor der nächsten regulären Nationalratswahl statt und gilt insofern als Stimmungstest für den Bund. Der ÖVP droht der Verlust der absoluten Mehrheit, mit der sie im Bundesland seit 2003 durchgängig regiert. „Gerade die multiplen Krisen und die damit verbundenen Folgen wie Inflation und Teuerung verleihen keinen Rückenwind“, sagte ÖVP-Spitzenkandidatin und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner in der TV-Diskussion.

Trotz der finanziellen Unterstützungen gebe es „eine Angst des Wohlstandsverlustes“. Die Korruptionsaffären innerhalb der Partei seien „nicht hilfreich“, der Wahlkampf sei „geprägt von Angriffen und Untergriffen der Mitbewerber“, so Mikl-Leitner, die wie bereits 2018 im Wahlkampf das „Miteinander“ betonte. „Wir versuchen weiterhin, alle politischen Parteien zusammenzuführen“, so die Landeshauptfrau. Es gelte, „Blau-Rot“ zu verhindern, sagte sie.

Wer wird Landeshauptmann oder -frau?

SPÖ-Spitzenkandidat und -Landesparteichef Franz Schnabl betonte, Landeshauptmann werden zu wollen, „weil ich bereit bin, Verantwortung zu übernehmen“. Auch FPÖ-Spitzenkandidat und -Landesparteichef Udo Landbauer hatte diesen Anspruch im Wahlkampf gestellt. Schnabl hielt allerdings fest: „Ich würde Udo Landbauer, wenn er die Menschenrechte infrage stellt, nicht zum Landeshauptmann wählen.“

Landbauer wiederum betonte, er werde Mikl-Leitner nicht zur Landeshauptfrau wählen, „weil sie fünf Jahre bewiesen hat, dass sie es nicht richtig machen kann“. Er sei bereit, mit jeder Partei zu sprechen, die die FPÖ-Themen mittrage. Mikl-Leitners Retourkutsche folgte: „Ich würde Landbauer nicht zum Landeshauptmann machen.“ Ihre Aufgabe sei es, den Wählerwillen abzubilden.

Die Spitzenkandidatin der Grünen, Helga Krismer, schloss sich der Debatte an. Vor fünf Jahren habe man Mikl-Leitner nicht gewählt, „weil es gerade in der Frage Klima und moderne Demokratie den Anschein hatte, dass da nichts passieren wird. Und es ist nichts passiert“, meinte sie. NEOS-Spitzenkandidatin und -Landessprecherin Indra Collini kündigte früh im Wahlkampf an, Mikl-Leitner unterstützen zu wollen. In der Diskussion sagte sie, dass Mikl-Leitner Landeshauptfrau bleibe, weil sie mit der stimmenstärksten Partei aus der Wahl herausgehen werde. Die Frage am 29. Jänner sei aber nicht, wer Landeshauptfrau sein werde, sondern wie es mit dem Land weitergehe.

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Die Spitzenkandidaten vor der Diskussionsrunde
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Die TV-Diskussion am Donnerstagabend brachte teils hitzige Debatten
Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in der ORF-Elefantenrunde
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ÖVP-Spitzenkandidatin Johanna Mikl-Leitner: „Es gilt, Blau-Rot zu verhindern“
Franz Schnabl (SPÖ) in der ORF-Elefantenrunde
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SPÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl: ÖVP mache hinsichtlich der Teuerung in Bund und Land „zu wenig und zu spät"
Udo Landbauer (FPÖ) in der ORF-Elefantenrunde
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FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer: „Wir müssen die Magnetwirkung abstellen und Sozialleistung auf null stellen“
Helga Krismer (Grüne) in der ORF-Elefantenrunde
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Grünen-Spitzenkandidatin Helga Krismer sprach sich als Einzige für Tempo 100 auf Autobahnen aus
Indra Collini (NEOS) in der ORF-Elefantenrunde
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NEOS-Spitzenkandidatin Indra Collini: „Strompreisrabatt ist reine Geldverschwendung“

Kritik an Strompreisrabatt

Das Thema, das die Menschen laut SORA-Umfrage derzeit als am Wichtigsten für die Wahlentscheidung sehen, ist die Teuerung. Niederösterreich hat im Bundesländervergleich die meisten Teuerungshilfen ausgeschüttet, wie das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) bestätigt – unter anderem einen Strompreisrabatt, eine Pendlerhilfe und einen Heizkostenzuschuss.

Was ÖVP in Bund und Land mache, sei jedoch „zu wenig, zu spät, zu zögerlich“, sagte SPÖ-Spitzenkandidat Schnabl. Er kritisierte vor allem, dass die Hilfen nicht sozial gestaffelt seien. Auch im Gesundheitsbereich müssten „die Leute schon das Brieftascherl zücken“. Mikl-Leitner nannte den Strompreisrabatt als eine der wichtigsten Maßnahmen – dieser sei sehr wohl sozial gestaffelt gewesen.

Landtagswahl 2023 auf noe.ORF.at

Alle Informationen und Hintergrundberichte zur Landtagswahl am 29. Jänner finden Sie hier.

Als „Geldverschwendung“ bezeichnete NEOS-Kandidatin Collini den Strompreisrabatt des Landes. Der Schuldenberg werde größer, die Landesregierung habe Jahr für Jahr mehr ausgegeben, als budgetiert wurde. „Man hat das Gefühl, das Geld ist abgeschafft.“ Grünen-Kandidatin Krismer sprach hingegen von einer „veritablen Krise“, in der es einen „Support“ gebraucht habe. Es sei „beschämend, dass alle ihr Bedauern zum Ausdruck bringen“, keiner sei aber bereit, „an den Ursachen zu drehen“, so Landbauer.

Tempo 100 auf Autobahn: „Steinzeit“ oder „Zukunft“

Bei der TV-Diskussion waren immer wieder auch die Aktivisten und Aktivistinnen von „Fridays for Future“ zu hören, die seit vier Tagen vor dem Landhaus campieren und sich für die Wichtigkeit des Themas Klimaschutz einsetzen. Angesprochen darauf, ob es härtere Strafen für Aktivistinnen brauche, die sich auf Straßen kleben, meinte Landbauer: „Die Klimaaktivisten werden immer militanter, ich bin aber nicht gegen friedliche Demonstrationen.“

Diskussionspunkt war ebenso, ob Tempo 100 auf Autobahnen vorgeschrieben werden soll. „Ich will nicht zurück in die Steinzeit“, sprach sich Landbauer dagegen aus. Collini sah anders als Landbauer keinen „Weg in die Steinzeit“, sondern einen „Weg in die Zukunft“. Grünen-Sprecherin Krismer sprach sich als einzige der Diskussionsteilnehmer für Tempo 100 auf Autobahnen aus und verwies auf Tirol, wo das auf der Inntalautobahn funktioniere.

Mikl-Leitner betonte, auf Überzeugungsarbeit setzen zu wollen, „dass wir Alternativen anbieten und motivieren, den öffentlichen Verkehr noch stärker zu nutzen“. Dass die SPÖ große Straßenbauprojekte unterstütze, argumentierte Schnabl folgendermaßen: „Wo es um Sicherheit, Gesundheit und Lebensqualität geht, muss man das Projekt umsetzen.“

Klimaprotest vor dem Landhaus in St. Pölten am 26. Jänner
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Seit Tagen campieren Klimaaktivisten vor dem Landhaus in St. Pölten

Große Differenzen beim Thema Asyl

Dominantes Thema in der TV-Diskussion und laut SORA-Umfrage auch eines der wichtigsten Themen für die Wahlentscheidung ist Asyl. Die FPÖ spricht auf ihren Wahlplakaten von einem „Asylchaos“, 120.000 „Illegale“ würden pro Jahr die „Grenzen stürmen“, meinte Landbauer. Das sei nicht gerecht, während die Menschen im Land mit einer Preisexplosion zu kämpfen hätten. Landbauer erneuerte seine Forderung: „Wir müssen die Magnetwirkung abstellen und Sozialleistung auf null stellen.“

Krismer betonte, dass es wichtig sei, „die Menschen, die bei uns sind, gut zu verteilen. Dazu haben wir uns in Europa bekannt.“ Schnabl wollte in der Asylfrage von keinem Richtungsstreit zwischen dem burgenländischen Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil und Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner wissen. „Wer Hilfe braucht, kriegt sie. Wer die Regeln nicht einhält, hat Hilfe und Unterstützungsmöglichkeiten verloren.“ Er wolle aber „keinen Zaun um Niederösterreich errichten“.

Die Spitzenkandidaten und das Moderationsduo vor der Diskussionsrunde
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Die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der fünf landesweit antretenden Parteien stellten sich Donnerstagabend den Fragen von ORF-NÖ-Chefredakteur Benedikt Fuchs (4. v. l.) und Radio-Politik-Journalistin Julia Schmuck (3. v. r.)

Bei NEOS findet sich nichts zum Thema Asyl im Programm für den Landtagswahlkampf. Das sei ein Bundesthema, sagte Collini. „Die rechte Hetze wird uns nicht helfen, genauso wie die linke Träumerei.“ Sie forderte einmal mehr eine gesamteuropäische Lösung in der Asylpolitik. „Beschämend“ bezeichnete sie, dass Niederösterreich die Quote zur Unterbringung von Asylwerbern nicht erfülle.

Mikl-Leitner hielt fest, dass Niederösterreich bei der Quotenerfüllung auf Platz drei liege. Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) habe „das gut im Griff“. Das Asylthema sei jedoch kein Landtagswahlthema, sondern liege auf Bundes- und europäischer Ebene.

Sendungshinweis

„Landtagswahl NÖ: Diskussion der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten“, 26.1.2023.

Diskussion über Einfluss auf Medien

Thematisiert wurden in der TV-Sendung zudem Vorwürfe gegen den ehemaligen Chefredakteur des ORF Niederösterreich und aktuellen Landesdirektor, Robert Ziegler, der die Berichterstattung zugunsten der ÖVP beeinflusst haben soll. Eine ORF-interne Kommission untersucht derzeit die Vorwürfe. Ziegler weist die Anschuldigungen von sich.

Analyse der NÖ-Wahldiskussionsrunde

Am Donnerstag sind die Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten der Landtagswahl in Niederösterreich zu einer „Elefantenrunde“ zusammengetroffen. Politologe Peter Filzmaier analysiert die wichtigsten Aussagen der Diskussionsrunde und geht auf Umfrageergebnisse ein.

„Ich nehme keinen Einfluss auf die Berichterstattung“, so Mikl-Leitner, „weder beim ORF noch sonst wo“. Sie sprach von einer „internen Intrige innerhalb des ORF“. Alle fünf Kandidatinnen und Kandidaten sprachen sich letztlich gegen das Anhörungsrecht des Landeshauptmanns bzw. der Landeshauptfrau bei der Bestellung des Landesdirektors aus.

Niederösterreich wählt am 29. Jänner einen neuen Landtag. Acht Listen treten an, fünf davon landesweit. Zu vergeben sind 56 Mandate im Landesparlament. Die ÖVP hatte vor fünf Jahren mit 29 Sitzen die absolute Mehrheit erzielt, die SPÖ erreichte 13, die FPÖ acht. Grüne und NEOS stellen jeweils drei Abgeordnete – mehr dazu in Spannende Ausgangslage vor Landtagswahl (noe.ORF.at; 1.1.2023).