Bühne der Sommerfestspiele Melk mit einer Aufführung („Hells Bells“) aus dem Sommer 2018 mit dem Stift Melk im gut sichtbar im Hintergrund
DANIELA MATEJSCHEK
Daniela Matejschek
„Theaterfest“

Sommerspiele Melk: Kassandras Frauenkraft

Die Sommerspiele Melk setzen heuer sowohl in ihrer Besetzung als auch thematisch auf geballte Frauenpower. Bei „Kassandra und die Frauen Trojas“ geht es heuer um den weiblichen Blick: Das Stück ist eine moderne Erzählung des antiken Mythos über eine tragische Heldin.

Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass bei den Sommerspielen Melk historischer Kontext modern inszeniert wird. In diesem Sommer wird mit „Kassandra und die Frauen Trojas“ die trojanische Geschichte aus Frauenperspektive erzählt.

Der Stückauftrag wurde in diesem Jahr dabei an die prämierte Autorin Magda Woitzuck aus Neulengbach (Bezirk St. Pölten) vergeben. Die Regie übernimmt zum ersten Mal die mehrfach ausgezeichnete ebenfalls niederösterreichische Regisseurin Christina Gegenbauer. Für noch mehr Frauenpower auf der Bühne sorgen sieben Darstellerinnen: neben Hauptdarstellerin Isabella Knöll als Kassandra Sophie Prusa, Alexandra-Maria Timmel, Valentina Waldner, Julia Jelinek, Claudia Carus sowie Pippa Galli. Als einziger „Quotenmann“, wie es Regisseurin Christina Gegenbauer formulierte, spielt Thomas Kamper inmitten des weiblichen Ensembles.

Gegenbauers erste Regie in Melk

Erstmals in der Geschichte der Sommerspiele Melk ist die Regie in weiblicher Hand. Die St. Pöltner Regisseurin Christina Gegenbauer greift gerne gesellschaftlich relevante Themen und Fragen nach Werten auf und erhielt dafür 2022 den Ödön-von-Horvath-Förderpreis. In Melk gehe es ihr darum, die Sicht der Protagonistinnen darzustellen. Einerseits sei es ihr wichtig, Frauen in Hauptrollen zu bringen, andererseits gehe es ihr bei der mythischen Figur von Kassandra auch darum, Heldentum zu hinterfragen.

Kassandra
Daniela Matejschek
Hauptdarstellerin Isabella Knöll wird als „Kassandra“ auf der Bühne stehen und eine starke Heldin zeigen

Im Krieg würden Frauen mitkämpfen, ist Gegenbauer überzeugt: „Sie kämpfen zu Hause. Was ihnen verwehrt bleibt, ist der Tod. Sie sind diejenigen die weiterleben, die weiterleben müssen, die nicht als Helden im Krieg fallen, sondern als Heldinnen das Land wieder aufbauen“, so die Regisseurin gegenüber noe.ORF.at.

In Melk zu inszenieren, sei bereits seit ihrer Jugend ein großer Wunsch gewesen, so Gegenbauer: „Als ich 2005 als Jugendliche die ‚Nibelungen‘ in Melk gesehen habe, stand für mich der große Wunsch fest, auch selbst einmal hier zu inszenieren. Umso mehr freut es mich, dass ich nach langer Zeit in Deutschland nun meine künstlerischen Ansätze mit dem großartigen Festspielteam hier umsetzen darf."

Intendant Hauer: „Hochaktuelles“ Stück

„Dass Theater Neues bieten muss, liegt in seiner DNA", sagte Intendant Alexander Hauer vorab. Seit seinem Start im Jahr 2011 sei es ihm ein Bedürfnis, mit bewegenden Stoffen sowie namhaften Autorinnen und Autoren Theater zu machen. "Insbesondere freut es mich, dass wir heuer zusammen mit außergewöhnlich talentierten Frauen ein fesselndes und nicht zuletzt hochaktuelles Stück auf die Bühne bringen werden“, so der künstlerische Leiter der Sommerspiele.

Sendungshinweis

„Theaterfest“, 10.6.2023

Magda Woitzuck verändere mit ihrem Werk den Blickwinkel auf den trojanischen Krieg. Komplexe Geschichten in präzisen Dialogen ohne Vorwissen des Publikums zu entblättern und gleichzeitig Figuren „eine wunderbare Mischung aus Geist, Klarheit und Sinnlichkeit einzuhauchen“ seien Woitzucks Stärke, wie die Sommerspiele in ihren Presseunterlagen betonen.

Auch Musikrevue und Kinderstück

„Für mich thematisiert ‚Kassandra und die Frauen Trojas‘ die Selbstbestimmung und Verantwortung sowie die patriarchale Tradition und das Brechen damit", so die Autorin über ihre Motivation, den Stoff aufzugreifen und die Geschichtsschreibung damit in ein neues Licht zu rücken. "Es zeigt Macht und Ohnmacht, Aktion und die Unmöglichkeit zu agieren sowie die Angst – auch vor dem Mann. Daneben geht es auch darum, seine Gunst zu verlieren, was in patriarchalen Gesellschaften immer noch ein existenzielles Problem darstellt. Denn wer die Gunst des Mannes verliert, der wird abgeschnitten: von Geld, von Sicherheit, von Erfolg.“

Die Premiere von „Kassandra und die Frauen Trojas“ findet am 14. Juni statt. Zu sehen ist das Stück bis Ende Juli in zehn Vorstellungen. Außerdem aufgeführt wird im Rahmen der Melker Sommerspiele in diesem Sommer ab 5. Juli die Musikrevue „One Vision – Überdosis G’fühl“, bei dem das trojanische Pferd im Mittelpunkt des Geschehens steht, allerdings in exzentrischer Fassung mit Hits aus fünf Jahrzehnten. Für Kinder zeigen die Sommerspiele heuer am 23. Juli und 5. August „Betti Bernstein und das Geheimnis der Glaskugel“.