März 1938: Als Hitler in St. Pölten war

Vor 75 Jahren, am 12. März 1938, verschwand Österreich mit dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich für sieben Jahre von der Landkarte. Zwei Zeitzeugen aus Niederösterreich erinnern sich an diese Zeit, als Adolf Hitler durch St. Pölten fuhr.

Am 11. März 1938 erklärte Bundeskanzler Kurt Schuschnigg in einer Rundfunkansprache die für zwei Tage später geplante Volksbefragung für abgesagt. Seine Rede endete mit den Worten „Gott schütze Österreich!“

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Franz Planeta, heute pensionierter Bankbeamter, war damals acht Jahre alt und lebte mit seinen Eltern in Loosdorf (Bezirk Melk): „Ich habe das schon mitbekommen, dass aus Schuschniggs Stimme eine Nervosität und Hektik aus dem Radiogerät herausklingt. Meine Eltern waren sehr angespannt, und beide haben gesagt: ‚Der Staat geht zugrunde.‘“

„Wir wissen noch nicht, was uns der bringt“

Am 12. März 1938 wurde in den Morgenstunden der der so genannte „Anschluss“ Österreichs militärisch vollzogen. Um die Mittagszeit erreichten die deutschen Truppen St. Pölten. Ernst Pfabigan, ehemaliger Lehrer und Kulturpolitiker in der Stadt, erinnert sich.

Adolf Hitler fährt in einem Auto durch Sankt Pölten

Stadtmuseum St. Pölten

Adolf Hitler wird in St. Pölten stürmisch begrüßt.

„Es ist eine Wagenkolonne eingetroffen, zuerst Militär, dann haben die Leute zu schreien angefangen, und der Führer persönlich ist gekommen. Das Schreien war ansteckend, daraufhin habe ich auch die Hand gehoben und geschrien. Meine Mutter hat meine Hand genommen, hinuntergedrückt und gesagt ‚Wir wissen noch nicht, was uns der bringt‘. Da haben uns einige der umstehenden Leute gleich sehr böse angeschaut, daraufhin hat mich meine Mutter genommen und ist mit mir verschwunden.“

Franz Planeta

ORF

Franz Planeta

„Zum ersten Mal sah ich Vater weinen“

Franz Planetas Vater hatte als Postenkommandant der Gendarmerie vor dem Anschluss illegale Nazis verhaftet, die Bombenanschläge verübt hatten. Eine normale Amtshandlung, könnte man sagen, dennoch wurde er bereits am nächsten Tag verhaftet und strafversetzt.

Ein Schock für die Familie, erzählt Franz Planeta: „Zum ersten Mal habe ich meinen Vater weinen gesehen, und er war echt erschüttert. Er hat überhaupt nicht gewusst, wie das mit der Familie weitergehen wird.“

Ernst Pfabigan

ORF

Ernst Pfabigan

Verfolgung und Vertreibung

Im ganzen Land folgten bereits am Tag des Einmarsches Verhaftungen politischer Gegner, die Vertreibung der Juden aus Niederösterreich begann.

„Ich weiß nur, dass im Hof der Synagoge Stöße von Büchern verbrannt wurden. Nachdem ich gerne gelesen habe, ist mir eigentlich leid um die Bücher gewesen. Aber wie sehr das ins Bedrohliche gegangen ist, das habe ich damals noch nicht erfasst“, schildert Ernst Pfabigan, Jahrgang 1927.

St. Pölten besitzt heute eine mustergültig renovierte ehemalige Synagoge, eine jüdische Gemeinde gibt es nicht mehr.

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