Roman schildert Gefängnis-Massaker

Am Freitag wurde das jüngste Buch des Historikers Robert Streibel präsentiert. „April in Stein“ ist ein Roman über einen Massenmord an knapp 400 Inhaftierten des Zuchthauses Krems-Stein kurz vor Kriegsende, als die Rote Armee in Niederösterreich war.

Der Massenmord geschah am 6. April 1945: Der Direktor des Zuchthauses Stein wollte die Häftlinge freilassen. Es waren hauptsächlich Regimegegner und Widerstandskämpfer, die Gefängistore wurden geöffnet. Doch SS, SA und Wehrmacht griffen hart durch: Unzählige Menschen wurden im Gefängnishof erschossen. Jene, die flüchten konnten, wurden in den umliegenden Dörfern aufgegriffen. Allein in Hadersdorf (Bezirk Krems) wurden 61 Geflüchtete von der SS exekutiert.

Gedenkstein Massaker Stein

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Ein Gedenkstein erinnert an den Massenmord

„SSler hat einfach abgedrückt“

Dieses Massaker an etwa 400 Menschen ist Thema des Romans von Robert Streibel. In dem Buch geht es nicht nur um die Opfer, sondern auch um die Täter, „um zu überlegen, wie es so weit kommen kann. Dass Personen, die vielleicht von ihrer Einstellung her Nazis gleich von vornherein auch Massenmörder sind, wäre zu einfach. Welche Situation erfordert es, dass man dann plötzlich Dinge macht, die man für unbegreifbar hält?“

Der Roman beruht zu 80 Prozent auf Tatsachen. Der Autor hat unzählige Gespräche mit Überlebenden und Zeitzeugen geführt. So schildert etwa Josef Streibel, Jahrgang 1932, seine Erinnerungen: „Wir haben Fußball gespielt und in der Nähe war ein großer alter Kastanienbaum. Da ist einer gesessen. Von hinten ist ein SSler gekommen, hat ihm die Pistole an den Kopf gehalten und abgedrückt, und der Mann ist umgekippt. Das war ein Erlebnis, das man überhaupt nicht mehr vergisst.“

Autor Robert Streibel beim Buch signieren

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Autor Robert Streibel (rechts) bei der Buchpräsentation

Lehren aus der Geschichte ziehen

Bei der Buchpräsentation in der Justizanstalt Stein wurde auch darauf hingewiesen, wie wichtig die Auseinandersetzung mit Zeitgeschichte ist, und die Beschäftigung mit dem Massaker von Stein, auch für die Nachkommen der damaligen Gefangenen. „Mein Großvater wurde in Hadersdorf erschossen“, erzählt Gerhard Pazderka, „die Lehre aus der Biographie meines Großvaters ist für mich, dass es wichtig ist, sich für Menschenrechte zu engagieren, und den Mund aufzumachen, wenn andere schweigen.“

Unvorstellbar ist heute auch die Brutalität des NS-Regimes, angesichts der Ausweglosigkeit der Situation. „Das alles hat sich wenige Tage oder Wochen vor dem Kriegsende abgespielt“, sagt Autor Robert Streibel, „der Fanatismus war aber offenbar so groß, dass man alles darangesetzt hat, dass Gegner des Regimes die Befreiung nicht erleben sollten.“

Archivbild Krems-Stein

Archiv Robert Streibel

Einer der wenigen Überlebenden war der griechische Widerstandskämpfer Gerasimos Garnelis. Er ist nach 1945 in Krems gelieben, vor sechs Jahren ist er gestorben. Eine Gasse gegenüber der Justizanstalt Stein wird nun nach ihm benannt.