Kriegsende: Kleiner Ort mit großer Bedeutung

In der Karwoche vor 70 Jahren, im Jahr 1945, hat die Rote Armee zum ersten Mal niederösterreichischen Boden erreicht. Das Ende des Zweiten Weltkriegs rückte näher. Dem Ort Hochwolkersdorf (Bezirk Wr. Neustadt) kam dabei große Bedeutung zu.

Die Front, der Kampf zwischen deutscher Wehrmacht und russischer Armee, erreichte Niederösterreich über die Bucklige Welt. „Am 1. April war noch eine Heilige Messe vor dem Bunker, in der Nacht sind die Russen gekommen“, erinnert sich Anna Handler aus Katzelsdorf, sie war damals zwölf Jahre alt.

„In der Nacht gab es furchtbare Kämpfe, die lange angedauert haben. Untertags sind wir vom Bunker weggelaufen, beim Kellerhaus vorbei, in dem die Russen die Mädchen vergewaltigt haben. Das war eine furchtbare Schreierei. Dann sind die Tiefflieger gekommen.“

70 Jahre Kriegsende Hochwolkersdorf

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Renner trifft Russen in Hochwolkersdorf

Auf die Zivilbevölkerung brach in diesen furchtbaren Stunden und Tagen der Kämpfe unvorstellbares Leid herein. „Es war ein ungleicher Kampf. Den Deutschen ist es nur ein paar Tage gelungen, den Vormarsch der Roten Armee zu stoppen“, sagt Historiker Johann Hagenhofer. „Am 31. März waren sie noch in Wolkersdorf, am 2. April in Wiener Neustadt und am 5. April standen sie vor den Toren Wiens.“

Dem Ort Hochwolkersdorf kam eine besondere Bedeutung zu: Hier wurde die erste sowjetische Militär-Kommandantur in Niederösterreich eingerichtet. Ein Gedenkraum im Gemeindeamt erinnert an jene Zeit. Karl Renner traf hier mit den russischen Befehlshabern zusammen. „Per Telegramm wurde Stalin von Hochwolkersdorf gemeldet, dass man Renner gefunden hat. Innerhalb weniger Stunden kam die Antwort von Stalin: ‚Volle Unterstützung für Dr. Karl Renner‘. Renner hat sich bereits in Hochwolkersdorf bereit erklärt, dass er daran mitwirken wird, wieder ein demokratisches System in Österreich zu errichten“, so Hagenhofer.

70 Jahre Kriegsende Hochwolkersdorf

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Der Gedenkraum im Gemeindeamt Hochwolkersdorf

Das war zugleich die Geburtsstunde der Zweiten Republik, weil nach Stalin auch die Westmächte Renner anerkennen. Im dritten Band des Zeitzeugenprojektes haben der Historiker Johann Hagenhofer und sein Team Menschenschicksale aus jener Zeit dokumentiert. Enthalten ist auch das Schicksal von Rudolf Klune, der damals ein Kind eines Volksdeutschen aus Bosnien war. Er hatte, nachdem er wie so viele Tausende durch Europa geirrt war, mit seiner Familie in Frohsdorf in der Buckligen Welt ein neues Zuhause gefunden.

„Sie kamen mit aufgepflanztem Gewehr und wollten anscheinend Eindruck schinden. Sie sagten: ‚Wenn ihr nicht weggeht, müssen wir euch erschießen.‘ Meine Mutter sagt, sie sollen das so machen. Sie und meine Schwester hatten beide die Ruhe und waren total abgemagert. Es war uns damals egal, was geschieht. Der österreichische Gendarm hat das Erschießen aber abgewendet.“ Ein Gutsbesitzer nahm die Familie schließlich auf. Anfang April 1945 begann die Befreiung aus einer Schreckensherrschaft.

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