20 Jahre nach den Briefbomben-Attentaten

Die Briefbomben-Attentate von Franz Fuchs jähren sich heuer zum 20. Mal. Damals, am 16. Oktober 1995, öffneten die Flüchtlingshelferin Maria Loley und der syrische Arzt Mahmoud Abou-Roumie Briefe, die in ihren Händen explodierten.

Maria Loley öffnete den an sie adressierten Brief im Postamt in Poysdorf (Bezirk Mistelbach). Mit einem lauten Knall explodierte der Brief in ihren Händen. Loley wurde schwer an beiden Händen und im Gesicht verletzt und musste stundenlang im Spital operiert werden. Einen Tag nach dem Anschlag sagte sie im ORF-Interview über die damals noch unbekannten Täter: „Ich bin ihnen nicht böse. Ich habe Mitleid mit ihnen.“

„Ich habe mich nicht besiegen lassen“

Die heute 91-Jährige hörte nie auf, sich für Flüchtlinge zu engagieren. Nach dem Anschlag gründete sie den Verein „Bewegung Mitmensch“, der heute noch sehr aktiv ist. „Ich habe mich nicht besiegen lassen, auch nicht von einer Bombe. Was ist die Bombe schon im Vergleich zu einem Willen? Ich habe mir nur gedacht, jetzt die Menschen im Stich zu lassen, das ist undenkbar. Mir wäre das wie ein Verrat vorgekommen und das hätte ich nicht ertragen“, sagt Loley im Gespräch mit noe.ORF.at.

Maria Loley heute

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Loley lebt in einem Pflegeheim, inzwischen sitzt sie im Rollstuhl. Doch so gut es geht, hilft sie anderen Menschen: „Die Not fragt nicht, wie alt ich bin. Sie fragt nur: Hörst du mich? Solange ich noch hören kann, kann ich für andere da sein.“

„Ich habe versucht, zu geben“

Auch die aktuelle Flüchtlingskrise beobachtet die ehemalige Sozialarbeiterin aus Poysdorf genau. „Augenblicklich ist Gott sei Dank viel Euphorie in der Hilfe für Flüchtlinge. Aber wie lange wird das anhalten? Die schnelle, spontane Hilfe ist leichter getan, als wirklich konstant zu helfen. Ich bin davon überzeugt, dass jetzt besser und mehr geholfen wird, aber die Not ist auch viel größer.“

Maria Loley überzeugt, dass die Gesellschaft immer ärmer und kälter wird, wie sie sagt. Denn die Leute würden immer egoistischer werden. „Ich bin alt. Ob ich wirklich das erreicht habe, wofür ich gelebt habe, wird sich zeigen. Ich habe versucht, zu geben.“

20 Jahre nach den Briefbomben

„NÖ heute“ hat mit den ersten Opfern gesprochen

Zweites Opfer: „Ich hatte nie Angst“

Am selben Tag wie die Flüchtlingshelferin Maria Loley öffnete auch der syrische Arzt Mahmoud Abou-Roumie in seiner Ordination in Stronsdorf (Bezirk Mistelbach) einen Brief, auch dieser explodierte. Die Ordinationsgehilfin rief sofort seine Frau an. Damals sagte sie im ORF-Interview: „Ich habe meinen Mann stark blutend vorgefunden, ich habe die Wunden sofort verarztet und mit ihm gesprochen und versucht, ihn abzulenken, weil ich wusste, dass ihn vor allem dieser Zorn, diese Wut bewegt. Diese Überraschung, sozusagen aus dem Nichts überfallen worden zu sein.“

Mahmoud Abou-Roumie sagt, er hatte nie Angst: „Wissen Sie, Angst müssen nur diejenigen haben, die etwas verbrochen haben. Die etwas Schlimmes getan haben. Ich habe nie etwas gemacht, warum sollte ich also Angst haben?“ Der Arzt aus Syrien blieb in Stronsdorf. Jedes Jahr, wenn der Oktober ins Land zieht, denkt er natürlich verstärkt an diesen schrecklichen Tag damals zurück. „Aber ich habe damit abgeschlossen“, sagt er.

Mahmoud Abou-Roumie (Archivaufnahme)

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Mahmoud Abou-Roumie war eines der ersten Opfer von Franz Fuchs

Gezielte Anschläge

Der Täter Franz Fuchs wurde am 1. Oktober 1997 bei einer Verkehrskontrolle aufgehalten. Er zündete eine Rohrbombe, weil er glaubte, man hätte ihn entlarvt. Der Selbstmordversuch schlug fehl, trennte ihm jedoch beide Hände ab und verletzte die Beamten zum Teil schwer. Franz Fuchs verübte von 1993 bis 1997 zahlreiche Anschläge durch Brief- und Rohrbomben. Opfer waren Migranten, Angehörige von Minderheiten und Personen und Organisationen, die sich für Flüchtlinge engagierten. Die Anschläge forderten vier Todesopfer, 15 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.