Zirners szenische Doku uraufgeführt

In der Theaterwerkstatt des Landestheaters in St. Pölten ist am Samstagabend Ana Zirners szenische Doku „Flammende Reden, brennende Plätze“ uraufgeführt worden. Ein kleines Vokabular für den gewaltlosen Protest.

Das Publikum auf Lautsprecherboxen sitzend im Raum verteilt, zwei Frauen und zwei Männer über ihre Erfahrungen als gewaltlose und dennoch mit staatlich ausgeübter Gewalt konfrontierte Demonstranten berichtend. Spanien, Ukraine, Türkei, Syrien - vier von zahlreichen Ländern, in denen sich in der jüngeren Vergangenheit politische Protestbewegungen ereignet haben. Aus jedem Land standen Gesprächspartner zur Verfügung und berichteten über die jeweiligen Geschehnisse und die Beweggründe, an ihnen teilzunehmen.

Um möglichst glaubhafte Stellvertretung bemüht

Im Stück verkörpert werden sie von Swintha Gersthofer, Pascal Gross, Marion Reiser und Jan Walter, die um möglichst glaubhafte Stellvertretung bemüht sind - das heißt, ohne allzu übertriebene Theatralik, aber doch in typisierenden Charakterisierungen von vier jungen Menschen, die sich jeweils als Mitglieder einer wachsenden Zivilgesellschaft im eigenen Land verstehen und sich dafür mit friedlichen Mitteln engagieren.

Szenen aus dem Stück von Ana Zirner

Nurith Wagner-Strauss

Zwischendurch fragt man sich, ob nicht die Form des Hörspiels oder schlicht gefilmte Interviews mehr an formaler Adäquatheit, inhaltlicher Kongruenz und nicht zuletzt Reichweite brächten. Doch dann werfen Projektoren teils bewegte Bilder demonstrierender Menschen an die Wände, Menschen, die durch Tränengaswolken laufen, und es entsteht im Zuseher tatsächlich kurz die unabwendbare Vorstellung, selbst im Gemenge mittendrin oder zumindest davon umgeben zu sein.

Die Sprache ist eine ungekünstelte, Authentizität vermittelnde Alltagssprache mit Unterbrechungen und Fehlerhaftigkeiten. Gelegentliche chorische Textwiederholungen nimmt man in Kauf, hin und wieder setzt akustisches Tohuwabohu ein, das auf Kosten der Verständlichkeit geht. Im Ernstfall mag es nicht anders sein, und von diesem ist eben die Rede.

Jahresbilanz von „Reporter ohne Grenzen“

In einem kurzen einleitenden Schnellsiedekurs erfährt man auch die gestische Zeichensprache der Demonstrantenszene, sozusagen - wie es heißt - ein „kleines Vokabular für den gewaltlosen Protest“. Später werden hastig Flugzettel verteilt. Darauf findet sich die von „Reporter ohne Grenzen“ erstellte Jahresbilanz der Pressefreiheit 2014 mit weltweit 178 inhaftierten, 119 entführten und 66 getöteten Journalisten. Hard facts, wie die Berichte.

Szenen aus dem Stück von Ana Zirner

Nurith Wagner-Strauss

Zirner, Tochter des Schauspielerehepaars August Zirner und Katalin Zsigmondy, führt auch Regie, versteht ihr Handwerk, schlachtet Tatsachen nicht moralisierend aus, sondern lässt sie nüchtern für sich selbst sprechen und ist damit auf gutem Weg zu einem politischen Theater, das primär informieren will. Dagegen sind manche Regimes offenbar allergisch: Im Iran etwa hat Zirner nach ihrem Stück „brothers in arms“ Einreiseverbot.

Ewald Baringer, Austria Presse Agentur

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