Terror in Brüssel: „Wir fühlten uns sicher“

Nach den Anschlägen in Brüssel herrscht Fassungslosigkeit. Die Niederösterreicherin Ilse Penders-Stadlmann war gerade am Weg ins Büro, als die erste Bombe detonierte. Davor habe sie sich in Brüssel eigentlich sicher gefühlt, sagt sie.

Nach den Terroranschlägen am Flughafen sowie in der U-Bahn herrscht in Brüssel höchste Terrorwarnstufe. Mehr als 30 Menschen starben bei den Anschlägen, an die 200 Personen wurden verletzt. Die gebürtige Zwettlerin Ilse Penders-Stadlmann leitet seit elf Jahren das Verbindungsbüro der niederösterreichischen Landesregierung in Brüssel. Gegenüber noe.ORF.at schildert sie, wie sie die Anschläge miterlebt hat.

Ilse Penders-Stadlmann Verbindungsbüro NÖ Landesregierung Brüssel

Privat

Die Niederösterreicherin Ilse Penders-Stadlmann war gerade auf dem Weg in das Büro in Brüssel, als am Flughafen die Bombe detonierte

noe.ORF.at: Frau Penders-Stadlmann, wie haben Sie die Terroranschläge in Brüssel mitbekommen?

Penders-Stadlmann: „Ich war gerade mit dem Auto auf dem Weg nach Brüssel, als mich mein Mann anrief und mich warnte, nach Brüssel zu fahren, weil auf dem Flughafen ein Bombenanschlag passiert sei und vermutlich die komplette Autobahn blockiert sein würde. Ich habe dann wieder umgedreht und zu Hause Fernseher und Radio aufgedreht. Relativ schnell kam dann die Mitteilung von den Bombenanschlägen in einer U-Bahn-Station, die im Zentrum Brüssels und nur acht Minuten von meinem Büro entfernt liegt. Die Anschläge passierten zu einem Zeitpunkt, als sich möglicherweise viele Kollegen und Freunde in der U-Bahn-Station aufhielten.“

noe.ORF.at: Wie groß ist deshalb auch Ihre persönliche Bestürzung und Betroffenheit?

Penders-Stadlmann: „Es fällt mir schwer, jetzt darüber zu sprechen. Zwischen neun und zehn Uhr ist in den meisten EU-Büros Dienstbeginn, weil man am Abend dafür in der Regel länger arbeitet. Die Anschläge waren genau zu der Zeit. Es ist die U-Bahn-Station, die die meisten Kolleginnen und Kollegen benutzen, um in die Arbeit zu fahren. Dort sind die Kern-EU-Gebäude, dort sind nur EU-Büros und Büros von Lobbyisten, dort ist also keine Wohngegend. Ich gehe dort jeden Tag vorbei, benütze die U-Bahn-Station genauso wie meine Kolleginnen und Kollegen regelmäßig.“

noe.ORF.at: Nach den Anschlägen gingen auch die Telefonleitungen in Brüssel sehr schnell nicht mehr. Wissen Sie, welchen Grund das hatte?

Penders-Stadlmann: „Im Fernsehen kamen permanent Nachrichten, dass man keine Telefone gebrauchen soll, damit man die Telefonleitungen für die Sicherheitsdienste freihält. Ich habe dann mit meinen Büromitgliedern per E-Mail kommuniziert und ich habe ihnen die Anweisung gegeben, dass sie über unbelebte Wege nach Hause gehen sollen. Es kam aber dann von offizieller Seite sehr schnell eine weitere Anweisung, nämlich dass alle in den Häusern bleiben sollen, also habe ich wiederum angeordnet, in den Büros zu bleiben. Wir haben dann nur mehr per E-Mail und SMS kommunizieren. Das war eine Situation, die vollkommen neu war, die man aber gut meistern konnte. Dann haben alle Telekom-Dienste ihre Hotspots freigeschalten, sodass man gut kommunizieren konnte. “

noe.ORF.at: Nach den Terroranschlägen in Paris im November wurde ja auch in Brüssel die höchsten Terror-Warnstufe ausgerufen. Wie waren die vergangenen Monate? Hätten Sie sich auch nur ansatzweise vorstellen können, dass Brüssel trotz der Sicherheitsvorkehrungen derart verheerenden Terroranschlägen getroffen werden könnte?

Penders-Stadlmann: "Eigentlich hat sich das Leben in den letzten Monaten normalisiert gehabt. Dieses Bild von Soldaten, die das tägliche Leben in Brüssel begleiten, wurde eigentlich schon zur Selbstverständlichkeit. Auch immer wieder diese Meldungen von Häusern, die von der Polizei durchsucht worden sind, und auch der Aufgriff von Terroristen wurden eigentlich zu einer Alltäglichkeit, so schlimm das jetzt klingt. Meine Kollegen und ich haben darüber gesprochen, dass diese Nachrichten trotz allem weit weg vom Zentrum Brüssels sind, in Stadtteilen Brüssels, die gefährlich sind und wo wir auch nicht hingehen.

Man hatte sogar das Gefühl, da überall Überwachungskameras installiert wurden, dass man eigentlich sogar im sichersten Teils Brüssels arbeitet und dass man sich ruhig bewegen kann, als gäbe es keine Gefahr. Ein Angriff auf den Flughafen jetzt, wo viele dort ankommen und wegfliegen, wo jeder weiß, wie überfüllt die Ankunftshalle zu diesem Zeitpunkt ist, ist in meinen Augen weniger ein Angriff auf Brüssel, sondern viel mehr ein Angriff auf Europa. Und dann der Angriff auf die U-Bahn-Station direkt im EU-Viertel. Auch dieser Angriff sollte zeigen: ‚Ihr braucht euch nicht sicher fühlen, wir machen trotzdem unsere Anschläge.‘"

noe.ORF.at: Wie geht es jetzt Ihren Kolleginnen und Kollegen? Ist eine Rückkehr zur Normalität in den nächsten Tagen überhaupt möglich?

Penders-Stadlmann: „Ich habe noch einmal mit meinen Mitarbeitern telefoniert. Alle sind mittlerweile sicher zu Hause angekommen. Eine Mitarbeiterin, die am längsten ins Büro fährt, musste zweieinhalb Stunden zu Fuß gehen. Die Bevölkerung wird ja dazu aufgerufen, die Häuser nicht zu verlassen. Ich glaube, man wird erst in den nächsten Tagen sehen, wie sich alles entwickelt, wie viele überhaupt arbeiten gehen werden, wie viele Büros überhaupt aufsperren werden und vor allem, wie Brüssel und Belgien mit dieser Situation umgehen wird. Aber wir hoffen, dass es das gewesen ist, und in Gedanken an die, die jetzt betroffen und getroffen wurden, ist es sehr schwer, noch mehr zu sagen.“

Das Interview führte Silvia Noggler, noe.ORF.at

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