Griss: „In der Politik fehlen die klaren Worte“

„In der Politik fehlen die klaren Worte“, sagte Irmgard Griss, Kandidatin für das Bundespräsidentenamt, in der ORF-NÖ-Interviewserie mit den Präsidentschaftskandidaten. Sie wolle Probleme klar ansprechen, so die 69-Jährige.

Sie sei unabhängig, betonte Irmgard Griss, weil sie keiner politischen Partei angehöre. Dass sie noch kein politisches Amt bekleidet hat, sieht die 69-Jährige nicht als Nachteil, weil politische Erfahrung keine Erfolgsgarantie sei: „Eine Politikerin bzw. ein Politiker muss den Willen und die Fähigkeit haben, zu gestalten, muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und das habe ich als Richterin mein ganzes Leben gemacht.“

Sie würde als Bundespräsidentin Probleme klar ansprechen: „Wenn ein Problem auftritt – nehmen wir die Flüchtlingskrise, eine gewaltige Herausforderung -, dann findet sich kein Politiker, der sachlich klar das Problem anspricht. Was ist die Folge? Das Feld wird Populisten überlassen, am rechten wie am linken Rand.“

Kritik an Regierung in Bezug auf Flüchtlingskrise

Griss übte in Sachen Flüchtlingskrise scharfe Kritik an der Bundesregierung, die zuerst zu spät und jetzt überzogen reagiert habe: „Wir haben auf der einen Seite eine Situation, dass man nichts getan hat, man hat das einfach laufen lassen, und auf der anderen Seite übertreibt man in die andere Richtung und vergisst auch die grundlegenden Verpflichtungen, die wir als zivilisierte Nation haben.“ Unter anderem muss man laut Griss die Asylverfahren beschleunigen.

Vor dem Hintergrund der Migrationsströme wäre einer ihrer Arbeitsschwerpunkte auch Afrika, um den Menschen dort zu helfen. „Afrika ist ein Kontinent, von dem wir in den nächsten Jahrzehnten viele Migranten erwarten müssen, wenn nichts geschieht“, so Griss. Laut der 69-Jährigen müssten die europäischen Staaten dazu beitragen, dass in afrikanische Unternehmen investiert sowie rechtsstaatliche Strukturen in Afrika aufbaut werden.

Griss befürwortet flächendeckende Ganztagsschule

Für Österreich würde sie sich flächendeckend Ganztagsschulen wünschen, finanziert über eine Erbschaftssteuer: „Führen wir doch für eine begrenzte Zeit eine Erbschaftssteuer mit hohen Freibeträgen nach deutschem Vorbild – also nicht Klein- und Mittelunternehmen, wenn sie weitergeführt werden – ein, um das zu finanzieren, zweckgebunden, mit moderaten Sätzen.“

Griss sprach sich auch klar für die sogenannte Homo-Ehe aus: „Ich denke immer, für jemanden, der hier Vorbehalte hat, ist es vielleicht am besten, sich in die Situation von Eltern hineinzuversetzen, deren Kind homosexuell ist. Wie stellt man sich dann dazu? Das eigene Kind nimmt man an. Will man, dass das eigene Kind gekränkt ist? Ich kann mir das nicht vorstellen. Das folgt auch aus meiner christlichen Grundhaltung, ich bin ja katholisch und ich versuche, die Werte zu Leben, die auch im Evangelium enthalten sind.“

Griss: „Niederösterreich ist ein schwierigeres Terrain“

Dass sie in Niederösterreich, dem Bundesland mit den meisten Wahlberechtigten, kaum große Wahlveranstaltungen abgehalten hat, erklärt Griss mit dem fehlenden Parteiapparat. „Niederösterreich, das ist natürlich ein schwierigeres Terrain, muss man ganz ehrlich sagen, da ist es für uns nicht leicht, das war auch der Grund dafür. Aber Niederösterreich ist natürlich das Hoffnungsgebiet für bürgerliche Kandidaten und für mich auch als Kandidatin, da ich doch eher diesem Bereich zugeordnet werde“, sagte die 69-Jährige.

Falls sie nicht Bundespräsidentin wird, dann werde sie ihr Leben weiterleben wie vor dem Wahlkampf. „Ich bin Schlichterin bei der Schlichtungsstelle für Verbrauchergeschäfte. Ich habe auch jetzt immer wieder Schlichtungsverhandlungen gemacht, ich mache das sehr gern, und ich bin Großmutter, also ich lebe mein Leben, so wie ich es bisher gelebt habe“, sagte Griss. Jedenfalls sei sie, so die 69-jährige Steirerin, um eine hochinteressante Erfahrung reicher.

Wordrap mit Irmgard Griss

Welches Staatsoberhaupt hat seine/ihre Rolle aus Ihrer Sicht gut ausgefüllt? Kirchschläger.

Gibt es einen Politiker oder eine Politikerin in einer anderen Partei, den Sie bzw. die Sie bewundern? Warum? Ich habe keine andere Partei, weil ich selber keine habe.

Wohin sollte Ihre erste offizielle Reise als Bundespräsident gehen? Schweiz.

Was wäre für Sie ein Rücktrittsgrund? Derzeit fällt mir keiner ein.

Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte? Maria Theresia.

Was würden Sie einem Staatsgast gerne servieren? Tafelspitz.

Was sagt man Ihnen nach? Durchsetzungskraft.

Was machen Sie in der Früh zuerst? Ich gehe laufen.

Als Kind wollten Sie sein wie… Ich wollte viel wissen.

Wären Sie Fußballer - auf welcher Position würde Sie der Fußball-Teamchef einsetzen? Warum? Stürmerin.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen? Thomas Hofer: Die Tricks der Politiker.

In einem Orchester wären Sie… Cello.

Was machen Sie am liebsten, wenn Sie gerade nichts machen müssen? Nichts.

Gibt es einen Platz in Niederösterreich, der Sie besonders beeindruckt? Waldviertel.

An wen haben Sie zuletzt ein SMS/mail gesendet? An eine Freundin.

Den Sommerurlaub verbringen Sie heuer… in der Steiermark.

Ein Tag ist für mich gelungen, wenn… ich das gemacht habe, was ich machen wollte.

Mehr über Irmgard Griss

Als parteiunabhängige Kandidatin zieht die frühere OGH-Präsidentin Irmgard Griss in die Wahl - finanziert durch öffentlich auf der Homepage bekannt gegebene Spenden Privater. Für die NEOS ist sie „erste Wahl“, eine dezidierte Wahlempfehlung formulierten sie aber nicht. Breite Bekanntheit - mit viel Beifall - erreichte Griss als überraschend unabhängig-kritische Leiterin der von der Bundesregierung eingesetzten Hypo-Untersuchungskommission im Jahr 2014. Da hatte die jetzt 69-jährige Grazerin ihre Justiz-Karriere schon beendet.

Aufgewachsen als Bauerntochter in der Weststeiermark, hatte sie die Hauptschule besucht, die Matura an der Handelsakademie gemacht - und wollte eigentlich Lehrerin werden. Es wurde aber doch das Jus-Studium (samt Master of Laws in Harvard) - und nach einem kurzen Ausflug zu den Rechtsanwälten ab 1979 die Richter-Laufbahn.

Beharrlich arbeitete sie sich von der Handelsrichterin über das Oberlandesgericht Wien zum Obersten Gerichtshof (ab 1993) empor. Von Anfang 2007 bis zur Pensionierung 2011 war sie die erste Frau an dessen Spitze. Ganz zur Ruhe gesetzt hat sich Griss auch danach nicht: Seit 2008 ist sie Ersatzmitglied des Verfassungsgerichtshofes, seit 2013 leitet sie die Schlichtungsstelle für Verbrauchergeschäfte, im Jänner 2015 wurde sie internationale Richterin am Singapore International Commercial Court.

Irmgard Griss - die regelmäßig Sport (Laufen) betreibt, sich in der Natur, beim Lesen und klassischer Musik entspannt - ist mit einem Rechtsanwalt verheiratet, hat drei Stief- und zwei leibliche Kinder.

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